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Rennaissance im Kommunismus – die neue Kulturpolitik 1965-74

Die rumänische Kulturpolitik erlebte in den späten 1960er Jahren eine Zeit der Entspannung - doch sie sollte nur kurz dauern.

Rennaissance im Kommunismus – die neue Kulturpolitik 1965-74
Rennaissance im Kommunismus – die neue Kulturpolitik 1965-74

, 13.04.2015, 17:05

In der westlichen Gesellschaft zeichnete sich in den 1960er Jahren durch die Hippie-Bewegung eine wahre Gegenkultur zum Establishment ab. Die Kunst streifte den alten Kanon ab, Nonkonformismus griff überall um sich. Auch im kommunistischen Rumänien bewegte sich allerdings viel. Der Proletkultismus wurde an den Rand gedrängt; vor allem nach 1965, als sich Nicolae Ceauşescu an die Spitze der Kommunistischen Partei setzte, versuchten die Kulturbürokraten bestimmte Ausdrucksformen aus der rumänischen Zwischenkriegszeit neu zu beleben. Die Werke der proletarischen Ästhetik blieben im Schatten. Und auch in der Literatur galt grundsätzlich: der sozialistische Realismus war out, die Bahn war frei für den so genannten sozialistischen Humanismus. Der Historiker Cristian Vasile erläutert die Hintergründe dieser Entwicklung.



Der sozialistische Realismus — oder, wie er sonst noch hie‎ß die verbindliche künstlerische Methode“ — war das ästhetisch-politische Pendant zum Marxismus-Leninismus. Er war streng gebunden an die Sowjetunion und die Anfänge des Kommunismus in Rumänien, seine Vision war internationalistisch und stark pro-sowjetisch geprägt. Aber schon in den letzten Jahren der Herrschaft von Gheorghiu-Dej, besonders aber nach 1960-1962, wird der Begriff des sozialistischen Realismus immer seltener gebraucht. Die Parteiorgane, die Apparatschiks im Ministerium für Kultur und Kunst bestehen nicht mehr so stark darauf, dass Literaten und andere Künstler sich an diese Richtlinie halten. Das Konzept wird irgendwie obsolet. In den ersten Jahren unter Nicolae Ceauşescu nimmt dieser Trend sogar noch zu. Ein Ersatz wird zwar vorgeschlagen — der sozialistische Humanismus. Aber zwischen 1965 und 1968, sogar bis etwa 1971-1972, räumt das Regime den Schriftstellern und Künstlern mehr Spielräume. Die Rede war von einer begrenzten Liberalisierung, einer Entspannung.”, so Cristian Vasile.



Die Ideologen des Proletkultismus wollten eine Literatur, die jenseits jeder Ästhetik für alle zugänglich sein sollte — die Sprache der Dichtung war auf das Elementare begrenzt, der Aufbau rein schematisch. Die damalige Literaturkritik nahm eher die Rolle einer Zensur ein — sie wachte über die dogmatische Reinheit der Werke und bestrafte Abweichungen von der Parteilinie. Die Exzesse und die Propaganda bekam nicht nur die Literatur zu spüren, sondern die gesamte Kunst- und Kulturwelt. In den 60er Jahren beginnt allerdings ein neuer Wind zu wehen, führt Cristian Vasile weiter aus.



Die Themenvielfalt nimmt plötzlich stark zu. Das muss man so verstehen — bis 1953 waren die Romanthemen und Recherchemethoden fast alle vorgegeben. Der Schriftsteller musste sich in der Fabrik aufhalten oder auf dem Feld oder in der LPG. Nach 1965 sind die Schriftsteller viel freier. Anfang der 1950er Jahre konnte man zudem die Übersetzungen aus der amerikanischen Literatur an den Fingern einer Hand abzählen. Nach 1965 explodiert das Übersetzungsgeschäft. Die ganze Literaturlandschaft verändert sich. Westliche Literaturzeitschriften, ja auch politische Zeitschriften werden zugelassen und können nach 1965 frei am Zeitungskiosk gekauft werden — früher landeten Menschen, bei denen westliche Zeitungen gefunden wurden, direkt vor Gericht.”, erzählt der Historiker



Die so genannte Liberalisierung erfasste aber nicht alle Kulturbereiche gleichmä‎ßig. Die Philosophie zum Beispiel hatte dem Marxismus zu dienen. Auch die Soziologie wurde nur allmählich wieder entdeckt, nachdem sie als Fach nach 1948 verboten wurde. In den Geschichtswissenschaften macht sich Ceauşescus antisowjetische Einstellung tendenziell besonders in der Museographie bemerkbar.



Es gibt da eine nationalistische Dimension, die sich schon 1960-1962, also noch unter Gheorghiu-Dej, als leicht antisowjetische Linie abzeichnet. Marx wird beispielsweise stark antisowjetisch instrumentalisiert — seine ausgeprägt gegen das russische Zarenreich aus dem 19. Jahrhundert und dessen Expansionspolitik gerichteten Texte werden aufgelegt. Als Urheber der kommunistischen Utopie fielen seine Schriften besonders schwer ins Gewicht — das Regime konnte seine Einstellungen bis zum Urheber des Kommunismus zurück legitimieren und gleichzeitig eine antisowjetische Einfärbung vornehmen, während Rumänien au‎ßenpolitisch auf Distanz zum Kreml ging. Ceauşescu übernimmt diese Richtung, will sie aber nicht nur in verschiedenen Fachtexten nachlesen können, sondern auch in Museen zur Schau gestellt sehen. Aber das Nationale Geschichtsmuseum Rumäniens war eine schwere Geburt. Selbst der Name des Museums wurde ständig geändert, denn seit 1948 trug keine Institution, mit Ausnahme des Nationaltheaters, die Partikel National”. Die Fu‎ßballliga war nicht mehr national, sondern republikanisch. Die Nationalbank hie‎ß Staatsbank. Allein der Name nationale Museum deutete eine Distanzierung von Moskau an. Das Museum wurde nicht wie geplant unter Gheorghiu-Dej gegründet, sondern unter Ceauşescu.



Das Nationale Geschichtsmuseum wird ab 1970 zum Geschichtsmuseum der Sozialistischen Republik Rumänien. Das scheint eine Rückkehr zur sowjetischen Linie der 1950er Jahre einzuläuten und zeigt, wie schwankend die Kommunistische Partei Rumäniens mit den Beziehungen zur Sowjetunion umging.



Die Liberalisierung der Kultur in der Anfangszeit des Regimes von Nicolae Ceauşescu sollte nicht lange dauern. Am 6. Juli 1971 kündigte er in einer Rede seine 17 Vorschläge zur Verbesserung der politisch-ideologischen Tätigkeit, zur marxistisch-leninistischen Erziehung aller Parteimitglieder und aller Werktätigen” an. Die Thesen gaben das Signal zu einer Konterrevolution gegen die Kulturautonomie. Human- und Sozialwissenschaften hatten sich nun der Ideologie zu beugen, die Kultur wird wieder zum Hauptinstrument der Propaganda.

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