Rumänien und der Bürgerkrieg in Griechenland (1946-1949)
Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die Interessen der Sowjetunion und Großbritanniens zu komplizierten Beziehungen zwischen Rumänien und Griechenland.
Steliu Lambru, 21.07.2014, 18:30
Am 5. Mai 1944 hatten sich Großbritannien und die Sowjetunion geeinigt, daß Rumänien zur sowjetischen und Griechenland zur englischen Interessenssphäre gehören sollte. Durch das Abkommen, das Stalin und Churchill in Moskau Anfang Oktober 1944 schließen, werden die normalerweise befreundeten Rumänien und Griechenland Ende des Zweiten Weltkrieges auf entgegengesetzte Seiten geschoben. Rumänien befindet sich in der Einflußsphäre der Sowjetunion und wird die Sowjetisierung erleben, während Griechenland unter britisch-amerikanischem Einfluß den demokratischen Weg gehen wird. Mit Ausnahme des letzten Viertels des 19. Jh. und der ersten 10 Jahre des 20. Jh. hatten Rumänien und Griechenland bis 1941 gute Beziehungen geführt. Als aber im Herbst 1941 die deutschen Truppen Rumänien in Richtung Balkan transitieren, verurteilt Griechenland die Verletzung des Protokolls der Balkan-Entente von 1934 zwischen Griechenland, Rumänien und Jugoslawien.
Nach 1945 werden die Beziehungen zwischen Rumänien und Griechenland noch komplizierter. Das unter sowjetische Besatzung befindende Rumänien kann seine normalen Beziehungen mit der Regierung Griechenlands nicht wiederaufnehmen. Einerseits übt die kommunistische Regierung Rumäniens ihren Druck aus; andererseits agieren in Griechenland die lokalen kommunistischen Guerilla-Einheiten, die das Land in den Bürgerkrieg 1946-1949 stoßen. Wie auch die anderen kommunistischen Regierungen der von den Sowjets besetzten Länder schloßen sich auch die rumänischen Regierenden der Position der Sowjetunion an, die besagte, daß die griechischen Partisanen unterstützt werden müssen. Welche Länder in dieser Hinsicht besonders aktiv waren, sagt uns Apostolos Patelakis, Professor an der Universität in Thessaloniki:
In der ersten Phase des Bürgerkrieges, zwischen 1946-1947, wurden die griechischen Kommunisten insbesondere von Tito und Stalin unterstützt; allmählich schloßen sich ihnen auch die Dimitrov-Regierung Bulgariens und die Hodscha-Regierung Albaniens an. Die griechischen Kommunisten wollten Nordgriechenland befreien und ein freies Griechenland schaffen und deshalb forderten sie alle sozialistischen Staaten auf, ihnen zum Erreichen dieses großen Ziels zu helfen. August 1947 trafen sich die Vertreter Jugoslawiens, Bulgariens und Albaniens im slowenischen Ferienort Bled und vereinbarten die moralische und materielle Unterstützung für die griechische demokratische Armee. Gleichzeitig forderten sie die Regierungen Rumäniens und Ungarns auf, sich in dieser Richtung intensiver zu engagieren. Bei dem Treffen zur Gründung des Kominforms, 1947 in Polen, diskutierte man auch über den Bürgerkrieg in Griechenland. Dabei kam der Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei, Gheorghe Gheorghiu-Dej, mit dem Vorschlag, daß alle Parteien sich zur Pflicht machen sollen, die Griechische Kommunistische Partei zu unterstützen. Der Vertreter Polens, Wladyslaw Gomulka, schlug seinerseits vor, die griechische Frage sollte zur Standarte aller kommunistischen Parteien und demokratischen Kräfte werden.“
Die Auseinandersetzungen zwischen Tito und Stalin werden die Hilfeleistungen der sozialistischen Staaten an die griechischen Kommunisten beeinflussen. Das Koordinierungszentrum der Aktivitäten der griechischen Kommunisten wird von Belgrad nach Bukarest verlegt; dort wird eine Botschaft der kommunistischen Regierung von General Markos eröffnet; Lefteris Apostolou wird zum Botschafter ernannt. Es werden auch ein Rundfunksender und eine Nachrichtenagentur gegründet. Dazu Professor Apostolos Patelakis:
Am 14. Januar 1948 schickt Lefteris Apostolou dem Sekretariat der Kommunistischen Partei Rumäniens einen 30 Seiten langen Bericht, in dem er die Lage in Griechenland und die Ursachen des Bürgerkriegs darstellt; daraufhin fordert er auf diplomatischem Wege Rumänien auf, die erste Freundschaftsbeziehung mit der Übergangsregierung aufzunehmen. Ich zitiere: ‚Ich muß hinzufügen, daß die Hilfe, die das rumänische Volk bis jetzt geleistet hat, alle Hilfesendungen aus den anderen demokratischen Ländern übersteigt, und das ist eine Tatsache, die weder meine Partei noch das griechische Volk jemals vergessen werden.‘ Selbstverständlich entsprach dies nicht der Wahrheit, denn die größte Hilfe hatten die Griechen aus Jugoslawien erhalten, aber das war eine Erklärung, die den Rumänen schmeicheln sollte. Zwischen 1947-1948 hatten die rumänischen Kommunisten Lebensmittel (Konserven, Weizenmehl, Maismehl, Zucker, Reis, Bohnen), Kleidung, Medikamente, Waffen (halbautomatische und automatische Maschinengewehre, Granaten, Sprengstoff), Pferde und Kraftsoff nach Griechenland geschickt. Beginnend mit April 1948, mitten im Bürgerkrieg, kamen Tausende griechische Kinder und Hunderte kranke oder verletzte Partisanen nach Rumänien.“
Die Vereinbarungen zwischen den Sowjets und den Briten werden auch das Schicksal der griechischen Kommunisten bzw. der antikommunistischen Partisanen in Rumänien entscheiden. Das war ein ganz einfaches Geschäft: Stalin sollte auf die Finanzierung der kommunistischen Guerillas verzichten, und Churchill sollte die antikommunistische Politik des rumänischen Königs und der demokratischen Parteien in Rumänien nicht mehr ermuntern. Apostolos Patelakis:
Als die politischen Flüchtlinge hierher kamen, fühlten sie sich in Rumänien viel wohler als in anderen Ländern. Zuerst kamen die Kinder, in 1948; 1949 folgten dann die Erwachsenen. Die griechischen Flüchtlinge wurden in 7 Länder geschickt. In manchen Ländern, zum Beispiel in Polen, in der Tschechoslowakei, in Usbekistan, wußten die Leute so gut wie nichts über die Griechen, die Flüchtlinge fühlten sich vollkommen fremd. In Rumänien gab es bereits griechische Gemeinden, es gab Leute, die zweisprachig aufgewachsen waren, und so konnten sich die Flüchtlinge mit vielen Menschen in Rumänien verständigen, sie fühlten sich Griechenland näher. Manche der 28.000 Kinder, die im Bürgerkrieg evakuiert wurden, kamen in die Deutsche Demokratische Republik. Man kann sich den Schock vorstellen, den die etwas älteren Kinder erlebten; in der Heimat hatten sie in der Schule über Nazideutschland, über die faschistischen Feinde gelernt, und nun befanden sie sich in Deutschland und mußten ununterbrochen die deutsche Sprache hören. Diejenigen, die nach Rumänien kamen, hatten es leichter, mindestens in der ersten Phase. Der Bürgerkrieg war in Nordgriechenland, einer Gebirgsregion, wo auch viele Aromunen lebten. Unter den Flüchtlingen waren die aromunischen Kinder die ersten Dolmetscher — sie konnten etwas verstehen und sie lernten die rumänische Sprache viel schneller als die anderen.“
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