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Petru Groza und die Machtübernahme durch die Kommunisten

Der Rechtsanwalt und Politiker Petru Groza (1884–1958) hatte die wichtigste Machtstellung in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg. 1945 wurde er Präsident des Ministerrates und bildete die erste kommunistische Regierung in Rumänien.

Petru Groza und die Machtübernahme durch die Kommunisten
Petru Groza und die Machtübernahme durch die Kommunisten

, 11.11.2019, 17:30

Unter der Führung seiner Regierung erfolgte die Abdankung des Königs Michael I. und die Umwandlung des Königreichs Rumänien in die Rumänische Volksrepublik. Damit öffnete Petru Groza den Weg für Jahrzehnte des Kommunismus in Rumänien, aber er ermöglichte auch die Zurückgewinnung der Gebiete im Nordsiebenbürgen. Ab 1952 war Petru Groza Präsident der Gro‎ßen Nationalversammlung der Rumänischen Volksrepublik — eine Funktion, die der des Staatsoberhauptes entsprach.



Petru Groza war eine der komplexesten Persönlichkeiten der rumänischen Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der am 7. Dezember 1884 in der Ortschaft Băcia, Kreis Hunedoara, geborene Petru Groza studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an den Universitäten Budapest und Leipzig. Bei letzterer promovierte er 1907. Er war Rechtsanwalt und war auch politisch aktiv als Mitglied der Rumänischen Nationalpartei, die sich für die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn einsetzte. Nach 1918 war Petru Groza Mitglied der Volkspartei und 1933 gründete er die Front der Pflüger, eine politische Organisation der Bauern in Rumänien. In den 1930er Jahren wurde er Antifaschist und arbeitete mit der Sozialistischen Partei und der Ungarischen Partei zusammen. In der gleichen Zeit kam er den Kommunisten näher, und das war ein entscheidender Schritt für seine zukünftige Karriere.



Am 6. März 1945 zwangen die Sowjets König Michael I. von Rumänien zur Bildung einer Regierung unter der Führung von Petru Groza. Es war die Regierung, die die rumänische Demokratie zerstörte. Die Wirtschaft wurde verstaatlicht, die politischen Parteien wurden abgeschafft (mit Ausnahme der Kommunistischen Partei, die die Macht übernahm), die Monarchie wurde aufgelöst und viele ehemalige Politiker, Intellektuelle und einfache Menschen wurden wegen erfundener Verbrechen zum Gefängnis verurteilt. So war Petru Groza ein wesentlicher Akteur bei der Errichtung und dem Fortbestand des kommunistischen Regimes in Rumänien.



Nach der Wende 1989 versuchten die Historiker, ein wahrheitsgetreues Profil von Petru Groza zu präsentieren. Das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks hat mit seinen Quellen zum Skizzieren dieses Profils beigetragen. Petru Grozas Tochter, Maria Groza, war seine Sekretärin und Vertraute. 1995 sprach Maria Groza in einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks über die Bemühungen ihres Vaters, an der Macht zu bleiben:



Es gab viele widersprüchliche Tendenzen, die sich in dieser Zeit manifestierten, und dann wurde die Frage der Agrarreform aufgeworfen, die Petru Groza sehr beunruhigte. Dann gab es die Probleme mit Siebenbürgen und den Ereignissen in Cluj (Klausenburg). Die Agrarreform machte ihm gro‎ße Sorgen, denn er war nicht für die Kollektivierung, in der Perspektive der Jahre wurde ihm klar, was der Landbesitz für die rumänischen Bauern bedeutete. Aber es gab bestimmte Umstände, die bestimmte Situationen aufzwangen. Dann war er sehr besorgt über die Beziehungen zu den Nachbarländern Rumäniens, denn er sagte immer: ‚Wir könnten mit diesem oder jenem Land befreundet sein, aber wir müssen gute Beziehungen zu unseren Nachbarn pflegen.‘ Daher unternahm er Arbeitsbesuche in alle Nachbarländer, einschlie‎ßlich in die Sowjetunion. Ich war auch mit ihm in Moskau, aber Stalin sah ich nicht, ich traf nur Dimitrow. Wir waren in Moskau und eines Abends gingen wir in die Oper. Mein Vater liebte die Oper und im Bolschoi Theater gab es au‎ßergewöhnliche Aufführungen. Am ersten Abend im Bolschoi Theater war ich in der Loge und es kam ein Mitarbeiter von Stalin zu uns, um meinen Vater zu Stalin zu führen. Er ging in Stalins Loge und sie hatten ein langes Gespräch, sie diskutierten sehr intensiv über die Perspektiven Rumäniens.“




Der Diplomat Pamfil Ripoşanu war Mitglied der Nationalen Bauernpartei, unter der Führung von Iuliu Maniu. Die Bauernpartei war eine der demokratischen Parteien, die unter der kommunistischen Repression in Rumänien am meisten gelitten hat. Pamfil Ripoşanu war ein Jugendfreund von Petru Groza, aber sie hatten unterschiedliche politische Ansichten. 1995 erzählte Pamfil Ripoşanu in einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte, wie sein Freund Petru Groza im März 1945 an die Macht kam:



Während es sehr fortgeschrittene Diskussionen über die Bildung einer Koalitionsregierung gab, war ich eines Tages im März 1945 im Regierungsgebäude. Petru Groza sagte mir, ich sollte aus dem Fenster schauen — die russischen Panzer fuhren auf der Calea Victoriei (Siegesstra‎ße). Da fragte er mich: ‚Was nun?‘ Kurz darauf wurde der sowjetische Au‎ßenminister Andrej Wyschinski angekündigt. Wyschinski kam zu uns in Begleitung eines sowjetischen Generals, der gut Rumänisch sprach und als Dolmetscher fungierte. Wyschinski sagte zu Groza: ‚Ich bringe Ihnen die Botschaft des gro‎ßen Stalin, der Sie bittet, die Regierung zu bilden. Wenn Sie die Regierung bilden, wird das gesamte Siebenbürgen zu Rumänien gehören.‘ Die vom rumänischen Au‎ßenminister Vişoianu unterzeichnete Moskauer Konvention besagte: ‚Das gesamte Siebenbürgen oder der grö‎ßte Teil Siebenbürgens wird Rumänien gehören.‘ Und nun sagte Wyschinski: ‚das gesamte Siebenbürgen‘. Darauf antwortete Groza: ‚Aber was sagt Chef Stalin dazu?‘ Von der Regierung rief man Stalin an, und Stalin gab diese Botschaft weiter: ‚Sag Petru Groza Folgendes: Wenn er in 48 Stunden die Regierung bildet, wird ganz Siebenbürgen Rumänien gehören.‘ Petru Groza war sehr, sehr rot im Gesicht und sehr aufgeregt.“




In jenen angespannten Momenten waren die getroffenen Beschlüsse entscheidend für die Zukunft Rumäniens. Zeitzeuge Pamfil Ripoşanu:



Damals erlebte Rumänien die Tragödie der Teilung Siebenbürgens durch den Ribbentrop-Molotow-Pakt. Die Hälfte Siebenbürgens war an Ungarn abgetreten worden. Groza sagte zu mir: ‚Ich gehe zum Königspalast und sage seiner Majestät, dass ich das Angebot Stalins akzeptiere. Geh zu Herrn Maniu (Iuliu Maniu war der Vorsitzende der Nationalen Bauernpartei) und sag ihm, was hier passiert ist.‘ Wir waren uns einig, dass wir vom Königspalast aus zu Iuliu Maniu gehen sollten, der in der Nähe, gegenüber vom Park Cişmigiu wohnte. Ich erzählte Maniu über das Gespräch mit Wyschinski, und er wurde sehr beunruhigt. Innerhalb von zwei Stunden kam auch Petru Groza, er war sehr aufgeregt und sehr rot im Gesicht. Und dann fand dieses Gespräch zwischen Iuliu Maniu und Petru Groza statt: ‚Herr Vorsitzender, lassen Sie mich nicht allein, kommen Sie mit mir‘, sagte Groza. Und Maniu antwortete: ‚Herr Groza, ich beteilige mich nicht an dieser Regierung. Und ich rate Ihnen auch davon ab. Es ist zu schade um Ihren guten Namen. Ich wei‎ß nicht, wo Ihre Ehegattin, Frau Groza, ist. Ich würde Frau Groza auch bitten, Ihnen von der Beteiligung an dieser Regierung abzuraten. Zu schade um Ihren guten Namen!‘ Petru Groza wurde wütend und fing an, mit der Faust auf Manius Schreibtisch zu schlagen: ‚Herr Parteipräsident, wenn ich meinem Land fünf Minuten lang helfen kann, werde ich meinen Namen zum Teufel schicken! Meine Kinder können ihren Namen ändern!‘ Und so kam die Regierung Petru Groza zustande.“




1958 starb Petru Groza im Alter von 73 Jahren. Aber das kommunistische Regime, das er installiert und konsolidiert hatte, blieb weitere 31 Jahre an der Macht.

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