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Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

Ab 1965 hatte das Regime des jungen Führers Nicolae Ceauşescu die Erneuerung des Landes durch eine vermeintliche Aufhebung der Ideologie geplant. Dazu gehörte eine vermeintliche Abkehr von der Ideologie.

Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)
Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

, 02.06.2014, 18:41

Die Literatur war eine der von den Kommunisten bevorzugten Kunstformen. Die Überzeugungskraft des literarischen Textes, die Profile der rudimentär skizzierten Charaktere, die auf die Instinkte der Menschen einwirkten, verhalfen dem Regime zu viel grö‎ßeren Erfolgen, als es Literaturhistoriker einräumen wollen.



Die Methode des literarischen Schaffens in den 1950er Jahren wurde als sozialistischer Realismus bezeichnet und von den sowjetischen Kulturagenten eingeführt. Ab 1965 hatte das Regime des jungen Führers Nicolae Ceauşescu die Erneuerung des Landes durch eine vermeintliche Aufhebung der Ideologie geplant. Im Zuge dessen wurde die Literatur von den Zwängen des sozialistischen Realismus befreit. So konnte das Regime einige Intellektuelle zur Zusammenarbeit überreden, die in der Tat dachten, ein neues Zeitalter würde gerade eingeläutet. Allerdings sollten die Hoffnungen derjenigen, die ihre Dienste zur Verfügung gestellt hatten, in den 1980er Jahren zertrümmert werden: Es stellte sich heraus, dass das Regime von Nicolae Ceauşescu nichts Anderes als ein Stalinismus mit verändertem Antlitz war.



Der Historiker Cristian Vasile vom Nicolae Iorga“ – Institut in Bukarest nennt zwei Fälle von Intellektuellen, die sich dem neuen literarischen Kanon des kommunistischen Regimes von Ceaușescu zwischen 1965 und 1974 angepasst hatten. Das war zum einen der Übersetzer und Literaturhistoriker Alexandru Balaci und zum anderen der Schriftsteller Alexandru Ivasiuc. Über Alexandru Balaci sagte Vasile, er habe als stellvertretender Kulturminister versucht, bei einem Besuch in Bulgarien 1967 die neue literarische Methode des sozialistischen Humanismus in Schutz zu nehmen.



Balaci hatte auch Treffen mit den Parteiaktivisten in mehreren Städten, mit Kulturpersönlichkeiten, er besuchte unterschiedliche Kultureinrichtungen und, was mir am wichtigsten scheint, er hielt mehrere Konferenzen an der Oberen Parteischule in Sofia. Die rumänischen Quellen erwähnen vier Konferenzen mit Alexandru Balaci in der Hauptrolle, bei denen er nicht weniger als 80 Fragen gestellt bekam. Darunter waren einige Fragen, die ihn vielleicht nicht vor ein Problem stellten, aber immerhin eine aufmerksame, nuancierte Haltung verlangten, begleitet von diplomatischem Geschick und eventuell ausweichenden Antworten. Einige der Fragen bezogen sich zum Beispiel auf die Literatur der mitwohnenden Nationalitäten und den Stand der kulturellen Beziehungen zur UdSSR. Die interessanteste Frage aber lautete wie folgt: ‚Welchen Standpunkt haben die rumänischen Intellektuellen zum sozialistischen Realismus?‘ Die Frage schien einen anachronisch-dogmatischen und irgendwie provozierenden Charakter zu haben, und das aus zwei Gründen: Der sozialistische Realismus war die einzige zulässige Schaffensmethode, die mit dem Stalinismus in Verbindung gebracht und von den Sowjets auferzwungen wurde, dazu standen die bulgarischen Kommunisten dem Kreml noch näher als die Rumänen. Zweitens hatten Nicolae Ceauşescu und die Parteibürokratie zumindest offiziell darauf verzichtet, von den Intellektuellen die Einhaltung des sozialistischen Realismus zu verlangen. Die einzige Schaffensmethode der 1950er Jahre war im Prinzip von dem sozialistischen Humanismus ersetzt worden, ein Begriff, der in den Parteidokumenten und den Vorträgen von Ceauşescu vorkam. Alexandru Balaci hat seine Verwirrung zum Ausdruck gebracht und seine Gesprächspartner gebeten, den sozialistischen Realismus im neuen Kontext zu definieren.“




Der zweite Fall, der des Schriftstellers Alexandru Ivasiuc, birgt eine viel traurigere Geschichte, wie der Historiker Cristian Vasile erzählt.



Der spätere Schriftsteller hatte 1956, als Philosophie-Student und vor dem Hintergrund der Revolte in Budapest, den Sinn der Vorlesung »Grundlagen des Marxismus-Leninismus« hinterfragt, eine Vorlesung, die an allen Universitäten zur Grundausbildung gehörte. Ivasiuc lehnte die marxistisch-leninistische Disziplin ab und wurde wegen seiner trotzenden Haltung zu sieben Jahren Haft und Hausarrest verurteilt. Neben der Anfechtung des Studienplans hatte er eine Solidarisierungsaktion der Studenten mit der Revolte in Ungarn geplant. Als Erwachsener erlebt Alexandru Ivasiuc allerdings einen tiefen Wandel. Er wählt eine seltsame Form von Marxismus, die ihm eine Annäherung an das politische Regime ermöglicht, das ihn zehn Jahre zuvor als Feind, Anstifter und Konterrevolutionär bezeichnet und ins Gefängnis geschickt hatte. Obwohl er zwischen 1956 und 1963 allen Erniedrigungen der einsamen Haft und des Hausarrests ausgesetzt worden war, schien er jetzt von den Beziehungen zwischen dem Individuum und der Machthaber besessen zu sein. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre strebte er eine soziale Wiedereingliederung an, die ihn den ideologischen Herrschern näherbringen sollte. Unmittelbar nach Verbü‎ßung der Strafen 1963 wird er zum Beamten in der US-Botschaft in Bukarest. Gleichzeitig widmet er sich der literarischen Arbeit, später wird er in Führungsämter gelangen. Und in derselben Zeitspanne wird die Verwandlung von Ivasiuc bemerkbar, die in seinen Romanen »Intervall«, »Nachtforschung«, »Die Vögel«, »Erleuchtungen« zu spüren ist. Einige Kritiker und Literaturhistoriker haben auf eine bemerkenswerte Tatsache hingewiesen: In der politischen Prosa jener Zeit, den sogenannten Romanen des sogen. ‚eindringlichen Jahrzehnts‘, wurden die von dem Regime bedrängten Personen fiktiv rehabilitiert, während in den Schriften des ehemaligen politischen Häftlings Ivasiuc die Folterer rehabilitiert und die Opfer noch einmal verurteilt werden. Unabhängig der Frage, ob Ivasiuc ein ehrlicher konvertierter Marxist oder lediglich ein Zyniker war, spiegelt sein Fall offenbar den Erfolg der perversen Mechanismen der kommunistischen Pädagogie wider. Viele seiner Ausdrucksformen in der Öffentlichkeit haben den Eindruck hinterlassen, dass sie von einem Menschen stammten, der einen starken inneren Wandel erlitten hat.“



Der sozialistische Humanismus ist 1989 mit der gesamten Kulturpolitik des Ceaușescu-Regimes verschwunden. Er war lediglich ein weiteres Kapitel der betrügerischen Kunst, die auch mit politischer Unterstützung sich nicht als authentischer Wert etablieren kann.



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