Rumänische Revolution von 1989: Schwierige Rückkehr zur Demokratie
Seit Mitte des 19. Jahrunderts hat der politische Wortschatz das Wort Revolution“ mit der Bedeutung einer Verwerfung alter Ideen und Praktiken behaftet, einer Erneuerung“ der gesamten Gesellschaft.
Steliu Lambru, 19.12.2016, 19:07
Seit Mitte des 19. Jahrunderts hat der politische Wortschatz das Wort Revolution“ mit der Bedeutung einer Verwerfung” alter Ideen und Praktiken behaftet, einer Erneuerung“ der gesamten Gesellschaft. Es war vor allem die Politik, die erneuert werden musste, sowohl auf Ebene der politischen Anführer und der politischen Ideen als auch im Hinblick auf die Förderung immer häufigerer Veränderungen. Die Revolution galt als Motor der Geschichte, der Marxismus war die Ideologie, die die Revolutionsperspektive am meisten veränderte. Allein der Klassenkampf hätte die Menschheit vorwärts bringen können, lautete einer der Grundsätze des Marxismus. Die Revolution war sowohl ein aufständischer Vorgang, durch den der Kapitalismus beseitigt und zerstört werden sollte, als auch ein anhaltender Prozess nach Übernahme der Macht durch die Arbeiterschaft. Dieser Prozess sollte die Gesellschaft verändern.
Nachdem der Marxismus leninistischer Prägung 1917 in Russland die Macht ergreifen und sich durch die sowjetische Besetzung in Mittel- und Osteuropa etablieren konnte, hätte die Revolution bis zu ihrem endgültigen Sieg weltweit fortgesetzt werden müssen. Allerdings sind das sowjetische Regime und das Revolutionskonzept als soziale Umwälzung beim Versuch gescheitert, zu höheren Lebensformen zu werden. Der Kommunismus bedeutete die Unterdrückung der elementärsten Menschenrechte und hatte im ökonomischen Bereich eine verallgemeinerte Armut zur Folge. Die Revolutionen in Mitteleuropa 1989 waren die logische Auswirkung der dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen. Und diese Aufstände wurden von Historikern und Politologen als Rückkehr zu den nach dem Zweiten Weltkrieg unfreiwillig aufgegebenen Demokratien gewertet. Die Revolutionen des Jahres 1989 sind jetzt keine Gründungsmomente für soziale Verwerfungen, sondern für den Aufbau der Demokratie. Mit dem Jahr 1989 ist man zum ursprünglichen Verständnis der Revolution zurückgekehrt, der Rückkehr“ zu einem Ausgangspunkt. Und diese ursprüngliche Definition ist auf die glorreiche Revolution in England 1688 zurückzuführen. Die Revolutionen von 1989 sind glorreich, weil sie den Tyranneien ein Ende setzten und dem politischen Menschen die Würde zurückgaben.
In Rumänien gedenkt man jedes Jahr im Dezember des Falls des Kommunismus und feiert die Rückkehr zur Normalität. Die mit vielen Toten und Verletzten teuer bezahlte Rückkehr zur Demokratie wird für immer der höchste Ausdruck der Politik bleiben, die umso wichtiger ist, da sie im Laufe der Zeit immer mehr verblasst. Die antikommunistischen Aufstände begannen im westrumänischen Timișoara (Temeswar) am 16. Dezember 1989. Im Anschluss daran wurden sie in Bukarest am 21.-22. Dezember fortgesetzt, daraufhin konnte Diktator Nicolae Ceaușescu gestürzt werden. Das Datum des 22. Dezember 1989 weise alle Merkmale eines Gründungsmoments auf, sagt der Politologe Ioan Stanomir.
Der 22. Dezember stellt zweifelsohne das Ende des kommunistischen Zeitintervalls dar. Es ist gut, das hervorzuheben, denn einige der Politiker, die sich nach Dezember 1989 etabliert haben, versuchten die antikommunistisch-demokratische Dimension der Volksaufstände herunterzuspielen. Und diese Aufstände haben das Ende des Ceaușescu-Regimes herbeigeführt. Ich bestehe auf diese Dimension. Es ging nicht nur um die Beseitigung eines Diktators, der dieses Land entehrt hat, sondern auch um die Bestätigung bestimmter Werte, die vielleicht nicht ganz klar präzisiert waren, aber dafür dem Wunsch untergeordnet waren, das kommunistische Regime mit all den materiellen Entbehrungen und dramatischen politischen Einschränkungen der Freiheiten zu beseitigen.“
Dennoch hat sich die Befreiung von dem Erbe und den Automatismen des Kommunismus als langwieriger Prozess erwiesen, den damals nicht viele verstanden haben: Es war ein schmerzhaftes Unterfangen, das Böse und das Gute in der Öffentlichkeit voneinander zu trennen, einen Blick auf die Vergangenheit und einen Blick auf die Zukunft zu werfen, behauptet Ioan Stanomir.
Der 22. Dezember ist wie der römische Gott Janus, ein historisches Ereignis mit zwei Gesichtern. Einerseits haben wir den feierlichen Moment der Freiheitserlangung und andererseits beginnt da das Abenteuer der Terroristen. Hätte es die Terroristen nicht gegeben und wären die Menschen nicht in diesen bis heute äußerst schwer zu klärenden Umständen gestorben, dann wäre der 22. Dezember wohl ganz anders in die Geschichte eingegangen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es einen Friedhof der Revolutionshelden gibt und dass dort die Menschen bestattet sind, die größtenteils von den geheimnisvollen Terroristen nach dem 22. Dezember 1989 getötet wurden.“
Das Datum war die Wiedergeburt der rumänischen Demokratie. Die Vielfalt der Meinungen war ein Zeichen gesellschaftlicher Gesundung. Die von dem kommunistischen Regime aufgelösten Parteien wurden neu gegründet, die Menschen waren frei, Ideen vorzuschlagen und zu Taten voranzuschreiten. Ihre Stimmen wurden immer häufiger gehört und das Verhalten der Politiker passte sich den Forderungen der Wähler an, behauptet der Politologe Stanomir.
Der 22. Dezember war in der Tat ein Moment der Brüderlichkeit und Einigkeit, danach folgte recht schnell eine völlige Aufspaltung des politischen Spektrums. Die Bevölkerung wurde gespalten und dafür verantwortlich waren die sogenannte Front der Nationalen Rettung und Ion Iliescu, als sie das Erbe des 22. Dezember einseitig für sich beanspruchten und das zum Nutzen einer Staatspartei. Das war der Anfang vom Ende dieses Traums, der Illusion von einer Brüderlichkeit. Der 22. Dezember ist danach ein einfacher Tag geworden; was folgte, war eine historische Reihe von tragischen Ereignissen: die Geschichte mit den Terroristen, der Januar 1990 mit den Kundgebungen der demokratischen Parteien und deren gewaltsame Unterdrückung, der Februar 1990, der März und die Auseinandersetzungen in Târgu Mureș, die Kundgebungen auf dem Universitätsplatz in Bukarest und schließlich der Bergarbeiter-Aufmarsch im Juni 1990.“
Die rumänische Revolution von 1989 war die blutigste Rückkehr zur Demokratie von allen Ostblock-Staaten: Insgesamt 1200 Menschen kamen dabei ums Leben. Mit der Zeit gewöhnen sich die Menschen an gewisse Standards und die Freiheiten werden zu Grundvoraussetzungen der Existenz und zu unverzichtbaren Werten. Das historische Gedächtnis zeigt den Menschen aber, dass es nicht immer so gewesen ist. Und das Jahr 1989 ist das uns am nächsten liegende Beispiel.