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Rockmusik im Kommunismus: subtile Form des Protestes

Kunst, Literatur und Musik stellen in totalitären Regimes immer wieder Formen des Widerstands dar. Rumänien machte da während des kommunistischen Regimes keine Ausnahme.

Rockmusik im Kommunismus: subtile Form des Protestes
Rockmusik im Kommunismus: subtile Form des Protestes

, 29.07.2019, 17:30

In Rumänien war Rockmusik in den Jahren 1970–1980 ein Weg, sich vom offiziellen Mainstream abzugrenzen. Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts aus dem Westen übernommen, entwickelte sich der rumänische Beat zunächst schüchtern und mündete später im Rock der 1970er Jahre. Der offizielle musikalische Kanon der damaligen Kulturpolitik war die Pop- und Schlagermusik, der gro‎ße Festivals wie Der Goldene Hirsch“ und das Mamaia-Festival gewidmet wurden. Rockbands wie Phoenix, Sfinx und Timpuri Noi sowie Solisten wie Dorin Liviu Zaharia, Alexandru Andrieş oder Mircea Florian versuchten, die offizielle Musik, die die Freiheit der Schöpfung und die Verbindung zur Musik des Westens zerstörten wollte, zu verhöhnen.



Professor Emil Ionescu von der Fakultät für Literatur der Universität Bukarest erläutert das Phänomen und den Nichtkonformismus der 1970er und 80er Jahre:



Mich haben diejenigen Gruppen begeistert, die sich durch Rockmusik differenzieren wollten, indem sie eine andere Identität bejahten als andere, die dem damaligen Musikkanon gehorchten. Der rumänische Rock war für mich ein sehr starkes Zeichen des Liberalismus, auch des politischen Liberalismus, ein Symbol des Wunsches, dem Regime zu trotzen.“




Diese Dinge waren wichtig, weil im Gegensatz zur Poesie, Musik und vor allem Rock die jüngere Generation ideologisch beeinflussen konnte, findet der Professor und erwähnt Kompositionen mit herausfordernden Titeln wie Wir haben keine Angst“ oder ist Der Zug ohne Schaffner“ — für ihn das gro‎ße Symbol des nonkonformistischen Rocks.



Den Künstlern war jedoch bewusst, dass sie in einem kommunistischen, repressiven und kriminellen Regime lebten. Sie wussten, dass sie eine bestimmte Grenze nicht überschreiten konnten. Emil Ionescu versucht, diese Grenzen zu definieren:



Es ist schwer zu sagen, wo die Grenzen genau verliefen oder wie sie vom Regime festgesetzt wurden. Es ist offensichtlich, dass das Regime Bescheid wusste, was komponiert und gesungen wurde. Bands wie Sfinx und Iris, früher auch Phoenix, äu‎ßerten sich kritisch. Manchmal live, andere Male auf eher subversive Weise. Die Phoenix-Epoche war eine Epoche des Live-Protestes, das Stück »Mutter, Mutter« zum Beispiel. Im Falle des Liedes »Der Zug ohne Schaffner« von Iris hat jeder sehr gut verstanden, wer der Schaffner war, oder dass der »Rundtanz der Burschen« einen verschleierten Protest auf den Versen des Dichters Tudor Arghezi darstellte. Sfinx vollbrachte einen sehr raffinierten musikalischen Protest mit dem Lied »Wir haben keine Angst«“.




Professor Ionescu zufolge müssen sowohl die Musik als auch der Text eines Liedes attraktiv sein, um einen erfolgreichen Protest zu erzeugen. Und um damals gegen die kommunistische Realität zu protestieren, musste der Text äu‎ßerst subtil sein, glaubt er:



Es war noch wichtiger, dass die Texte mitgesungen wurden. Wenn du in einem Klub, vor 200–300 Leuten, Texte wie »Mutter, Mutter«, »Ich bin doch wie ihr« oder »Rundtanz der Burschen« singst, entsteht da eine Kohäsion, die sowohl auf Text als auch auf Musik beruht. Es ist eine Kohäsion, die die Seele durchdringt.“




Die Rockgruppe mit dem stärksten Rebellenflair war Phoenix. Ihre Mitglieder verlie‎ßen allerdings das Land schon 1977 und setzen sich in den Westen ab. Die Band hinterlie‎ß eine Doppel-LP mit dem Titel Cantafabule“, das als bestes rumänisches Rock-Album aller Zeiten gilt. Ihr Protest jedoch nahm andere Formen an, auf dem das Regime keine Antwort fand, meint Professor Ionescu:



Nonkonformismus entsteht in dem Moment, in dem man sich den gestandenen Formen des ideologischen Musikkanons widersetzt. Tatsächlich hat die Phoenix-Gruppe damals aber nichts kritisiert, sondern eine neue Identität behauptet, aus der der rumänische Ethnorock geboren werden sollte. Darauf hatte die Kommunistische Partei einfach keine Antwort. Ihre Texte handelten von der historischen Vergangenheit, von Fabelwesen. Sie stellten einen interessanten und anspruchsvollen neuen Stil dar.“




Ohne die Phoenix wurde die rumänische Musikszene in den 1980ern eher langweilig, Gruppen wie Iris oder Timpuri Noi waren nur kleine Lichtblicke. Mitten in dieser grauen, perspektivlosen Welt war das, was diese Musiker taten, etwas ganz Besonderes — Rock, Protest und Nonkonformismus gingen im kommunistischen Rumänien Hand in Hand.

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