Rundfunkgeschichte: Auslandssendungen unter Zensur und Kontrollwahn in den 1950ern
In den 1950er Jahren wurden für die Auslandssendungen des Rumänischen Rundfunks Muttersprachler herangezogen. Die Skripte wurden mehrfach auf politische Inhalte überprüft und auch während der Sendung von Kontrolleuren mitverfolgt.
Steliu Lambru, 02.11.2015, 18:02
Die ersten offiziellen Sendungen in Fremdsprachen des Rumänischen Rundfunks wurden Anfang der 1930er Jahre konzipiert und waren als Informationsquelle für das Corps Diplomatique gedacht. 1932 bestanden die Sendungen aus kurzen Info-Meldungen, zunächst in französischer und englischer Sprache, später auch auf italienisch und deutsch, über die Reichtümer, die Wirtschaft, die Kultur und das Schaffen Rumäniens“. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hat einen Anstieg und eine Auffächerung der Informationen aus Rumänien in den Auslandssendungen in Fremdsprachen mit sich gebracht. Neben den Sendungen in deutsch, französisch, englisch und italienisch kamen noch andere in griechisch, türkisch, serbisch, russisch und später (1941-1942) in ukrainisch hinzu. In der Kriegszeit hatten diese Sendungen einen ausgeprägt propagandistischen Charakter, zur Unterstützung der militärischen Operationen und politischen Handlungen Rumäniens sowie zur Unterstützung der Achsenmächte, vorrangig Deutschlands, mit denen Rumänien verbündet war.
Am 23. August 1944 wechselte Rumänien die Fronten und schloss sich den Alliierten an. Ende 1944 wurde ein neuer Sender namens Dacia Romana“ ins Leben gerufen, der in fünf Sprachen ausstrahlte: Deutsch, Englisch, Russisch, Französisch und Ungarisch. Das nach dem Krieg an die Macht gehievte kommunistische Regime markierte auch die Geschichte des Rumänischen Rundfunks dramatisch. Im Kalten Krieg und hinter dem Eisernen Vorhang wurden die Sendungen von Radio Bukarest für das Ausland zum Propaganda-Instrument degradiert. Trotzdem beinhalteten die Sendungen auch brauchbare bis genießbare, von der Zensur weniger bestimmte Inhalte über Freizeit und Tourismus, Kultur, Musik und Sport.
1950 hatte Sergiu Levescu sein Abitur beim Französischen Lyzeum in Bukarest gemacht. Im selben Jahr erhielt er eine Stelle in der Französischen Abteilung des Rumänischen Rundfunks; das ging aber nicht so einfach, weil er nicht aus einer Arbeiterfamilie kam. 1998 erzählte Sergiu Levescu in einem Interview mit dem Zentrum für Mündlich Überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks über seine Position in der Redaktion und über die tägliche Arbeit in der Französischen Abteilung:
Damals war das Personal nicht sehr zahlreich — es gab einen Abteilungschef, zwei Übersetzer und zwei Kontrolleure. Die Kontrolleure prüften und genehmigten die Texte, damit die französischen Übersetzungen mit den rumänischen Originaltexten übereinstimmten. Zu jener Zeit gab es keine redaktionelle Aktivität in den Fremdsprachenabteilungen — die Texte erhielten wir von zwei Hauptabteilungen, die für Beiträge zu Inlands- bzw. Auslandsthemen zuständig waren. Die Redakteure von diesen zwei Abteilungen verfassten Texte in rumänischer Sprache — Nachrichten, Kommentare und andere Beiträge, die wir in die jeweiligen Fremdsprachen übersetzten. Dann prüfte der Kontrolleur, ob die Übersetzung sprachlich korrekt und inhaltlich mit dem Originaltext konform war. Dann wurden die Texte an die Rundfunksprecher weitergegeben, die sie einsprachen. Alles wurde auf Tonband aufgenommen — Livesendungen in Fremdsprachen gab es damals nicht. Die übersetzten Texte wurden auf der Schreibmaschine in drei Exemplaren geschrieben. Ein Exemplar war für den Rundfunksprecher. Ein zweites Exemplar erhielt der Kontrolleur, der, nachdem er den Text geprüft und eventuell korrigiert hatte, neben dem Rundfunksprecher im Aufnahmestudio saß und ihm beim Einsprechen zuhörte, damit dieser nicht etwas sagt, was im Text nicht enthalten war. Und schließlich kam das dritte Exemplar in die Hände einer Person, die eigentlich nicht zur Redaktion gehörte. Als die Sendung lief, saß diese Person in einem Büro, in einem anderen Teil des Rundfunkgebäudes, hörte die Sendung mit dem Text in der Hand und prüfte, ob alles, was der Sprecher gesagt hatte, mit dem geschriebenen Text übereinstimmte. Es wurde also eine mehrstufige Kontrolle der Sendungen durchgeführt.“
1955 heiratete die Engländerin Marjorie Negrea den Rumänen Stavarache Negrea; beide ließen sich in Rumänien nieder und wurden Mitarbeiter der Englischen Abteilung. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündlich Überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks von 1997 sprach Marjorie über ihre Tätigkeit als Rundfunksprecherin und Kontrolleurin:
Kurz nachdem ich in Rumänien angekommen war, ging ich zum Zentralen Parteikomitee. Da sagte man mir, dass ich, wenn ich in Rumänien leben und arbeiten wollte, eine Empfehlung für Arbeit im Rundfunk und Fernsehen erhalten könnte — dort brauchte man nämlich Mitarbeiter, die Englisch sprachen. Ich musste ein paar Teste bestehen, ich korrigierte Texte mehrerer Übersetzer und dann wurde ich Rundfunksprecherin. In den darauffolgenden Jahren arbeitete ich auch als politische Kontrolleurin. Es war eine interessante Tätigkeit, ich prüfte, ob die Übersetzung in Sinne der damals vertretenen politischen Ideologie korrekt war. Ich konnte damals nicht sehr gut Rumänisch, es war manchmal schwer, aber ich hatte immer eine gute Arbeitsbeziehung zu den Kollegen.“
In den 1950er Jahren, als sie im Rumänischen Rundfunk angestellt wurde, war Maria Lovinescu zuerst Redakteurin in der Auslandsredaktion der Fremdsprachenabteilungen und dann arbeitete sie in der Italienischen Abteilung. 1995 erinnerte sie sich an die Hörerbriefe:
Am Anfang erhielten wir nicht sehr viele Hörerbriefe, aber mit der Zeit wurden es mehr, weil unsere Hörer viele Fragen über Rumänien hatten. Sie interessierten sich für die rumänische Volksmusik, für die rumänische Kultur. Wir sendeten viele Berichte über rumänische Ferienorte, über Regionen mit schönen Naturlandschaften, und unsere Hörer wollten wissen, wie man Rumänien besuchen könnte. Ich bin der Ansicht, dass sie sich weniger oder gar nicht für politische Aspekte interessierten. Falls sie sich für Politik interessierten, hatten sie direkte Informationsmittel, zum Beispiel Zeitungen.“
Nach der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 wurde aus Radio Bukarest Radio Rumänien International, eine Verjüngung des Personals vollzog sich rasch und der Auftrag bekam andere Dimensionen: der Wiederanschluss Rumäniens an die demokratische Staatengemeinschaft und die Wiederherstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Rumänien und den Auslandsrumänen.