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Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

Die Rumäniendeutschen, darunter am bekanntesten die Volksgruppen der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, haben eine leidvolle Geschichte nach dem Krieg durchgemacht.

Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft
Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

, 15.10.2018, 17:30

Der Zweite Weltkrieg hinterlie‎ß eine neue ethnische Zusammensetzung, eine Folge des Völkermords, der Kriegsverbrechen und Vertreibungen, wie sie zuvor in der Weltgeschichte undenkbar gewesen waren. Alle Länder, Sieger und Besiegte, versuchten nach den sechs Jahren die Folgen des Krieges zu überwinden, vor allem im Hinblick auf die demographische und wirtschaftliche Katastrophe. Am schlimmsten litten zweifelsohne die Juden, von denen Millionen auf deutschen Befehl ermordet wurden.



Das darf wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Deutsche unter dem Krieg gelitten haben, den sie selbst entfesselt hatten. Wenn das Leid auch nicht aufgerechnet werden kann, so sollten sie doch haftbar gemacht werden für das verwüstete Europa, für die Millionen von Toten und den Holocaust.



Die meisten Deutschen in Rumänien sind bereitwillig Hitlers Ruf nach Deutschland gefolgt und viele starben in dem Krieg, den Nazi-Deutschland über Europa gebracht hatte. Stalin lie‎ß diejenigen deportieren, die man als unzuverlässige Nationalitäten“ ausgemacht hatte, und auf dieser Liste standen die Deutschen ganz oben. Nach der Rückkehr aus der Deportation und aus den Kriegsgefangenenlagern wählten die meisten Westdeutschland als ihre neue Heimat und die Abwanderung aus Rumänien setzte sich fort: Bis 1989 führte der systematische Exodus der Deutschen fast zu ihrem Verschwinden aus Rumänien. Die beiden Gründe für diese massenhafte Abwanderung sind in der Politik der BRD gegenüber den Deutschen in Mittel- und Osteuropa zu sehen, aber auch in dem Wunsch des rumänischen Staates, aus dieser Politik Geld zu machen.



Der Soziologe Remus Anghel untersucht das Phänomen der Migration am Institut für nationale Fragen in Cluj (Klausenburg) und ist Co-Autor eines Buchs über die Geschichte der Deutschen in Rumänien nach 1930:



Die Verbände der Deutschen in Rumänien versuchten, die Bundesregierung zu überzeugen, den ethnischen Deutschen zu helfen, indem sie Hilfsprogramme auflegen und dem rumänische Staat Kompensationen zahlen sollte. In der Tat gab es auch eine Vorgeschichte in der jüdischen Migration, es hatten auch hier Gespräche zwischen der rumänischen und der israelischen Regierung stattgefunden, um die Auswanderung der rumänischen Juden zu erleichtern. In Rumänien neigt man dazu, die Dinge, die mit dem rumänischen Kontext zusammenhängen, auch aus der Perspektive des rumänischen Kontextes zu verstehen. Dies ist ein Fehler — die Geschichte der Deutschen in Rumänien im 20. Jahrhundert ist hauptsächlich mit den historischen Ereignissen und den beiden wesentlichen Machtpersonen verbunden: Hitler und Stalin. Wie alle Deutschen in Ost- und Mitteleuropa gerieten sie in die Expansion Nazi-Deutschlands, in den Krieg, und mussten dessen Folgen hinnehmen.“




Nach dem Zweiten Krieg flohen etwa 12 Millionen Deutsche aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland, fast eine Million von ihnen überlebte nicht. Dies war ein kollektives Drama in Westdeutschland, das eine Politik der Verantwortung anstrebte. Remus Anghel sagt, dass die Umsiedlung der Deutschen in Rumänien nach dem Krieg vorhersehbar gewesen sei.



Während des Krieges und danach gab es eine Bewegung zur Unterstützung der Ausreise der Rumäniendeutschen. Wir lebten im Kommunismus und waren uns dieser Absichten nicht bewusst — wir wussten nur, dass es deutsche Gemeinschaften gab. Aber fast 40% der Banater schwäbischen Bevölkerung sind im Krieg oder danach gestorben. Praktisch alle jungen Leute schlossen sich der deutschen Wehrmacht oder der SS an und starben oder gingen später nach Deutschland. Die deutsche Bevölkerung der Dobrudscha, der Bukowina, von Bessarabien und der Walachei wurde in den 1940er Jahren zunächst nach Polen und dann nach Deutschland umgesiedelt. Es gab vor dem Krieg eine Bevölkerung von 750.000 Deutschen in Rumänien — nach 1945 waren es nur noch 300.000–310.000.“




Nach 1989 sprachen rumänische Historiker von der Auswanderung der Deutschen als von ihrem Verkauf“. Nach Angaben der Abreisenden betrug der deutsche Beitrag zu ihrer Ausreise zwischen 1.500 und 15.000 Mark. Dramatisch waren die versuche jener, die kein Geld hatten und die Grenze illegal überqueren wollten, viele von ihnen starben. Remus Anghel sprach über die Ausreise der Deutschen in Rumänien als Raub, dem die Menschen unterworfen waren.



Das Verkaufsphänomen muss aus zwei Perspektiven gesehen werden. Erstens wurden die Deutschen in der Verantwortung gesehen. Es ging nicht darum, die Deutschen aus dem Osten als Arbeitskräfte zu bekommen, weil überall billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Deutsche in Rumänien litten mehr als Rumänen, Ungarn und andere Nationalitäten während des Kommunismus, denn in fast allen Familien war gleich nach dem Krieg mindestens ein Familienmitglied in die Sowjetunion verschleppt worden, vor allem Männer und Frauen im Alter von 18–45 Jahren. Dieses soziale Drama hat die gro‎ße Mehrheit nicht wahrgenommen. Das hat die Menschen getroffen und entwurzelt, und auch deswegen ging das Vertrauen und ihr Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Land verloren. Für Deutschland war der Freikauf von Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ein Reparationsprozess — für Rumänien gab es da ein falsches Verständnis. Nach 1977 gab es viele Ausreiseanträge, die Quote lag bei 10-15.000 und man hatte kaum Quoten festgelegt. Wenn sich jemand zur Ausreise entschied, begann der Weggang für einen mit einem schmerzhaften Verwaltungsprozess: Man verlor seine Arbeit und die Häuser mussten zu einem sehr niedrigen Preis verkauft werden. In der Tat war es eine Art Erpressung der Deutschen und des deutschen Staates für die Auswanderung. Aus meiner Sicht war nicht Geld das Problem, sondern die Art, wie die Menschen behandelt wurden.“




Mit dem Abzug der Deutschen verlor Rumänien auch einen Teil seiner ethnischen Vielfalt. Aber diejenigen, die gingen, wohin sie wollten, waren besser dran und das war vielleicht auch das Beste für sie.

Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

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