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Postkommunismus: Zur Geschichte der Nationalen Rettungsfront

Die Front zur Nationalen Rettung (FSN) war ein Gremium, das nach der Revolution vom Dezember 1989 die politische Macht in Rumänien ausübte.

Postkommunismus: Zur Geschichte der Nationalen Rettungsfront
Postkommunismus: Zur Geschichte der Nationalen Rettungsfront

, 28.12.2015, 17:52

Die Front zur Nationalen Rettung (FSN) war ein Gremium, das nach der Revolution vom Dezember 1989 die politische Macht in Rumänien ausübte. Kritiker sahen in der Front zur Nationalen Rettung eine Fortführung der Kommunistischen Partei, mit der Umbildung zu einer politischen Formation erlangte die Front ein riesiges Vertrauenskapital. Mit der Geschichte der Partei setzen wir uns in der heutigen Sendereihe Pro Memoria“ auseinander.



Am 22. Dezember 1989 löste sich mit dem Sturz des kommunistischen Regimes auch die Kommunistische Partei von Nicolae Ceauşescu auf und die politische Macht des Landes übernahm die sogenannte Front für Nationale Rettung (FSN). Die neu gegründete Partei erklärte sich als der neue Weg zum Wiederaufbau der rumänischen Gesellschaft.



Entstanden war die Front für Nationale Rettung im Sommer 1989 auf Initiative von Ion Iliescu, General Nicolae Militaru, Silviu Brucan, Virgil Măgureanu. Einige Monate vor dem letzten Kongress der Kommunistischen Partei (PCR), der im November 1989 stattfand, richteten Mitglieder der Front Protestbriefe gegen das Regime von Ceauşescu an den Rundfunksender Freies Europa. Der Politologe Ioan Stanomir beschreibt die Umstände, unter denen die Front für Nationale Rettung nach der Flucht Ceauşescus am 22. Dezember die politische Macht in Rumänien auszuüben begann:



Die Front für Nationale Rettung war eine Nachfolgepartei der Kommunistischen Partei, die ihre Herkunft leugnete. In mittel- und osteuropäischen Staaten lie‎ß sich ein politischer Trend erkennen, in dem die ehemaligen kommunistischen Parteien zu Sozialisten und sozial-demokratischen Parteien wurden. Dieses Phänomen wird mittlerweile als nützlich für die Gesellschaft erachtet, weil inmitten kommunistischer Parteien sogenannte reformatorische Kräfte entstanden sind, die sich offen zeigten, sich ein neues politisches Ziel zu setzen. In Rumänien wurde die Kommunistische Partei nach dem Sturz des Regimes und ihres langjährigen Generalsekretärs Nicolae Ceauşescu aufgelöst. Mit Ion Iliescu erlebte die Kommunistische Partei ihre Wiedergeburt, denn ihre Auflösung machte die Wiederherstellung der Machtposition der unteren Führungsstaffel möglich. Ermöglicht wurde auch die Bewahrung des Begriffs Staatspartei, der als Kennzeichen der totalitären Ceauşescu-Epoche galt. Die Kommunistische Partei unter Nicolae Ceauşescu wurde durch Etatismus und Fremdenhass ausgeprägt, dieselben Merkmale, die den ehemaligen Parteikadern die Möglichkeit gaben, sich in Mitglieder der Front für Nationale Rettung umzuwandeln.“




Selbst wenn die neu gegründete Partei als klarer Sieger aus den ersten demokratischen Wahlen nach der Wende hervorging, konnten ihre Mitglieder ein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber Oppositionspolitikern wie dem Christdemokraten Corneliu Coposu nicht überwinden. Nach dem Tod der wenigen Politiker, die als politische Häftlinge den Kommunismus überlebten, richten rumänische Politiker der 2000er Jahre ihre Karriere nach der Schablone der Front für Nationale Rettung ein. Ioan Stanomir erläutert:



Die ehemaligen Präsidenten Ion Iliescu und Traian Băsescu sind auch Mitglieder der Front für Nationale Rettung gewesen. Emil Constantinescu war der erste rumänische Staatschef, der nicht aus dieser politischen Familie stammte, leider hat er es als Staatspräsident nicht geschafft, den Block der Front für Nationale Rettung zu durchbrechen. Traian Băsescu stellt tatsächlich einen atypischen Fall dar, weil er durch seinen populistischen Stil zwar seinen Ursprung in der Front nicht leugnet, aber dennoch ungewöhnlich agierte, weil er die Fähigkeit hatte, die Front als Staatspartei im Justizbereich zu schwächen.“




Hätte Rumänien nach der Wende eine andere politische Leitfigur haben können? Dazu unser Gesprächspartner:



Meiner Meinung nach war es leider nicht zu vermeiden, dass Ion Iliescu zum Präsidenten wurde. Ion Iliescu verkörpert den ganzen Hass und die deformierten Hoffnungen der Rumänen: den Hass gegen die Menschen, die im Gegensatz zur Mehrheit politischen Widerstand leisteten oder die egalitären Ideale nicht teilten, und verzerrte Hoffnungen, die Ion Iliescu ermöglichten, als ein Verkäufer von Illusionen aufzutreten, der den rumänischen Bürgern nach der Wende ein Ersatzmittel für Demokratie anbot. Wir dürfen nicht vergessen, dass während seiner Amtszeit die Privatisierungen zum Gro‎ßteil gescheitert sind und dass das Scheitern der Privatisierung und der wirtschaftlichen Umstrukturierung Ion Iliescu und seinem Regime zur Last gelegt werden können.“




Die Front für Nationale Rettung kann man sich ohne Ion Iliescu nicht vorstellen und in den 1990ern waren sie voneinander nicht zu trennen. Das Vertrauenskapital, dessen sich Iliescu erfreute, war grö‎ßer und nachhaltiger als das Vertrauenskapital, das die Front für Nationale Rettung bei den rumänischen Bürgern genoss. Ioan Stanomir ist jedoch der Meinung, dass zwischen der Front für Nationale Rettung und Ion Iliescu kein politischer Unterschied zu erkennen war:



Ion Iliescu ist die Front für Nationale Rettung und die Front für Nationale Rettung ist Ion Iliescu. Ion Iliescu ist mehr als eine Persönlichkeit, er ist eher ein Syndrom der rumänischen Gesellschaft, genau wie Nicolae Ceauşescu Bestandteil der rumänischen Gesellschaft war. Es ist sehr wichtig, dass die Rumänen, genau wie andere europäische Völker, ihre Vergangenheit, mit allem was dazu gehört, nüchtern betrachten und bewältigen. Wenn man Frankreich sagt, denkt man nicht nur an General De Gaulle, sondern auch an Marschall Pétain und an Laval. Deutschland ist nicht nur durch Von Stauffenberg verkörpert, sondern auch durch Goebbels. Rumänien ist nicht nur Corneliu Coposu, Ana Blandiana und Doina Cornea, Rumänien ist auch die Heimat der Menschen, die im Juni 1990 die Ankunft der Bergarbeiter in Bukarest und deren Prügelorgien begrü‎ßten. Das ist die Wirklichkeit und jetzt, 30 Jahre später, müssen wir der Realität ins Auge blicken.“




Die Front für Nationale Rettung war trotz des blockartigen Auftretens keine einheitliche Partei — die Zeit und die politische Entwicklung des Landes überlebte sie nicht. Bereits 1992 kam es zu Auseinandersetzungen innerhalb der Partei. Infolgedessen spaltete sich eine Gruppe unter Iliescu ab und gründete die Demokratische Front für die Nationale Rettung, die Vorgängerpartei der aktuellen Sozialdemokratischen Partei, während aus dem anderen Flügel später die Demokratische Partei des späteren Präsidenten Traian Băsescu entstand.

Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

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