Heroenkult in Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg
2014 jährte sich der Ausbruch des 1. Weltkriegs zum 100. Mal. Das Ereignis änderte die Karte Europas und prägte die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich auch ein starker Heldenkult.
Steliu Lambru, 14.12.2015, 17:30
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert, das die Ideen des 19. Jahrhunderts in die Praxis umsetzte, Ideen die ihrerseits während der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Der Sozialismus und der Nationalismus, die anfangs als Ziel die Emanzipation des Individuums und der Gesellschaft hatten, gingen in die Radikalisierungsphase über. Durch den 1. Weltkrieg hat die Menschheit einen Teil der Energie des Radikalismus verbraucht. Ein anderer Teil blieb jedoch unverbraucht und führte dann zum Ausbruch des 2. Weltkriegs.
Die modernen Helden sind Produkte der Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Männer und Frauen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten gingen voller Enthusiasmus an die Front. Die Rumänen waren keine Ausnahme, davon Zeugen die Hunderttausende Gefallenen. 1918 wollten die Hinterbliebenen der zehn Millionen Toten, dass das Opfer ihrer Landsleute nicht in Vergessenheit gerät. So entstand der Heldenkult in seiner grandiosen und monumentalen Form. In Rumänien pflegte insbesondere Königin Maria die Erinnerung an die Gefallenen. Sie war die wichtigste weibliche Persönlichkeit in der Geschichte Rumäniens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Historiker Daniel Gheorghe über die Entstehung des Heldenkults:
Nach dem 1. Weltkrieg sieht der Friedensvertrag von Versailles als Versöhnungs- und Annäherungs-Maßnahme zwischen den Völkern, die im Krieg gegeneinander gekämpft hatten, die Ehrung der Helden vor. Rumänien ist eines der ersten europäischen Länder, das sich verpflichtet, sowohl die eigenen Helden als auch die Helden anderer Völker, die auf rumänischem Boden im Kampf gegen die Rumänen gefallen waren, zu ehren. Der Heldentag wird durch ein Dekret des Königs Ferdinand vom 4. Mai 1920 eingeführt, einen Monat vor der Unterzeichnung des Trianon-Vertrags, durch den die 1918 proklamierte Vereinigung Siebenbürgens und des Banats mit Rumänien nach einen dreijährigen Kampf an der Front und zweijährigen diplomatischen Bemühungen bestätigt wurde. In Paris spielte Königin Maria eine zentrale politische und diplomatische Rolle bei der Anerkennung der Vereinigung.“
Helden wurden immer geehrt. Der moderne Heldenkult ist aber eine Folge des Traumas des 1. Weltkriegs. Historiker Daniel Gheorghe:
Den Heldenkult gab es auch zu Zeiten des Königs Karl I. Es wurden damals insbesondere die Helden des Unabhängigkeitskriegs von 1877–1878 und die aus dem Kampf auf dem Bukarester Spirii-Hügel vom 13. September 1848. Im 1. Weltkrieg hat Rumänien etwa 960.000 Bürger verloren. Die meisten starben infolge von Krankheiten, Epidemien und Dürftigkeit. Gefallen sind mindestens 350.000 Rumänen, 30.000 allein im Kampf von Mărăşeşti im Juli-August 1917. An einem Tag starben in diesem Kampf 6.000 rumänische Soldaten. Das Opfer war enorm und die Ehrung der Helden eine Form der Wertschätzung.“
In den Jahren nach dem Krieg wurden mehrere Monumente zu Ehren der Helden gebaut. Die wichtigsten davon sind das Mausoleum in Mărăşeşti, das Grabmal des unbekannten Soldaten in Bukarest und das Ensemble Heldenweg“ des berühmten Bildhauers Constantin Brâncuşi in der Stadt Târgu Jiu. Daniel Gheorghe dazu:
Der Heroenkult wurde vom Königshaus und von der Orthodoxen Kirche geleitet. Es wurde die Gesellschaft »Heldengräber« gegründet. Vorsitzender dieser war der Metropolit Miron Cristea. In Rumänien gab es Hunderte Friedhöfe rumänischer Helden, aber auch anderer Nationen: Deutsche, Russen, Engländer, Amerikaner, Franzosen, Ungarn, Bulgaren und Polen, die im 1. und 2. Weltkrieg gefallen sind. Die Gesellschaft »Gefallene Helden« unter der Leitung der Königin Maria verwaltete diese. Königin Maria hatte das Rote Kreuz geleitet und war das Mitglied des Königshauses, das dem Leiden der rumänischen Soldaten auf der Front am nächsten gestanden hatte.“
Der Heldentag stellt heutzutage einen Tag für alle rumänischen Helden dar, die im Kampf gegen die Feinde der Demokratie und Freiheit gefallen sind. Der Monat Dezember hat für die Rumänen eine besondere Bedeutung, weil im Dezember der Kommunismus gestürzt wurde. Daniel Gheorghe:
Christi Himmelfahrt wurde zum Heldentag erklärt. Der Heldentag ehrt alle, die ihr Leben für Vaterland und Freiheit in den beiden Weltkriegen, in den kommunistischen Gefängnissen, während des antikommunistischen Widerstands und während der Revolution vom Dezember 1989 geopfert haben. Es hat eine bestimmte Symbolik: das Opfer, das die Erlösung mit sich bringt. Der Patriotismus war der grundlegende Wert, man konnte sich eine Gesellschaft ohne nationale Werte nicht denken. Es gab sogar eine Generation des nationalen Ideals von 1918, eine Generation von Politikern wie die Brătianu-Brüder, Iuliu Maniu, Alexandru Vaida-Voevod, Nicolae Iorga und andere.“