Rumänischer Goldschatz: Episode rumänisch-russischer Geschichte belastet Beziehung seit 100 Jahren
1916 vertraute Rumänien aus Angst vor den Deutschen seinen Goldschatz dem zaristischen Russland an. Heute liegt er teilweise immer noch dort – ein Zeugnis verratener Freundschaft.
Steliu Lambru, 26.12.2016, 17:41
Es heißt unter Historikern, dass Länder keine Freunde haben, sondern nur Interessen. Doch der Umgang der Länder miteinander kann mehr oder weniger freundlich sein — Bündnisse werden geschlossen, Geheimnisse anvertraut. In manchen Fällen rettet ein Land seine Schätze vor dem Feind in einem anderen Staat. Polen zum Beispiel deponierte im September 1939 seinen Goldschatz in Rumänien, als es von Nazideutschland und Sowjetrussland in die Zange genommen wurde. Doch auch Verrat ist oft im Spiel, wie die Story des rumänischen Goldschatzes zeigt, der vor jetzt 100 Jahren nach Russland gebracht wurde und zum Teil noch immer dort liegt.
Als Rumänien in den ersten Weltkrieg an der Seite der Entente von Frankreich, England und Russland eintrat, besetzten Deutschland und Bulgarien im Dezember 1916 den Süden des Landes und die Hauptstadt Bukarest. Weil Rumänien im gleichen Bündnis mit Russland war, wurde der Goldschatz des Landes nach Moskau verbracht, um nicht in die Hände der Deutschen zu fallen. Zwischen dem 12. – 14. Dezember 1916 wurden im Bahnhof Iaşi nicht weniger als 1738 Kisten mit Goldbarren und Münzen in 17 Waggons verladen. In zwei der Kisten lagen die Kronjuwelen der Königin Maria. Der Transport traf am 21. Dezember in Moskau ein. Im Sommer 1917 fand ein zweiter Transport statt, der am 3. August in Moskau eintraf — drei Waggons mit Wertgegenständen, Staatsanleihen, Depots, Gold und Schriftstücken aus dem Bestand der rumänischen Zentralbank. Dazu 21 Waggons mit dem Bestand der Sparkasse und vielen Kunstgegenständen aus Privatsammlungen. Der damalige Wert der beiden Transporte lag bei zehn Milliarden Lei. Der Historiker Ioan Scurtu meint aber, dass der Verlust nicht nur finanziell schwer zu verkraften war:
Rumänien hat damals zwar die Grundlage der Zentralbank für die Gewährleistung eines normalen Geldumlaufs auf dem damaligen Gebiet verloren — 93 Tonnen Goldbarren. Aber da war viel mehr dabei, Gemälde, Kultgegenstände, Teppiche, Objekte von historischem und sentimentalem Wert. Man kann das praktisch nicht einmal in Geld — Lei, Dollar oder Rubel — schätzen. Wie setzt man den Wert einer Taufschale aus dem 15. Jahrhundert an? Ihr Kunst- und Geschichtswert übersteigt den Preis des Metalls. Durch den Verlust dieser Schätze ist Rumänien ärmer geworden. Dabei hatte man in Rumänien darauf vertraut, dass Russland alles zurückgibt, wie das unter zivilisierten Ländern üblich ist, die das Völkerrecht einhalten.“
Die Geschichte sollte Rumänien aber einen Strich durch die Rechnung machen — die Bolschewiken putschten sich in Moskau an die Macht und brachen die diplomatischen Beziehungen zu Rumänien ab. Im Januar 1918 schickte Sowjetrussland auf Bestreben Lenins einen Brief an Rumänien, in dem es klar heißt, dass der Schatz der rumänischen Oligarchie bis auf weiteres beschlagnahmt wird und zu gegebener Zeit dem werktätigen Volk“ zurückerstattet wird. Die Frage stellt sich im Nachhinein, ob Rumänien zur damaligen Zeit eine bessere Option gehabt hätte:
Es gab den Vorschlag, den Schatz nach Schweden zu bringen — aber es gab ein Transportproblem. Wie konnte man den Schatz an den deutschen Truppen vorbei bis nach Schweden bringen. Heute können wir sagen, dass es ein Fehler war, den Schatz nach Russland zu bringen. Aber wenn wir nachvollziehen, wie die Gemütslage damals war, ist das nicht mehr so klar. Es gab Ende 1916 eine Psychose, dass die Moldau besetzt wird, viele Parlamentarier hatten sich nach Odessa abgesetzt. Auch die Regierung selbst überlegte, die Moldau zu verlassen und König Ferdinand und Brătianu mussten ein Machtwort sprechen, um die Minister davon abzuhalten. Es gibt genug Zeugnisse über diese Psychose. Der liberale Politiker I. G. Duca erzählt, dass die Züge schon beladen waren aber ständig Menschen an den Bahnsteig strömten und eigene Wertgegenstände auf den Weg geben wollten, um sie später nach dem Krieg zurück von Russland zu bekommen. Die Regierung konnte sich nicht vorstellen, dass Russland später nicht Wort halten wird“, sagt Historiker Ioan Scurtu.
Nach dem Krieg versuchte Rumänien über die Rückerstattung der Schätze zu verhandeln. Die Sowjetunion gab 1935 die Archivstücke und die Unterlagen der rumänischen Akademie der Wissenschaften zurück. Und 1956 kam ein weiterer Teil nach Rumänien, darunter der gotische Goldschatz von Pietroasa, die so genannte Henne mit den goldenen Küken“. Im Juli 2003 unterschrieben Russland und Rumänien einen Grundlagenvertrag, in dem vereinbart wurde, über den Goldschatz zu einem späteren Zeitpunkt zu diskutieren. 100 Jahre nach dem ersten Goldtransport nach Moskau ist der Schatz nach wie vor dort — gefangen in einer verratenen Freundschaft.