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Ionel Brătianu (1864–1927): Ein Liberaler Vorreiter der Modernisierung

Der Politiker Ion I.C. Brătianu, auch als Ionel Brătianu bekannt, gilt als der prominenteste rumänische Politiker, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätig war. Der Mann war ein Visionär und gilt als Modernisierer Rumäniens.

Ionel Brătianu (1864–1927): Ein Liberaler Vorreiter der Modernisierung
Ionel Brătianu (1864–1927): Ein Liberaler Vorreiter der Modernisierung

, 16.10.2017, 17:30

Ionel Brătianu war der älteste Sohn von Ion C. Brătianu, der eine Schlüsselrolle bei der Gründung des modernen rumänischen Staates gespielt hatte. Dieser war einer der Revolutionäre von 1848. Er wurde 1864 geboren und studierte Ingenieurswesen in Frankreich, wie sein Vater. Mit 35 Jahren stieg er in die Politik ein, als Mitglied der Nationalliberalen Partei, und wurde fünfmal Ministerpräsident. Ionel Brătianu war einer der wichtigsten Befürworter des Einstiegs Rumäniens in den 1. Weltkrieg auf der Seite der Entente. Der Diplomat und Rechtsanwalt Alexandru Danielopol hat Brătianu in seiner Kindheit kennengelernt und entstammt selbst der Familie. 1995 wurde er vom Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks interviewt:



Ich bin Angehöriger der Brătianu-Familie und bin stolz, in dieser Familie geboren worden zu sein. Ich bin im Geist der Brătianus aufgewachsen. Familien-Chef war nicht Ionel Brătianu, condern Sabina Cantacuzino. Sie war das älteste Kind von Ion Brătianu, war sehr intelligent und zugleich autoritär. Alle gehorchten ihr. Zweimal im Jahr lud sie die Familie zum Mittagsessen ein, und sowohl Ionel Brătianu als auch seine Brüder Vintilă und Dinu waren immer anwesend. Ionel Brătianu habe ich als Kind kennengelernt. Er und mein Vater hatten eine enge Beziehung.“




Nach der Gründung Gro‎ßrumäniens im Jahr 1918 war Ionel Brătianu hoch angesehen. Danielopol erinnerte sich an die folgende Geschichte:



Ionel Brătianu hatte eine gewisse Ausstrahlung. Ich habe persönlich die folgende Episode von meinem Fenster aus gesehen: Eines Tages kamen einige Streikende zu ihm, das geschah damals nicht allzu oft. Sie begannen zu schreien und hatten Protestschilder, machten da Krawall. Da kamen Polizisten mit Schlagstöcken, aber die Demonstranten hatten nichts getan. Sie standen da im Hof und schrien. Und da öffnet sich die Tür und Ionel Brătianu, mit Mütze und in einem langen Pelz-Mantel, kommt raus. Er sagte zuerst nichts, nur seine Gestik sagte ‚Lasst mich durch!‘. Alle machten den Weg frei, wie Moses das Rote Meer teilte. Brătianu ging bis zum Tor uns sagte: ‚Geht jetzt weg, ihr seid langweilig!‘ Er hat ihnen nichts weiteres gesagt, kein Wort, er hat sie nicht gefragt, was sie möchten. Er war wie ein Heiliger, wie ein Gespenst! Er ging zurück ins Haus uns machte demonstrativ die Tür zu. Alle wollten schnell weg, die Polizei musste nicht mehr einschreiten. Das war Ionel Brătianu!“




Brătianu war auch ein Intellektueller. In seiner ehemaligen Residenz hat heute die Kultur-Stiftung Brătianu ihren Sitz. Alexandru Danielopol berichtet weiter:



Ionel Brătianu war Ingenieur. Und ich muss Ihnen sagen, dass er ein sehr guter Ingenieur gewesen ist. Bevor er in die Politik einstieg, arbeitete er als junger Ingenieur beim Bau der Brücke in Cernavodă. In Paris verbrachte er viel Zeit in der Nationalen Bibliothek. Er borgte Bücher aus und las die ganze Nacht, er besa‎ß ein unglaubliches Wissen. Dieses Wissen stand seiner Liebe für Rumänien nahe. Er wollte unbedingt in die französisch-rumänische Freundschaft rumänische Themen einführen. Dank ihm kämpften wir auf der Front an der Seite der Franzosen, und er meinte, man habe nicht genug über Rumänien und seine Geschichte geschrieben. In der Nationalen Bibliothek Frankreichs hatte er einige Manuskripte gefunden, da ging es um Ludwig XIV., der mit der Walachei Kontakt aufgenommen hatte. Und er zeigte das überall. Während seines Studiums in Paris hatte er Zeit, Bibliotheken und Museen zu besuchen. Er liebte die Kunst und das Schöne. Er war auch in die rumänische Volkskunst sehr verliebt. Sein Haus war voller Bücher und Gemälde wichtiger Künstler. Aber in seinem Zimmer hatte er kleine Objekte. Zum Beispiel ein Kreuz mit kyrillischer Inschrift. Mein Vater sagte mir, im Augenblick seines Todes habe er zu diesem Kreuz geblickt.“




Ionel Brătianu hat die Richtung, in die sich die Welt bewegte, korrekt erkannt. Er war ein Politiker, wie sich jedes Land einen wünschen würde, ein Mensch der Gegenwart, aber auch der Zukunft.

Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

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