KSZE 1972 –75: Kommunistisches Rumänien versuchte sich zu profilieren
Die Helsinki-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bleibt in der Geschichte als die erste gesamteuropäische Konferenz 20 Jahre nach der geopolitischen Spaltung des Kontinents.
Steliu Lambru, 22.02.2016, 17:35
Die Helsinki-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die ihren Auftakt in der ersten Vorbereitungskonferenz im Jahr 1972 hatte, bleibt in der Geschichte als die erste gesamteuropäische Konferenz nach 20 Jahren der Spaltung zwischen dem demokratischen Westeuropa und dem unter der Einflusssphäre der Sowjetunion stehenden Ostblock. Finnland, das weder der NATO noch dem Warschauer Pakt angehörte, beherbergte die Gespräche, die im Konferenzzentrum Dipoli nahe der finnischen Hauptstadt stattgefunden haben. 35 Staaten haben sich an der ersten Konferenz für Sicherheit und Kooperation in Europa beteiligt, die sich mit den wichtigsten Problemen der Europäer Anfang der siebziger Jahre in verschiedenen Bereichen auseinandersetzte: Politik, Justiz, Verteidigung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur sowie im humanitären Bereich.
Rumänien hat sich ebenfalls am Gipfeltreffen beteiligt und spielte dabei eine aktive Rolle. Der Diplomat Valentin Lipatti war Mitglied der rumänischen Delegation. Im Jahr 1995 erläuterte er in einem Interview mit Radio Rumänien die Rolle Bukarests beim europäischen Gipfel:
Bei Vorgesprächen hatten wir bereits festgestellt, dass das Arbeitsverfahren der Konferenz nicht klar festgelegt worden war. Wir haben vorgedacht und eine Art Regelwerk vorbereitet, das Vorschläge zum möglichen Arbeitsverfahren enthielt. Als wir Ende November ein paar Tage vor der Eröffnung der Beratungen in Dipoli ankamen, hatten wir schon eine Verfahrensregelung dabei. Die Akte sah ein Grundprinzip vor, dem wir 20 Jahre lang bei den darauffolgenden Verhandlungen ununterbrochen folgten: die völlige Gleichberechtigung aller Nationen, keine Diskriminierung, es sollten keine kleine oder großen Staaten geben, Staaten mit mehr oder weniger Rechten, so wie es beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach wie vor der Fall ist. Dort gibt es permanente Sitze mit Veto-Recht und nicht-permanente Sitze, deren Meinung nicht immer berücksichtigt wird. Wie kann man das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten in einer Verfahrensregelung widerspiegeln? Durch Konsens. Der Konsens ermöglicht jedem Teilnehmerstaat, seine Rechte und Interessen vorschriftsmäßig zu verteidigen.“
Der Westen und der Osten Europas waren damals zum ersten Mal seit Kriegsende an den Verhandlungstisch zurückgekehrt, um eine gemeinsame Grundlage der Kooperation festzulegen. Selbst wenn die Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen und militärischen Block die Verhandlungen stark prägte, ging jedoch jeder einzelne Staat auch den eigenen Interessen nach, wenn es um bestimmte Themen oder um die Förderung von Regelungen und Prinzipien ging. Valentin Lipatti dazu:
Die Westeuropäer haben lange Zeit das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen blockiert, das der Sowjetunion am Herzen lag, und die Sowjetunion blockierte ihrerseits jedes Prinzip in Bezug auf Menschenrechte und die sogenannte humanitäre Komponente der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Diese beidseitige Blockade führte schließlich zu einem Kompromiss, der die Blockade aufgelöst hat. Auch wir haben den Konsens jedes Mal, wenn unsere Interessen verletzt wurden, sozusagen wiederholt oder methodologisch blockiert. Beispielsweise wenn ich von der sowjetischen Delegation ein Zugeständnis in der Frage A erzielen wollte, blockierten wir sie bezüglich der Frage C, an der sie interessiert waren. Und dann fanden wir eine Lösung, um uns gegenseitig zu deblockieren.“
Die rumänischen Initiativen zur Durchführung der Konferenz kamen sehr gut an und hatten Erfolg. Valentin Lipatti erinnerte sich:
Es hat keine kleineren Ausschüsse gegeben, weil sie dem Konsens und der Rechtsgleichheit widersprachen. Normalerweise wird das folgendermaßen gehandhabt: Wenn man einen Text bei einer üblichen internationalen Konferenz verfasst, wird ein Arbeitsausschuss mit Mitgliedern gegründet, die vorher sorgfältig ausgewählt werden. Dieser kleinere Ausschuss konnte manchmal eine sehr gute Arbeit leisten oder er trug dem Plenum seine Arbeit vor, das diese wiederum verabschiedete. Das ist so, als wenn jemand anders das Essen zubereitet und du es nur essen musst. Man kann dieses noch salzen oder ein Glas Wein dazu nehmen, aber praktisch ist das Essen bereits fertig. Deshalb haben wir alle Beiräte, alle Arbeitsausschüsse, aber wirklich alle, von den bedeutendsten zu den scheinbar unbedeutenden, ins Leben gerufen. Diese mussten für alle offen sein. Die paar demokratischen Normen, die der Konferenz in Helsinki einen ganz neuen Charakter verliehen haben, sind Rumänien zu verdanken. In Dipoli waren wir diejenigen, die die erste Arbeitsunterlage der multilateralen Vorbereitungsberatungen, die Verfahrensregeln, die diese enthielten und vieles andere vorgelegt haben. Niemand anders hat ein Gegendokument vorgelegt, denn alle waren überrascht. Wir haben es geschafft, für die große Mehrheit der rumänischen Vorschläge Erfolge zu erzielen. Praktisch waren die Verfahrensregeln die Regeln Rumäniens, mit kleinen Änderungsvorschlägen, die aber nicht wesentlich waren.“
Die Schlussakte der Konferenz in Helsinki wurde 1975 unterzeichnet. Eines der zehn Prinzipien im ersten Abschnitt lautete Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Rumänien hat versucht, die Grundsätze der Entwaffnung und der Anerkennung der Existenz von Entwicklungsländern zu fördern, Grundsätze, die von jedem kommunistischen Staat verfolgt wurden. Im Westen hat das Schlussdokument von Helsinki als Grundlage zur Gründung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 1990 gedient.