Kirche und Religion im Kommunismus: Zusammenleben aus taktischen Gründen
Im kommunistischen Rumänien wurden Religion und Kirche generell nicht gern gesehen. Religiöse Praktiken waren bereits während der Anfänge des Kommunismus an den Pranger gestellt worden, nachdem in den 1950ern viele Geistliche ins Gefängnis gekommen waren.
Steliu Lambru, 11.02.2019, 17:30
Nach der Festigung seiner Position führte das Regime immerhin eine Politik der Toleranz — die Religion stellte keine direkte Gefahr mehr dar und außerdem wollten die Kommunisten sich die Treue der Bevölkerung sichern. In der Theorie sollte man Religion und Kirche laut kommunistischen Grundsätzen trennen — wobei beide zu verurteilen waren. Einerseits galt die Religion als eine Weltanschauung primitiver Menschen, manchmal als Aberglaube. Währenddessen wurde die Kirche als eine den Menschen ausbeutende Institution dargestellt. Also wurden der Religion mildernde Umstände eingeräumt, und der Kirche nicht.
Mit der Machtübernahme hat die kommunistische Partei aber seine Haltung gegenüber Religion und Kirche revidiert — beide Aspekte wurden in ihrer Kulturpolitik als Elemente nationaler Identität berücksichtigt. Allgemein funktionierte dieser Mechanismus in allen Ländern Mittel- und Osteuropas, die nach 1945 zur sowjetischen Einflusssphäre gehörten. Es gab lediglich regional abgestufte und national eingefärbte Unterschiede, Rumänien war jedenfalls keine Ausnahme auf dem Gebiet.
Der gelernte Ingenieur Ştefan Bârlea war ein hoher Amtsträger der Partei- und Staatshierarchie — er war bereits Mitte der 1940er Jahre als kommunistischer Aktivist tätig. Obwohl er kein praktizierender Christ gewesen sei, habe er nichts gegen Religion und Kirche gehabt, sagte er in einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks aus dem Jahr 2002. Darin gestand Bârlea sogar, sich der Taufe seiner beiden Kinder nicht widersetzt zu haben, obwohl er und seine Ehefrau nicht kirchlich getraut worden waren.
Ich habe mich nicht persönlich in der Kirche sehen lassen bei dem Ganzen. Aber meine Schwiegermutter und meine Mutter und Großmutter haben das Heft in die Hand genommen. Sie sind hingegangen, ich wusste, dass sie mit den Kindern in der Kirche waren, denn es roch nach Basilikum. ‚Hoch sollen sie leben!‘ haben wir dann alle gesagt. Eines der Kinder ist in der Caşin-Kirche getauft, beim zweiten weiß ich das nicht mehr so genau. Ich habe gesagt, sie sollen mich nicht reinziehen, aber ich hatte nichts gegen die Taufe einzuwenden. Ich und meine Frau waren nicht kirchlich getraut. Wir wollten das irgendwann nachholen, aber dann haben wir an dem Tag einen Ausflug in die Berge, nach Cheia, unternommen. Wir dachten anschließend, es sei schon ein Problem, wenn wir das verheimlichten. Wenn du das schon unbedingt durchziehen wolltest, dann wäre es besser gewesen, es in aller Öffentlichkeit zu machen. Ich hatte nie Vorbehalte gegenüber den Kirchen. Mit meiner Frau, mit den Kindern, haben wir öfters Kirchen besichtigt. In meiner Kindheit war ich einigermaßen religiös erzogen worden, mein Großvater nahm mich mit in die Kirche seiner Gemeinde im Kreis Prahova. Heute habe ich noch eine kleine Ikone in meiner Hosentasche, die ich von einer Ungarin bekommen habe, als ich zehn oder zwölf Jahre alt war. Nachdem mein Vater gestorben war, wollte ich den Schauplatz der Kämpfe sehen, bei denen er gefallen war, bei Oarba de Mureş. Und dort hat mir eine Freundin meiner Mutter, eine Ungarin, mir die Ikone mit einer Widmung geschenkt. Ich war kein… wie soll ich’s sagen, kein freier Denker, kein Heide.“
Auf seine wissenschaftliche Ausbildung angesprochen, erinnert sich Bârlea an eine Geschichte aus der Zeit vor der Wende von 1989. Gemeinsam mit zwei Freunden habe er eine Theorie entwickelt, in der Wissenschaft und religiöse Darstellungen kombiniert wurden.
Während unserer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit hatten wir zu einem gewissen Zeitpunkt eine Arbeit anhand einer Schnapsidee entworfen. Ich kann ihnen auch die Namen derer nennen, mit denen ich damals darüber diskutierte, am meisten mit dem Ingenieur Edmond Nicolau. Ich beschäftigte mich mehr mit der Informatik, habe auch ein Cyber-Konzept in der ökomischen Systemtheorie entwickelt, das in London veröffentlicht wurde. Ein weiterer Freund von mir war der Arzt Bălăceanu-Stolnici. Ich hatte mehrere Treffen mit Bălăceanu, wir hatten auch eine gemeinsame wissenschaftliche Arbeit, er hat sie bei irgendeinem Kongress vorgestellt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass aus Sicht der Informatik die intelligenten Wesen von anderen Planeten den Menschen sehr ähnlich sein müssen. Denn sie müssten aufrecht stehen und über die Fähigkeit verfügen, ein möglichst großes Feld mit visuellen Informationen zu verarbeiten. Warum sind alle Sinne im oberen Teil gelegen? Weil die Natur zu Vereinfachungen tendiert. Das bedeutet, dass es in den Aussagen der Religion, wonach Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, ein Körnchen Wahrheit gibt. Es ist diese übernatürliche Kraft. Ich arbeitete damals beim Nationalrat für Wissenschaft und Technologie und scheute mich überhaupt nicht davor, einige Aussagen in diese Richtung zu treffen.“
Auch wenn die Religion nicht ermutigt wurde, schreckten viele Menschen gerade vor Kirchenbesuchen zurück, womöglich aus Angst vor kleinen Unannehmlichkeiten in der Karriere, die jenen drohten, die dem Übersinnlichen einen zu großen Platz in ihrem Leben einräumten. Doch Ştefan Bârlea kann dies nicht bestätigen.
Ich habe nie in meinem Leben so etwas beobachten können. Dass jemand bei irgendeiner Parteisitzung kritisiert wird, oder bei einer Versammlung der Arbeiterjugend UTM, oder was weiß ich, nur weil jemand sich in der Kirche trauen oder seine Kinder taufen ließ oder seine Eltern bestattet hat. Ich kann es nicht ausschließen, vielleicht gab es auch irgendwo übertriebene Reaktionen, aber ich habe von so etwas nie gehört. Und ich hatte Kontakt zu sehr vielen Leuten. Ceauşescu akzeptierte diese Dinge, nur seine Frau war dagegen. Und es hat unter anderem auch einmal deswegen gekracht, weil ihre Tochter Zoe und sogar der Sohn Nicu die Klöster besichtigt hatten, in Agapia und sonstwo.“
Die Beziehung zwischen dem kommunistischen Regime einerseits und der Kirche und Religion andererseits war jedenfalls problematisch. Beide Seiten waren aus unterschiedlichen Gründen um ein Zusammenleben bemüht. Der soziale, wirtschaftliche und politische Engpass, in dem sich das Regime befand, führte dazu, dass die Zuflucht in der Religion zum akzeptablen Kompromiss wurde.