Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet
Im Gespräch mit einem Archäozoologen erfahren wir interessante Details über die Nutzung dieser Huftiere entlang der Geschichte.
Steliu Lambru und Sorin Georgescu, 15.04.2024, 15:50
Die Geschichte der Menschheit und die Entwicklung von Gemeinschaften und Individuen können auch durch die Tiere erforscht werden, die sie in unterschiedlichen Zeiten als Nutz- oder Haustiere begleitet haben. Archäologen, die für uns heute die erstaunlichsten Objekte aus dem Boden graben, bringen auch die Überreste von Haustieren ans Tageslicht. Die Archäozoologie ist die Disziplin, die sich mit den Beziehungen zwischen dem historischen Menschen und der Tierwelt befasst, d. h. mit der Domestizierung, der Ernährung des Menschen, der Tierhaltung, den Bestattungsriten usw. Die Archäozoologie unterscheidet sich von der Paläontologie, die sich mit der Entwicklung von Tieren und Menschen befasst, ohne sich um ihre möglichen Beziehungen zu kümmern, und von der Paläozoologie, die ausgestorbene Tiere erforscht. Dank der Archäozoologie erfahren wir, dass das Kamel, ein typisches Säugetier der tropischen und Wüstenregionen Afrikas, Asiens und Australiens, einen Platz auch in der rumänischen Geschichte hat.
Das Kamel ist ein großes, wiederkäuendes, pflanzenfressendes Säugetier, das auch in Rumänien in drei Varianten vorkommt: das Dromedar oder einhöckrige Kamel, das Trampeltier oder zweihöckrige Kamel und Hybriden der beiden, die einen großen und einen kleinen Höcker haben. Das Kamel, das auch als „Wüstenschiff“ bezeichnet wird, wurde als Transporttier eingesetzt, da es mit nur wenigen Wasser- und Nahrungsvorräten weite Strecken zurücklegen kann. Das Kamel, das vor etwa 5 000 Jahren domestiziert wurde, liefert Fleisch, Milch und Wolle und kann bei Nahrungsmangel auch verzehrt werden.
Adrian Bălășescu hat in Biologie und Geschichte promoviert und ist Archäozoologe am „Vasile Pârvan“-Institut für Archäologie der Rumänischen Akademie. Er erforscht Kamelreste, die an archäologischen Stätten in Rumänien gefunden wurden, und hat eine Chronologie der Funde vorgelegt. Das älteste Kamel in Rumänien stammt aus dem 2. bis 4. Jahrhundert und wurde in der Dobrudscha, nahe der Festung Ibida im Landkreis Tulcea entdeckt.
„Vor 60 Jahren wurden die ersten Kamelreste ausgegraben, die in Dinogetia bei Garvăn im Kreis Tulcea entdeckt wurden. Damals gab es dort eine systematische archäologische Erforschung der byzantinischen Epoche aus dem 9. bis 12. Jahrhundert. Es wurde ein Zehenglied der Art camelus bactrianus entdeckt, also ein Kamel mit zwei Höckern. Mehr als 40 Jahre später, im Jahr 2007, wurden weitere Überreste in Noviodunum, dem heutigen Isaccea, ebenfalls im Kreis Tulcea, am Donauufer entdeckt. Diese Überreste stammen aus dem 11. Jahrhundert.“
2007 wurden auch in Agighiol, ebenfalls in der Dobrudscha, weitere wichtige Funde gemacht. Es handelt sich um sechs erwachsene Kamele, die anhand ihrer Kiefer identifiziert werden konnten, deren Knochen keine Anzeichen menschlicher Eingriffe und keine Spuren von Raubtierzähnen aufweisen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sie schnell begraben wurden, wie der Forscher Adrian Bălășescu erläutert.
„Wir haben uns gefragt, wie die Knochen dieser Tiere in den Boden gekommen sind? Wir haben nicht viele Informationen vom Ausgrabungsort, und daher ist diese Frage schwer zu beantworten. Ich habe die Theorie, dass das Fehlen von Schnitt- und Zerlegungsspuren darauf hindeuten könnte, dass diese Tiere innerhalb kurzer Zeit an einer Krankheit starben und schnell begraben wurden, um die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Jüngste paläogenetische und mikrobiologische Studien belegen, dass Kamele als Überträger der Pest in Frage kommen. Die großen Epidemien kamen aus Asien, und neben Mäusen und Ratten als Träger des Pesterregers scheinen auch Kamele eine sehr wichtige Rolle gespielt zu haben. Dieses Bakterium, das die Pest verursacht, wurde sogar bei den von mir untersuchten Überresten im Zahnstein gefunden.“
Weitere Kamelspuren wurden in der westrumänischen Stadt Timișoara (Temeswar) gefunden. Die Temeswarer Festung wurde 1552 von den Türken erobert und bis 1716 von ihnen beherrscht. Hier handelt es sich um zwei Unterkiefer, die bei Ausgrabungen im Stadtzentrum gefunden wurden. Doch Kamele gab es in Mittel- und Osteuropa schon lange vor der Ankunft der Osmanen, sagt weiter Adrian Bălășescu.
„In Mittel- und Südosteuropa sind Kamele seit der Römerzeit bekannt. Ihr Vorkommen dürfte vor allem auf die Ausdehnung des Römischen Reiches und die Verlegung von Militäreinheiten aus den Provinzen des Nahen Ostens oder Afrikas zurückzuführen sein, wo diese Tierart häufig anzutreffen war. So wurden osteologische Beweise in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Serbien und Bulgarien gefunden. Für das frühe Mittelalter sind die Funde in Dinogetia und Noviodunum (9.-12. Jahrhundert) belegt, wo diese Tiere aufgrund des römisch-byzantinischen Einflusses in der Region vorkommen.“
Die Anwesenheit der Osmanen in Mitteleuropa beginnend mit der zweiten Hälfte des 16. Jh. und insbesondere ab dem 17. Jh. hat auch eine Wiederbelebung des Kamelhandels bewirkt, führt zum Schluss unseres Geschichtsmagazins der Archäologe Adrian Bălășescu aus.
„Mit dem Vordringen der Türken nach Europa kehrte auch diese Tierart zurück. Das ist insbesondere in Ungarn für die Zeit vom 15. bis zum 17. Jh. relativ gut dokumentiert. Die Anwesenheit dieser Tiere auf rumänischem Gebiet ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie als Transporttiere für militärische und zivile Zwecke verwendet wurden. Wahrscheinlich wurden sie in Zeiten des Nahrungsmangels auch verzehrt. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es in der türkisch besetzten Region Banat Gasthäuser, in denen Kamelfleisch serviert wurde. Die Anwesenheit dieser Tiere in Rumänien ist bis ins 20. Jahrhundert bezeugt. Es gibt ein Fotoarchiv eines Artillerieregiments aus der Zeit des Ersten Weltkriegs in der Dobrudscha, wo zu sehen ist, dass die Kanonen mit Kamelen befördert wurden.“