Schach in Rumänien der 1960er–80er Jahre: Rumänische Meister waren weltweit anerkannt
Im Geschichtsmagazin befassen wir uns mit einer der interessanten Episoden im rumänischen Schachsport in den 1960er und 1980er Jahren – die zwei Jahrzehnte waren eine Glanzzeit, wie das prominente internationale Profil beweist.
Ștefan Baciu, 05.04.2021, 17:30
Das Schachspiel war in Rumänien um 1700 ein Spiel der Elite, erst im 19. Jahrhundert begann man, Schach in bürgerlichen Kreisen zu spielen, und gegen Ende des Jahrhunderts erschienen Publikationen und Vereine. Bei den Schacholympiaden belegten rumänische Mannschaften dann im 20. Jahrhundert recht gute Plätze: 1926 erreichte Rumänien in Budapest den 3. Platz, 1978 in Buenos Aires den 6. Platz und 1984 in Thessaloniki den 5. Platz.
Einer der Spitzenspieler Rumäniens war Florin Gheorghiu — er siegte auch über Bobby Fischer, der von vielen als der größte Spieler in der Geschichte dieses Sports angesehen wird. Fischer und Gheorghiu waren auch befreundet, das Ergebnis der Partien zwischen den beiden war ein friedliches 2:2. Fischer und Gheorghiu trafen sich zum ersten Mal 1962 bei den Olympischen Spielen in Warna, als der Amerikaner 19 und der Rumäne 18 Jahre alt waren. Sie spielten nicht gegeneinander, aber Gheorghiu sagte, dass er, wie die anderen, von Fischers großer Spielstärke beeindruckt war.
Der heute 76 jährige Großmeister Florin Gheorghiu erzählte bei RRI von seinen Auseinandersetzungen mit Fischer am Schachbrett, die 1966 in Kuba begannen:
Unsere erste Begegnung fand bei den Olympischen Spielen 1966 in Havanna statt, und sie endete überraschend mit meinem Sieg. Im Beisein von Fidel Castro und der gesamten kubanischen Regierung, die unser Treffen mit großem Interesse verfolgten, legten wir damals den Grundstein für eine Annäherung, für eine zukünftige Freundschaft. Bobby hat sich tadellos verhalten, das Verhalten eines großen Champions, seine Leistung in Havanna war ganz außergewöhnlich. Unser Match begann im Zeichen seiner absolut unglaublichen Punktzahl, 14 von 15 möglichen Punkten hatte er bis dahin erreicht. Er hatte zwei Remis, gegen Boris Spasski und Wolfgang Uhlmann, und da er in Führung lag, hätte er auch diese Partien gewinnen können. Er verlor gegen mich und gewann das letzte Spiel und hatte somit ein Endergebnis von 15 von 17 möglichen Punkten.“
Fischer stellte sich der Herausforderung von Gheorghiu — und die zweite Runde des Showdowns sollte in zwei Jahren stattfinden.
Wir haben noch dreimal gespielt, leider nur dreimal, es wäre toll gewesen, mehr zu spielen. Das zweite Treffen fand zwei Jahre später beim großen Turnier in Kroatien im Jahr 1968 statt. Dort gewann Bobby das Turnier souverän mit zwei Punkten Vorsprung und präsentierte sich ganz anders, als man ihn kannte, nämlich als fröhlicher, kommunikativer Mann, der gerne Musik hörte. Wir hatten ein absolut außergewöhnliches Match, das 18 Stunden dauerte, drei Unterbrechungen hatte und in einem Unentschieden endete. Bobby misslang die Revanche und, ein wenig verärgert über dieses Ergebnis, schlug er vor, ein 10-Spiele-Match irgendwo zu machen, möglicherweise sogar in Bukarest. Natürlich habe ich mich gefreut, mich mit Bobby zu messen, es wäre etwas Außergewöhnliches für das rumänische Schach gewesen. Ich habe diesen ehrenhaften Vorschlag an den rumänischen Schachverband und das Sportministerium weitergeleitet, die natürlich ablehnten und sagten, sie hätten keine Mittel zur Verfügung. Bobby hatte die Messlatte für dieses inoffizielle Match sehr niedrig gelegt. Sicherlich wäre niemand aus diesem Match als Weltmeister hervorgegangen, aber er hätte mit großer Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass unser Ergebnis in Havanna für ihn ein Unfall gewesen war. Für mich wäre es eine tolle Gelegenheit gewesen, den größten Spieler aller Zeiten zu treffen.“
Fischer sollte im dritten Spiel gegen Gheorghiu, weitere zwei Jahre später, gleichziehen.
Das dritte Treffen war bei einem Superturnier, das von der größten Zeitung Südamerikas, der Zeitung »Clarín«, 1970 in Buenos Aires organisiert wurde. Bobby kam leider zu spät und die Organisatoren hätten ihn fast disqualifiziert. Er gab die ersten beiden Partien auf und zwei Großmeister nahmen schändlicherweise in Kauf, durch sein Forfait zu gewinnen. Die Auslosung bestimmte, dass Bobby die dritte Partie mit mir spielen musste. Hätte ich zugestimmt, durch Forfait zu gewinnen, wäre Bobby ausgeschieden und das Turnier wäre uninteressant geworden. Ich weigerte mich, so zu gewinnen, und das ermöglichte es ihm, weiterzumachen. Er kam erst spät ins Spiel, er hat gegen mich ein tolles Match gemacht, wie gegen die anderen auch, und hat es geschafft, den Punktestand zwischen uns beiden auszugleichen.“
Die vierte und letzte Begegnung der beiden Schachgrößen endete 1970 ebenfalls mit einem Unentschieden, erinnert sich der rumänische Meister Florin Gheorghiu.
Das vierte und leider letzte Treffen fand 1970 bei den Olympischen Spielen in Siegen statt, wo die Entwicklung spannend war. Das Spiel hatte dramatische Akzente — wir unterbrachen in einer scheinbar gleichstarken Position. Es musste irgendwie unentschieden ausgehen. Die Nacht der Analyse war interessant, es schien mir, dass Bobbys Chancen in diesem scheinbar geradlinigen Finish besser waren. Ich stellte zur Überraschung aller fest, dass bei der kleinsten Ungenauigkeit Schwarz, also Bobby, gewann. Der einzige Weg zum Remis war ein Pferdeopfer für zwei Bauern. Bekanntlich ist es nie oder fast nie gut, am Ende eine Figur zu opfern. Erfreulicherweise führte das Opfer schließlich zu einem Unentschieden.“
Der große amerikanische Meister gewann 1972 in Reykjavik seine berühmte Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Großmeister Boris Spasski — sie sollte als Match des Jahrhunderts“ in die Geschichte eingehen. Florin Gheorghiu hat eine ebenfalls beeindruckende Bilanz: Er spielte bei 14 Olympiaden für Rumänien, in vier davon blieb er ungeschlagen. In den 1970er Jahren, als Bobby Fischer Weltmeister wurde, gehörte Großmeister Florin Gheorghiu zu den 10 besten Schachspielern der Welt.
Deutsch von Alex Gröblacher