Kommunisten hatten eine Hassliebe zur Monarchie
Das Leben von Königen und Königinnen, Prinzen und vor allem Prinzessinnen hat seit jeher eine nahezu unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeübt.
Steliu Lambru, 21.06.2022, 11:40
Zwar genießen Führungspersönlichkeiten im Allgemeinen eine besondere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, doch im Fall von gekrönten Häuptern gilt dies um so mehr.
In den 80 Jahren seines Bestehens hat das Königreich Rumänien vier Könige an seiner Spitze gesehen, Herrscher mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, vom strengen Karl dem 1., dem ersten Monarchen des modernen Rumäniens, über den schüchternen, aber loyalen Ferdinand, den Soldatenkönig des Ersten Weltkriegs, bis hin zum launischen Karl dem 2., dem Vater König Michaels und damit des letzten Herrschers seiner Linie. Am 30. Dezember 1947 musste König Michael, der die Allianz Rumäniens mit Nazideutschland aufgekündigt und Rumänien durch den Staatsstreich vom 23. August 1944 auf die Seite der Alliierten gebracht hatte, unter Drohungen und Zwang die Abdankungsurkunde der rumänischen Kommunisten unterzeichnen, die 1945 von russischen Panzern an die Macht gebracht worden waren. Die köngliche Familie musste ins Exil.
Nach der Abdankung des Königs wurde eine Kommission von den Machthabern in Bukarest beauftragt, ein Inventar der königlichen Güter und Vermögenswerte zu erstellen. Die Kommission bestand aus Historikern, Wissenschaftlern, Kunstkritikern, aber auch aus einfachen Arbeitern, die Mitglieder der Kommunistischen Partei waren. Zu ihnen gehörte auch der Historiker und Kunstkritiker Radu Bogdan, der noch vor 1945 der Kommunistischen Partei beigetreten war. Sein Zeugnis wurde 1995 vom Zentrum für Mündliche Geschichte im rumänischen Rundfunk aufgezeichnet.
Radu Bogdan erinnerte sich an die Aufregung, die er 50 Jahre zuvor empfunden hatte, als er die Schwelle der königlichen Paläste überschritt und den Alltag des Königshauses kennenlernte. Erster Besuch war das Schloss Peleș, die Sommerresidenz der königlichen Familie, die vom ersten Herrscher der Linie, König Karl dem 1.., in den Karpaten errichtet wurde.
Radu Bogdan: „Natürlich verfügte das Schloss über ein fabelhaftes Archiv. Und meine erste Sorge war es, dort herumzustöbern. Während der Monate meiner Arbeit an der Inventarisierung im Schloss Peleş hatte ich sehr viel gelesen. Ich war unersättlich. All das zu entdecken, war eine völlig neue Erfahrung. Wissen Sie, meine Kindheit und meine Schulzeit fielen in die Zeit von Karl dem 1.., der als Woiwode der rumänischen Kultur bezeichnet wurde. Wir badeten ein wenig im Personenkult um diesen König. Und dann auf einmal in seine Privatsphäre eindringen zu können, seine Tagebücher durchzusehen, war wie eine Tür, die sich öffnete und mich eine Art geheime Geschichte des Königreichs entdecken ließ. Es war fabelhaft,” erinnerte sich Radu Bogdan.
Der Reichtum der im Schloss Peleş untergebrachten königlichen Bibliothek hatte den unerwarteten Besucher hingegen etwas enttäuscht: „Wissen Sie, diese Bibliothek sah aus wie die Bibliothek eines Bürgers. Es gab relativ wenige seltene Exemplare. Die Bibliothek von Schloss Bran hingegen barg einen wahren Schatz. Bücher mit der Unterschrift von Königin Victoria zum Beispiel. In der Bibliothek von Schloss Peleș gab es aber vor allem Bücher und Zeitschriften, die von den Königlichen Stiftungen herausgegeben wurden. Diese gaben eine erste Ausgabe in einer Auflage von 50 Exemplaren für König Karl den 2. heraus, die zweite Ausgabe für Prinz Michael. Einige Bücher waren mit einem Autogramm oder einer Widmung des Autors versehen, obwohl es üblich ist, dem König nicht diese Art von Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Der König von England erhält keine Widmungen…”.
Nachdem er die Privatsphäre der ehemaligen Herrscher betreten hatte, fühlte sich Radu Bogdan wie ein vergessenes Kind in einem Spielzeugladen. Er fand den persönlichen Terminkalender von König Karl dem 2. mit seinen täglichen Notizen. Er fand andere Dokumente, Briefe und Notizen, die den Schleier über dem Privatleben der Herrscher und ihrer Angehörigen lüfteten. Einige Dokumente und Gegenstände, die der königlichen Familie gehört hatten, sollten jedoch für immer verloren gehen.
“Die Kommunisten wurden von einem abgrundtiefen Hass gegen alles getrieben, was der königlichen Familie gehörte. Und das führte dazu, dass sie wissentlich oder fahrlässig viele Wertgegenstände zerstörten. Nehmen wir zum Beispiel den Schreibtisch von Karl dem 2., der seit dem Tag seines Todes im Jahr 1914 unberührt war. Einige begannen, die Unterschriften, die sie auf Büchern fanden, zu löschen. Königin Maria hatte die Angewohnheit, die Bücher, die ihr gehörten, zu signieren, und die jungen Männer fingen an, ihre Signatur zu löschen, bevor sie die Bücher den öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung stellten. Die Spuren der Könige mussten aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden. Einige Räume waren dem Vandalismus zum Opfer gefallen, Möbel und Dokumente für immer verloren“.
Doch es war das Alltagsleben der rumänischen Monarchen, das Radu Bogdan während seines Studienaufenthalts im Schloss Peleș faszinierte. Durch die Mitgliedschaft in der Inventarkommission angeregt, versuchte er sich dem Thema zu nähern und es zu vertiefen: „Interessanterweise, aber etwas überraschend, verfügte das Königshaus nicht über ein Archiv im eigentlichen Sinne. Die Dokumente wurden in einer Art Pappschachteln aufbewahrt, ich weiß jetzt nicht genau, ob es sich um Hutschachteln handelte oder nicht, aber sie waren aus Pappe. Nur eine, die mit einem kleinen Vorhängeschloss versehen war, war verschlossen. Darin befand sich das Tagebuch von Königin Maria. Ansonsten befand sich in den Schachteln ein Sammelsurium von Briefen, Petitionen aller möglichen Querulanten, Post von anderen Königshäusern, Briefe von Politikern wir Goga oder Iorga, von Diplomaten und so weiter,” so Radu Bogdan abschließend.