Gheorghe Avramescu – der verschollene General
Nach dem Frontenwechsel Rumäniens im August 1944 war das Verhältnis zur Sowjetunion als neuer Verbündeter ein kompliziertes. Der Fall eines verhafteten und anschließend verschollenen rumänischen Generals war symptomatisch.
Monica Chiorpec, 15.02.2016, 17:30
Einige Monate nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus Rumänien im Zweiten Weltkrieg war die rumänische Armee bereits mit den neuen Alliierten an Operationen in Ungarn und in der Tschechoslowakei beteiligt. Die sowjetischen Militärführer ließen am 2. März 1945 den General Gheorghe Avramescu verhaften, der die vierte Armee an der tschechoslowakischen Front leitete. Das Verschwinden eines der wichtigsten Anführer der rumänischen Armee an jenem Tag führte zu zahlreichen Spekulationen und Vermutungen.
Oberst Dr. Sergiu Balanovici, Historiker und Museograph am Kreismuseum Botoșani, sprach im Interview mit Radio România Actualităţi über die Militärkarriere des Generals Gheorghe Avramescu:
1913 nahm er an der Kampagne der rumänischen Armee in Bulgarien teil. Im selben Jahr begann er, die Kurse der Höheren Militärschule zu besuchen, ein Jahr später brach er das Studium wegen des Ersten Weltkrieges ab. Gheorghe Avramescu schloss später das Studium an der Höheren Militärschule mit dem Jahrgang 1919 ab. Während des Kriegs für die Wiedervereinigung Rumäniens nahm er als Kampagnen- und später als Bataillonsführer an den Kämpfen im Süden der Dobrudscha teil, wo er verwundet wurde. Im Sommer 1917 hatte der Kapitän Avramescu an der Schlacht bei Mărăşeşti teilgenommen. Für die Anerkennung seiner Verdienste wurde er mit dem Orden Stern Rumäniens ausgezeichnet und im September 1917 in einem Ausnahmeverfahren zum Major befördert. Im Jahr 1936 erhielt er den Dienstgrad eines Brigadegenerals und 1940 war er Divisionsgeneral. Alle seine Vorgesetzten wussten seine Tätigkeit ausnahmslos zu schätzen. Er galt als wertvoller Offizier, als vollkommener Befehlshaber aus allen Gesichtspunkten.“
Am 22. Juni 1941 trat Rumänien als Alliierter Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion in den Krieg. General Gheorghe Avramescu habe sich während dieser Zeit an der Front einen Namen gemacht, berichtet Sergiu Balanovici.
Er wird mit der Befreiung der Nord-Bukowina in Verbindung gebracht. Es haben schwere Kämpfe stattgefunden, einschließlich der Schlacht um Hotin, allerdings wurde die Kompanie der Bergjäger sehr gut geleitet. Diese große Militäreinheit trug dazu bei, dass die Aktionen der anderen Bereiche der rumänischen Front deutlich vorverlegt werden konnten. Die dritte Armee begann ihre Offensive in Richtung Bug am 21. Juli, ohne eine operative Pause einzulegen, und sie erreichte den Flusslauf gegen Mitte August, als sie den Brückenkopf erreichte. Diesen hatten die stark mechanisierten deutschen Truppen hergestellt. Die Schlacht im Norden des Asowschen Meeres endete mit dem kategorischen Sieg der deutsch-rumänischen Truppen.“
Nach dem Frontenwechsel am 23. August 1944 übernahmen die Sowjets inoffiziell die Macht in Rumänien. Die rumänische Armee fand sich also in den Händen der dominierenden Mächte wieder, das Land war de facto besetzt, wie Oberst Balanovici erläutert.
Spiegelverkehrt begann sich eine alte Praxis abzuzeichnen, die auch von den Deutschen an der Ostfront angewandt worden war. Und zwar, dass die Vorherrschaft des stärkeren Partners durchgesetzt wurde. So kam es dazu, dass die rumänischen Interessen nicht nur ignoriert, sondern auch geschädigt wurden. Am 7. September 1944 übernahm Marschall Malinowski, der Befehlshaber an der ukrainischen Front, die Kontrolle über alle rumänischen Korps an der Front. Trotz der guten Leistungen im Krieg waren in den Befehlsstellen Spannungen entstanden, aufgrund der Art und Weise, in der man mit den Sowjets zusammenarbeitete. Und die gängige Praxis hier, zu der Avramescu Stellung bezog, war, dass die rumänischen Siege als Erfolge der Roten Armee präsentiert wurden. Avramescu hatte richtig beobachtet, dass es sich dabei um ein politisches Spiel handelte und dass die Sowjets die Absicht hatten, unseren Beitrag zu leugnen, um die Vorteile der gemeinsamen Kriegsführung nicht gewähren zu müssen.“
Am 14. Dezember 1944 warf Avramescu dem Marschall Malinowski entschlossen vor, dass die vierte Armee Rumäniens in keiner offiziellen Mitteilung genannt worden war, nicht einmal ihre Präsenz an der Front wurde erwähnt. Die wiederholten Stellungnahmen des Generals Avramescu sollten die Ehre und Würde der rumänischen Armee wahren. Dadurch wurde der General allerdings bald zur unerwünschten Person im Rahmen der sogenannten Zusammenarbeit mit den Sowjets. Und das führte offenbar zu seiner Verhaftung, unter dem Vorwand der operativen Unfähigkeit und sogar des Verrats durch die rumänische Armee.
Erst 18 Jahre nach der Verhaftung und dem Verschwinden von Gheorghe Avramescu, also 1963, schickten die sowjetischen Behörden eine Antwort auf die Gesuche der Ehefrau des Generals. Die Antwort wurde dem Roten Kreuz in der damaligen Volksrepublik Rumänien zugesandt. In dem Schreiben stand, dass der General Gheorghe Avramescu am 3. März 1945 auf ungarischem Gebiet infolge eines deutschen Luftangriffs ums Leben gekommen war. Der Brief entsprach der sowjetischen Version, die am 22. März 1945, veröffentlicht werden sollte. Demnach wäre Avramescu auf den Hintersitzen des Fahrzeugs gestorben, in dem er von zwei NKVD-Offizieren nach seiner Verhaftung überwacht wurde. Der Konvoi wäre auf ungarischem Gebiet von der Luftwaffe angegriffen worden, wobei die drei sowjetischen Offiziere sich hätten retten können und allein der rumänische General gestorben sei. Avramescu habe nicht die Zeit gehabt, aus dem Automobil zu springen, und sei durch eine deutsche Kugel, die durch die Frontscheibe einschlug, tödlich verletzt worden.
Heute bleibt der wahre Grund der Verhaftung Avramescus schleierhaft. Dennoch gilt heute als sicher, dass das Verschwinden des Generals eng mit den politischen Umwälzungen im März 1945 in Rumänien verbunden ist, als die Regierung von Petru Groza an die Macht kam.