Forschungsprojekt: Frauen in den kommunistischen Gefängnissen
Mit den Untaten des kommunistischen Regimes in Rumänien setzt sich ein einschlägiges Institut auseinander. In Zusammenarbeit mit der britischen Botschaft erforscht man nun die Situation der weiblichen Häftlinge in den kommunistischen Gefängnissen.
Monica Chiorpec, 28.03.2016, 19:38
Am antikommunistischen Widerstand in Rumänien nahmen auch zahlreiche Frauen teil, deren Geschichte wenig bekannt ist. Diese unterstützten entweder ihre Ehemänner, Brüder oder Väter, die Mitglieder der Widerstandsbewegung waren, oder sie schickten Botschaften in den Westen. Das Institut für die Aufklärung der kommunistischen Verbrechen und die Gedächtniskultur des Rumänischen Exils (IICCMER) hat sich in Zusammenarbeit mit der britischen Botschaft in Bukarest vorgenommen, die Geschichten der Frauen, die am Kampf gegen das illegitime, repressive und verbrecherische kommunistische Regime in Rumänien teilgenommen haben, ans Licht zu bringen. Die Untersuchung von alten Haft-Protokollen und Memoiren zeigen, dass diese Frauen in vielen Fällen in den kommunistischen Gefängnissen gestorben sind. Constantin Vasilescu, Forscher am IICCMER berichtet über die Bedeutung dieser Haft-Protokolle:
Das Haft-Protokoll ist praktisch eine Art ‚Reisebericht‘, der jeden politischen Häftling während der Haft begleitete. In einem solchen Dokument waren die wichtigsten Daten eingetragen: Name und Vorname des Häftlings, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnsitz, Datum des Haftantritts, strafrechtliche Einordnung, die Haftanstalten, in denen er war, und andere Details, die für die Forscher sehr wichtig sind. Wir gingen von diesen Daten aus, um einerseits eine gültige quantitative Analyse durchzuführen und andererseits um einen soliden Überblick zu bekommen. Diese Dokumente können aber lückenhaft sein. Ein solches Dokument ist nicht unfehlbar, so wie die meisten Dokumente, die von der Securitate, der Sicherheitspolizei des Regimes, vor 1989 erstellt wurden. Die Haft-Protokolle können gegensätzliche, manchmal sogar falsche Angaben beinhalten, weil in vielen Fällen diejenigen, die sie erstellten, Auszubildende im Bereich der Repression waren. Das war Ausgangspunkt ihrer Ausbildung: die Erstellung des Haft-Protokolls eines ‚Volksfeindes‘.“
In den Berichten, die vom Institut für die Aufklärung der kommunistischen Verbrechen erstellt wurden, erscheinen auch Informationen über die soziale Herkunft der verurteilten Frauen. Die meisten stammten aus ländlichen Gebieten und hatten die Grundschule oder Sekundärstufe abgeschlossen. Es gab sehr wenige verhaftete Frauen, die ein Gymnasium oder eine Hochschule absolviert hatten. 2.860 von 3.802 der weiblichen Gefangenen, deren Dokumente untersucht wurden, waren zu dem Zeitpunkt, als sie verhaftet wurden, keiner politischen Partei oder Organisation zugehörig. Wenige unterstützten die rechtsextreme Organisation Eiserne Garde, die historischen Parteien oder die deutsche Minderheit. Die meisten verhafteten Frauen kamen in einer ersten Phase in die Haftanstalt von Jilava, danach wurden sie weiter nach Mislea, Miercurea Ciuc, Bukarest, Arad und Oradea geschickt. Constantin Vasilescu berichtet weiter:
Von den 76.000 Häftlingen, die von der Datenbank des Instituts erfasst wurden, sind 3.802 Frauen. Gegenüber der Männerzahl ist es eine kleine Zahl. Aus unserer Sicht bedeutet das aber ganz und gar nicht, dass die Frauen weniger mutig als die Männer im Kampf gegen den Totalitarismus waren oder dass sie in einem kleineren Maße bereit waren, sich zu opfern. Dieser Bericht ist in großen Linien ein Spiegel der sozialen Realität von damals. Die Männer dominierten fast vollständig den Entscheidungsprozess und die Politik. Zudem zeigt diese Zahl nicht, dass die Frauen in dieser Periode weniger gelitten haben. Für fast jeden verurteilten Mann gab es eine Großmutter, eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin oder Ehefrau, die, alles Mögliche getan hat, um ihm zu helfen. Im Falle derer, die untergetaucht waren, insbesondere im Fall der Widerstandskämpfer, mussten die Frauen sich mit den Razzien der Sicherheitspolizei konfrontieren, sie erlitten willkürliche Gewalt. Nicht zuletzt möchte ich hervorheben, dass 3.802 keine endgültige Zahl ist, es stellt nur die bis jetzt dokumentierten Fälle dar.“
Beginnend mit 1965 fanden die meisten politischen Verhaftungen unter dem Deckmantel des Strafgesetzes statt — den Polithäftlingen wurden angebliche Straftaten angehängt. Weiter gab es Zwangseinlieferungen in die Psychiatrie. Das war eine der brutalsten Unterdrückungsmaßnahmen des kommunistischen Regimes. Die Zahl der verurteilten Frauen wird mit dem Fortschritt der Forschungen wahrscheinlich steigen. Constantin Vasilescu über die Notwendigkeit eines umfangreichen Berichts:
Das Endergebnis dieser Forschung wird ein Band über die in Rumänien inhaftierten Frauen sein. Wir hoffen, es noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. Vorher soll noch eine einführende Studie veröffentlicht werden, weil die Bewertungs- und Synthese-Arbeit mindestens genauso wichtig ist. In dieser Studie soll die eingesetzte Methodik erklärt werden. Zudem sollen der gesetzliche Rahmen der Unterdrückung sowie wissenschaftliche Statistiken, die Frauen-Haftanstalten, individuelle Fälle und andere solche Daten präsentiert werden.“
Die Zahl der vom kommunistischen Regime inhaftierten Frauen ist höchstwahrscheinlich höher. Viele Haft-Protokolle von der Strafvollzugsanstalt in Jilava nahe Bukarest müssen noch unter die Lupe genommen werden.