RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

Rumänien und der Prager Frühling von 1968

Hat Ceauşescu vom bevorstehenden Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 1968 in Prag gewusst? Historiker halten es heute für wahrscheinlich.

Rumänien und der Prager Frühling von 1968
Rumänien und der Prager Frühling von 1968

, 30.12.2013, 17:56

Es gibt Fotos, die zu universellen Symbolbildern eines bedeutenden Ereignisses werden und dadurch eine unveränderte Botschaft durch die Zeit transportieten. Die Fotos des tschechischen Fotografen Josef Koudelka bleiben die ausdrucksstärksten dieser Art und verflechten sich mit dem Prager Frühling, dem Versuch der Tschechoslowakei im Jahr 1968, die sowjetische Vorherrschaft abzuschütteln. Josef Koudelka hatte das gro‎ße Glück, sich im August 1968 auf den Stra‎ßen von Prag zu befinden und eine Fotokamera dabei zu haben. So ist es ihm gelungen, der Menschheit die Barbarei zu zeigen, mit der der Wunsch seiner Mitbürger nach Freiheit von der Sowjetunion unterdrückt wurde. Koudelka war gerade zwei Tage vor dem Eingriff der Truppen des Warschauer Pakts aus Rumänien zurückgekommen. Er schoss die Bilder, schmuggelte sie aus dem Land und publizierte diese in Frankreich im Jahr 1969.



Rumänien hat am Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 nicht teilgenommen. Es verurteile diese Handlung als Angriff gegen ein sozialistisches Freundesland. Oberst Alexandru Oşca, Militärhistoriker, hat einige Bücher über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei und die Nichtbeteiligung Rumäniens geschrieben.



Es war der grö‎ßte Einsatz zum Einmarsch in ein Land nach dem Zweiten Weltkrieg. Ceauşescu wurde weder eingeladen, sich daran zu beteiligen, noch darüber informiert. Die Führer der Länder kamen sechsmal auf höchster Ebene zusammen. Man kann nicht wissen, wie Ceauşescu reagiert hätte, hätte man ihn über eine Teilnahme Rumäniens gefragt. Was ist wohl in seinem Kopf vorgegangen, als er erfuhr, dass all seine Kameraden zusammenkommen und er nicht eingeladen wurde, besonders zu einem kommunistischen Konklave, von dem man genau wusste, wenn man nicht mit am Tisch sitzt, dann müsse man irgendwie gehen? Wenn einer nicht von alleine geht, dann wird einem geholfen, zu gehen.“



Der Historiker Petre Otu, Leiter des Instituts für Politikstudien, Verteidigung und Militärgeschichte, hat die freigegebenen Unterlagen untersucht, aus denen sich ergibt, dass Nicolae Ceauşescu von der Kampagne des Warschauer Pakts gegen die Tschechoslowakei gewusst hat.



Aus den Unterlagen, zu denen wir Zugang hatten, geht hervor: Er wusste scheinbar von dem Einmarsch. Eine der sehr verlässlichen Quellen war ein polnischer Offizier, dessen Familie sich 1939 in Rumänien zurückgezogen hatte, wo sie bis 1944 blieb. Der polnische Offizier ging auch auf das Militärgymnasium in Rumänien. Er gehörte zum Kommando des Warschauer Pakts. Der Berater der rumänischen Botschaft in Warschau war ein ehemaliger Gymnasiumskollege des polnischen Offiziers. Durch diese Verbindung hat man sehr genaue Informationen über die Vorbereitungen der Sowjets erhalten. Ceauşescu wurde von Ion Stănescu informiert, und als er nach Prag ging, ordnete er die Übersetzung der Nachricht von dem polnischen Offizier auch ins Tschechische an. In Prag übermittelte er die Nachricht an Dubček. Auf seinem Rückweg fragte Stănescu Ceauşescu, ob er Dubček etwas mitgeteilt hätte. Ceauşescu antwortete: ‚Ja, aber entweder der wei‎ß nichts oder er möchte nichts wissen.‘ Ceauşescu war mit der Reaktion Dubčeks unzufrieden.“



Dennoch war die Beziehung zwischen Rumänien und der Tschechoslowakei bis 1968 nicht besonders eng. Im Jahr 1964, als der Walew-Plan erarbeitet wurde, wodurch man Rumänien die Rolle einer Agrarwirtschaft im sozialistischen Block zuweisen wollte, nutzte die Tschechoslowakei ihren Einfluss aus, um diesen durchzusetzen. Petre Otu schildert, wie sich die rumänisch-tschechoslowakische Beziehung im Zuge dieser Ereignisse entwickelt hat:



Die Führer der Tschechoslowakei waren bis Juli zurückhaltend vor einer Zusammenarbeit mit Ceauşescu. Sie haben versucht, ihn zu umgehen, denn eine Verbindung zu Ceauşescu hätte für die Sowjets den Grund für einen Einmarsch liefern können. Nachdem sie erfahren haben, dass die Ereignisse sich überstürzen und dass die Sowjets ohnehin einen Einmarsch vorbereiten, wurden die Beziehungen wärmer. Ceauşescu reiste nach Prag und unterzeichnete das Abkommen zur gegenseitigen Unterstützung. Das führte zur Theorie, dass die Kleine Entente aus der Zwischenkriegszeit wiederhergestellt werde. Die Informationen aus den Geschichtsquellen bestätigen, dass die Sowjets jene Donaufreundschaft aufmerksam verfolgten. Laut diesen Informationen haben sich die Jugendkampfmannschaften und die Heimatgarden insgeheim vorbereitet, um am damaligen Nationalfeiertag Rumäniens am 23. August zu defilieren. Es war eine au‎ßerordentliche Anstrengung. Ceauşescu wusste von dem Einmarsch und bereitete sich insgeheim vor.“



1968 hielten sich in Rumänien 8.000 tschechoslowakische Touristen auf. Weitere 400 hielten sich in Bulgarien auf, aber sie kamen nach Rumänien. Da sie nicht zurück in die Tschechoslowakei konnten, wurden sie in den Hotels des Nationalen Tourismusamtes (ONT) untergebracht. Sie bekamen auch Geld, bis sich die Lage etwas beruhigt hatte und sie wieder heimreisen konnten. Tomaš Vostry, Stellvertreter des tschechischen Botschafters in Bukarest, verbrachte seine Sommerferien 1968 als Kind an der rumänischen Riviera. Er erinnert sich heute noch daran:



Leider haben wir diese sieben Tage nicht erlebt, als Koudelka diese Fotos geschossen hatte. Ich war einer jener Tschechen, die ihre Sommerferien in Mamaia, Rumänien, verbracht haben. Wir konnten das Flugzeug nach Prag am 22. August nicht mehr erreichen. Ich und meine Eltern haben den Zug zurück nach Hause erst am 22. September besteigen können. Wir haben diesen Abschnitt der Geschichte versäumt. Ich kann aber bestätigen, dass die tschechischen Touristen gut versorgt wurden. Ich war 1968 zehn Jahre alt und ich konnte Anfang September so manches beobachten und einiges verstehen. Man konnte noch viele Sowjettruppen in Prag sehen, als man zur Schule ging. Sie waren in den Parks von Prag, in den Wäldern rundherum, und die Menschen waren sehr aufgeregt. Am Herbstanfang begannen die Sowjettruppen sich langsam aus Prag zurückzuziehen.“



Audiobeitrag hören:



Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

Die Wende in Rumänien: ein Dauerthema

Die rumänische Revolution im Dezember 1989 ist der Wendepunkt der jüngeren Geschichte Rumäniens, der Nullpunkt, von dem aus die Ereignisse der...

Die Wende in Rumänien: ein Dauerthema
Foto: pixabay.com

„Gazeta Matematică“ – die Fachzeitschrift für Mathematikliebhaber

In ihrer fast 250-jährigen Geschichte verzeichnet die rumänische Presse auch das längste ununterbrochene Erscheinen einer Publikation. Es handelt...

„Gazeta Matematică“ – die Fachzeitschrift für Mathematikliebhaber
Il PCR illegale

Die Kommunistische Partei Rumäniens in der Illegalität

Das Ende des Ersten Weltkriegs war weit davon entfernt, die erhitzten Gemüter, die ihn ausgelöst hatten, zu beruhigen, sondern schürte neue Wut...

Die Kommunistische Partei Rumäniens in der Illegalität
Centenario Lovinescu (fonte: Muzeul Național al Literaturii Române)

Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

Eugen Lovinescu ist 1881 in Fălticeni, im Norden Rumäniens, geboren und 1943 in Bukarest gestorben. Er ist unter anderem für sein umfangreiches...

Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

Eine der stärksten Waffen der Propaganda der kommunistischen Regime war die Presse. Die Rede- und Pressefreiheit ist ein Recht, das im 18....

Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

  RadioRomaniaInternational · Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte   Es war der bis dahin kremltreue...

Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

Selbst in ländlichen Gebieten, in denen der Boden das wichtigste Produktionsmittel war, musste das Privateigentum abgeschafft werden. Dies war in...

Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

Die rumänische Militärflotte im Zweiten Weltkrieg

Bis dahin besaßen die rumänischen Fürstentümer keine Fluss- und Seemilitärflotten, da sie einerseits das Recht dazu nicht hatten, weil sie unter...

Die rumänische Militärflotte im Zweiten Weltkrieg

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company