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Personenkult im Kommunismus: Stalin-Städte in Europa

Während der Herrschaft von Josef Stalin (1922–1953) wurden viele Orte, meist Städte, in der Sowjetunion und anderen kommunistischen Ländern zu seinen Ehren als Teil des ihn umgebenden Personenkults benannt oder umbenannt.

Personenkult im Kommunismus: Stalin-Städte in Europa
Personenkult im Kommunismus: Stalin-Städte in Europa

, 14.10.2019, 17:30

Nach 1945 besetzte die siegreiche Sowjetunion im Krieg gegen Nazi-Deutschland halb Europa und setzte ihr eigenes politisches, wirtschaftliches und soziales Modell durch. Dieses Modell beinhaltet auch den Personenkult des obersten Befehlshabers, in diesem Fall die Verehrung von Josef Wissarionowitsch Dschughaschwili alias Stalin. Die kommunistische Propaganda forderte, dass die Liebe zu Stalin grenzenlos sein müsse: Von den einfachen Menschen über grandiose Projekte bis hin zu Städten war Stalins Name allgegenwärtig. Kommunistische Führer in Albanien, Bulgarien, der Tschechoslowakei, der Deutschen Demokratischen Republik, Polen, Rumänien und Ungarn haben bedeutende Städte nach Stalin umbenannt, nach dem Gro‎ßen Führer“, wie ihn die sowjetische Propaganda nannte.



Das sowjetische Umbennenungsmodell war jedoch nicht nur auf Stalins Namen beschränkt. Andere kommunistische Führer wurden auf diese Weise geehrt. 1953 wurde die Stadt Chemnitz in der DDR in Karl-Marx-Stadt umbenannt. In Jugoslawien, wo es keine Stalin-Stadt gab, wurde die heutige Hauptstadt Montenegros, Podgorica, von 1946 bis 1992 Titograd genannt, nach dem Namen des kommunistischen Führers Josip Broz Tito. In Rumänien erhielt die Stadt Oneşti den Namen Gheorghe Gheorghiu-Dej, und die Stadt Ştei wurde Dr. Petru Groza genannt, nach den Namen zweier sehr prominenter rumänischer kommunistischer Führer.



Nicolae Pepene, der Direktor des Kreismuseums für Geschichte in Braşov (Kronstadt), initiierte das Projekt der Stalin-Städte: Im Jahr 2017, dem Jubiläumsjahr der bolschewistischen Revolution, erhielt er mit diesem Projekt Finanzierungsmittel von der Europäischen Union. Wir fragten Nicolae Pepene, welche Erklärung es dafür gibt, dass Braşov zeitweilig zu Stalin-Stadt (rum. Oraşul Stalin) wurde.



Es gibt eine offizielle Erklärung, die wir in der Presse dieser Zeit finden, nämlich dass die Arbeiter der staatlichen Eisenbahngesellschaft CFR dachten, sie würden dadurch die Freundschaft mit dem gro‎ßen Führer und die Fürsorge des gro‎ßen Führers Stalin für das rumänische Volk, für die rumänischen Arbeiter, würdigen. Es gab irgendwie auch eine Verbindung zum heimischen kommunistischen Führer Gheorghe Gheorghiu-Dej. Alles wurde in diesen propagandistischen Rahmen gestellt. Die Namensänderung fand am 22. August 1950 statt, einen Tag vor dem 23. August, wieder ein symbolischer Moment für das kommunistische Regime und damals Nationalfeiertag. Leider haben die Historiker nichts aufgezeichnet, wir können uns blo‎ß vorstellen, dass es sich um eine Geste der Ergebenheit der lokalen Behörden handelte, weil der Name Stalin bereits in Mode war. Die Beziehungen zur Sowjetunion im kulturellen Leben waren sehr präsent. Seit 1949 gab es ein Denkmal des sowjetischen Soldaten im Stadtpark, wir hatten auch ARLUS, das Haus der rumänisch-sowjetischen Freundschaft, das sehr aktiv war. Es kamen Schriftsteller aus der Sowjetunion, und es gab auch einen Austausch von Arbeitern und Lehrern aus den zwei Ländern. Kronstadt war eine Speerspitze der Propaganda, es war eine sehr mächtige Arbeiterstadt. Obwohl Kronstadt während des Krieges von den Bombenangriffen der Alliierten betroffen worden war, blieb die hiesige Industrie bestehen, und nach der Machtübernahme der Kommunisten wurden massive Investitionen getätigt. Es gibt auch Spekulationen einiger Historiker aus Braşov, dass es eine Geste zur Erniedrigung der sächsischen Bevölkerung gewesen wäre. Wir dürfen nicht vergessen, dass Kronstadt bis zum Beginn des Kommunismus eine sehr wichtige Stadt für die Siebenbürger Sachsen war.“




Die Propagandisten waren sehr eifrig, sie wollten, dass die Menschen sich die neuen Namen merken. Deshalb wurde auf dem Berg Tâmpa (dt. Zinne) oberhalb von Kronstadt eine Schneise durch den Wald geschlagen, so dass von unten, von der Stadt aus, jeder den neuen Namen STALIN“ in riesigen Lettern am Berghang sehen konnte. Die europäische Karte der Stalin-Städte erstreckte sich von der Sowjetunion bis Mitteleuropa. Kein Land, das zum kommunistischen Lager gehörte, entkam der Praxis, eine Stadt nach Stalin zu taufen. Nicolae Pepene sagte uns, welche Städte nach 1945 in die unerwünschte Landkarte der Stalin-Städte eingetragen wurden.



Wir müssen mit der Sowjetunion beginnen, denn von dort kam das Vorbild. Zuerst wurde Wolgograd zu Stalingrad. Dann hie‎ß Donezk Stalin-Stadt. Nach 1945, nach der Besetzung Mittel- und Osteuropas durch die Sowjets, entstand auch der notwendige propagandistische Rahmen. Die Stadt Varna in Bulgarien erhielt den Namen Stalin-Stadt. Wir beginnen mit Varna, weil die Bulgaren im Jahr 1949 die ersten waren, die den Namen einer Stadt zu Stalin-Stadt änderten. Und sie wählten eine wichtige Stadt: Damals war Varna nach Sofia die wichtigste Stadt Bulgariens. Dann kam die stalinistische Wende nach Polen: Eine sehr mächtige Arbeiterstadt in einem Industriegebiet Schlesiens, die Stadt Katowice, wurde zu Stalin-Stadt. Die Polen konnten dadurch allerdings keine Vorteile ergattern, weil sie im Jahr 1953, kurz nach dem Tod Stalins, den Namen änderten, aber 1956 kehrte die Stadt schneller als andere zum Namen Katowice zurück. Eine ungarische Stadt, die den Namen Sztálinváros, »Stalinburg«, erhielt, war eine damals neue, aus dem Boden gestampfte Stadt. Die heute Dunaújváros (dt. Neustadt an der Donau) hei‎ßende Stadt wurde an der Donau in Ungarn errichtet. Es ist eine Hochburg der metallurgischen Industrie Stadt, das wichtigste metallurgische Zentrum Ungarns. In Albanien gab es auch eine Kleinstadt, die zu Stalin-Stadt (Qyteti Stalin) umbenannt wurde. Die Albaner wählten keine wichtige Stadt, sondern die Kleinstadt Kuçova, eine Bergbaustadt südlich von Tirana. In der DDR gab es auch eine Stalin-Stadt, nämlich Eisenhüttenstadt, eine Stadt der Metallurgie-Arbeiter. Interessanterweise gab es in der Tschechoslowakei keine Stalin-Stadt, sondern nur wichtige Viertel in verschiedenen Städten, die umgetauft wurden. Ein sehr wichtiger Bezirk in Prag wurde Stalin genannt, ebenso ein wichtiger Bezirk in Ostrava (Ostrau).“




Die Stalin-Städte kehrten früher oder später zu ihren alten Namen zurück, je nachdem, wie sich die Umstände in jedem Land änderten. Katowice und Varna nahmen 1956 ihre alten Namen wieder auf, Braşov (Kronstadt) 1960, Eisenhüttenstadt und Dunaújváros 1961. Ebenfalls 1961 erhielten Wolgograd und Donezk ihre alten Namen zurück, und 1991 war Kuçova in Albanien die letzte Stalin-Stadt, die ihren sowjetischen Namen aufgab.

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