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Romantik und Nationalbewusstsein im 19. Jh.: Rumänischer Raum schöpfte aus unterschiedlichen Quellen

Die Romantik war die kulturgeschichtliche Epoche, die die Ethnizität und die Volkssprache in die Mitte der Menschenexistenz gestellt hat.

Romantik und Nationalbewusstsein im 19. Jh.: Rumänischer Raum schöpfte aus unterschiedlichen Quellen
Romantik und Nationalbewusstsein im 19. Jh.: Rumänischer Raum schöpfte aus unterschiedlichen Quellen

, 07.08.2017, 17:30

Ein Erzeugnis des westlichen Denkens, wurde die Romantik oft als Reaktion auf den Universalismus der Klassik und der weltbürgerlichen Gesellschaft betrachtet. Die Traditionen, die Vergangenheit und die Sprache einer Gemeinde, die von all ihren Mitgliedern geteilt werden, galten als Fundamente der Weltanschauung der Romantik. Der Nationalstaat war somit die politische Ausdrucksweise der Ideen der Romantik. Die rumänische Romantik machte dabei keine Ausnahme. Es war die erste Synchronisierung des rumänischen Raumes mit dem Gedankengut des Westens. In den drei rumänischen Fürstentümern kamen die Einflüsse der Romantik aus zwei Richtungen: in der Moldau und der Walachei aus der französischen Welt und im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Siebenbürgen aus dem deutschsprachigen Raum. Dazu hören Sie mehr aus dem folgenden Beitrag von Steliu Lambru in unserer Geschichtsreihe Pro Memoria.



Wir haben den Literaturhistoriker und Politikwissenschaftler Ioan Stanomir gefragt, woraus das Gedankengut der Romantik bestand und wie dieses im rumänischen Raum aufgenommen wurde.



Die Romantik im europäischen und im rumänischen Raum projiziert ein neues Bild auf die ethnischen Gemeinschaften. In diesem Bild findet eine Neuerfindung ihrer Identität statt. Man fängt mit der Erforschung eines archäologischen und kulturellen Erbguts an und schlie‎ßt mit der Schaffung eines Pantheons, in dem die Väter des Volkes und dessen Vorbilder stehen. Es ist eine Art Rezept, das im Westen Europas Verbreitung findet und mit einer beträchtlichen Verspätung im rumänischen Raum ankommt. Wenn wir aus der Perspektive der ästhetischen Reinheit sprechen, handelt es sich um eine zusammengesetzte und eklektische Romantik. Zahlreiche rumänische Romantiker haben klassische Schriftstücke verfasst. Denken wir nur an Grigore Alexandrescu. Andere sind ursprünglich Romantiker, werden aber letztendlich zu Klassikern, wie im Fall von Vasile Alecsandri. Es gibt nicht sehr viele reine Romantiker. Deren Romantik ist oft grell und auch heute unlesbar, wie im Fall von C.A. Rosetti. Die rumänische Romantik übernimmt das europäische Rezept im Sinne der Neuerfindung des Ichs. Wir haben eine ganze Reihe von Bildern, von Ruinen bis zu den Urahnen, und es werden schlie‎ßlich die Kriegstaten der Vergangenheit evoziert.“




Die Eliten in der Walachei und in der Moldau beriefen sich in ihren Bemühungen um Modernisierung und Staatlichkeit auf die französische Romantik, während für die Rumänen, die im Habsburger Reich lebten, die deutsche Romantik dominierend war.



Der Hauptunterschied zwischen den beiden hängt mit der Definition der Nation zusammen. Die deutsche Romantik war in einer gewissen Hinsicht organisch, konservativ und xenophob. Deren Einfluss sieht man nicht so sehr bei den Vertretern der 1848er Revolution wie bei dem Nationaldichter Eminescu. Er wurde stark durch die deutsche Romantik beeinflusst. In Siebenbürgen spürt man den Einfluss der Aufklärung nach Art des Josephinismus und die Kontaminierung mit revolutionärer Ideologie. Aber die Revolution in Siebenbürgen ist paradoxal, weil sie aus europäischem Gesichtspunkt als Konterrevolution gedacht war, als Reaktion auf die xenophoben Exzesse einer ausdrücklich europäischen Revolution, so wie die ungarische gewesen ist.“




Die Revolution von 1848 war der Höhepunkt des Ausdrucks der rumänischen Romantik. Es war der Anfang der Reformen und der Modernisierung im rumänischen Raum. Ioan Stanomir:



Die rumänische Romantik ist deckungsgleich mit der 1848er Revolution. Alle in diesem Familienbild waren mehr oder weniger erfolgreich in der Politik involviert, was zu der Bildung von kulturell-literarischen Gesellschaften beigetragen hat. Es handelte sich zunächst um geheime, im Exil gegründete Gesellschaften, die bei der Rückkehr aus dem Exil in den Jahren 1860-1870 dann öffentlich auftraten und wirkten, womit diese Generation praktisch erschöpft war. Es hängt sehr stark von der Langlebigkeit der Romantiker ab. Wir haben Romantiker, die in ein Schattendasein treten, wie etwa Grigore Alexandrescu, alte Romantiker, die Perioden von Mutationen und Wandlungen durchqueren, wie Heliade-Rădulescu, exponentielle und danach im Kommunismus manipulativ dargestellte Romantiker wie Nicolae Bălcescu, der schlie‎ßlich durch seinen heldenhaften Tod in den Kanon aufgenommen wurde. Es gibt Romantiker, die ihre literarische Karriere aufgeben und sich vollständig der Politik widmen, wie C. A. Rosetti. Es gibt andere Romantiker wie Cezar Bolliac, der mehr ein Journalist ist als ein Dichter. Es ist ein Familienbild, dessen Protagonisten der Literaturwissenschaftler Paul Cornea sehr treffend als ‚Wegeröffner‘ bezeichnete“.




Die Romantik wurde mit der Zeit zum kulturellen Referenzmodell. So entstand die standardisierte Kultur oder der Kanon.



Wenn wir uns auf eine bestimmte mechanische und verzerrte Rezeption beziehen, würde ich Dimitrie Bolintineanu nennen. Er wird besonders für seine historischen Legenden erwähnt, die eine Art kleiner Leitfaden des 1848er Patriotismus ist. Die historischen Legenden waren ein Verhaltenskodex und zugleich ein Instrument zur Mythologisierung einiger historischer Figuren. Was diese kanonische Projektion jedoch ausgelassen hat, war gerade das tiefste und meist vibrierende Werk Bolintineanus, das Gedicht »Conrad«, das ein rumänisches Pendant zu Byrons Versepos »Childe Harolds Pilgerfahrt« ist. Der Byronismus war eine Mode, der die rumänischen Romantiker nicht entgehen konnten.“




Die nationale Einheit ist in der romantischen Auffassung der Schlüssel zur nationalen Modernisierung und Emanzipierung, sagt Professor Ioan Stanomir.



Die nationale Einheit ist ein Ausdruck, der seine Existenz dem Diskurs der 1848er Revolution zu verdanken hat. Was wir heute als kanonisch betrachten, etwa den Fürsten Michael der Tapfere, war die Erfindung von Florian Aaron und Nicolae Bălcescu und speziell des Herrschers Gheorghe Bibescu, der anlässlich offizieller Zeremonien den Mantel des mittelalterlichen Fürsten anzieht. Das nationale Bewusstsein ist eine anachronische Formel, die dann zum Zuge kommt, wenn Verhaltensweisen zu rechtfertigen sind, die keinen Zusammenhang mit ihrer ursprünglichen Bedeutung in der Epoche haben. Die Romantiker der 1848er Revolution strebten mit Sicherheit die Vereinigung der Fürstentümer an. Was Siebenbürgen und das Banat anbelangt, waren die Dinge kompliziert, denn dort gab es eine föderalistische Strömung, der eher in Richtung Mitteleuropa blickte und weniger über die Karpaten. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das Verhältnis der siebenbürgischen und Banater Romantiker zum Österreichischen Reich kompliziert war. Viele von ihnen stellten sich unter das Banner des Imperiums, um dem ungarischen Republikanismus standzuhalten.“




Die Romantik war eine Strömung der Kunst, ein politisches Modell und eine gesellschaftliche Tendenz, die auf Emotionen basierte. Gerade diese Emotionen sicherten ihr über die Zeit ein positives Bild und lie‎ßen ihr den Eindruck fortschrittlicher Entwicklungen anheften.

Foto: ExplorerBob / pixabay.com

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