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Folterknechte der Diktatur: das Experiment von Piteşti

Anfang der 1950er Jahre wurde im kommunistischen Rumänien ein besonders brutales Experiment durchgeführt: In einem Sondergefängnis wurden die Insassen mit schrecklichen Methoden umerzogen“. Dazu gehörte gegenseitiges Foltern.

Folterknechte der Diktatur: das Experiment von Piteşti
Folterknechte der Diktatur: das Experiment von Piteşti

, 20.05.2019, 17:30

In letzter Zeit erscheint in den rumänischen Medien oft ein Wort mit erschreckender Resonanz: Folterer. Diese sind ins öffentliche Licht gerückt, nachdem einige der letzten Täter, die in den 1950er Jahren, während der wildesten stalinistischen Periode, politischen Gefangene schrecklich gefoltert haben, zu Haftstrafen verurteilt wurden. Obwohl das Wort eine genaue Bedeutung hat, bekam es wegen seines unsachgemä‎ßen Gebrauchs, und zwar wegen seiner Verwendung für all jene, die in kommunistischen Gefängnissen und in der totalitären Justiz gearbeitet haben, einen anderen Sinn.



Der Folterer war gleicherma‎ßen Opfer und Henker. Einige dieser unschuldigen Menschen, die in kommunistischen Gefängnissen angekommen waren, wollten dem Kerker entkommen. Und entweder wegen körperlicher Schwäche oder aufgrund eines hässlichen Charakters versuchten sie, auf Kosten ihrer Leidenskollegen bessere Haftbedingungen zu bekommen. So nahmen sie am sogenannten Experiment von Piteşti“ teil. Das war eine Form der Umerziehung, die ihre Quellen in der sowjetischen Theorie und Praxis hatte. Die Persönlichkeit eines Menschen wurde durch kontinuierliche Folter verändert; die Weltanschauung, die persönlichen Werte und Überzeugungen wurden gelöscht und durch andere, kommunistische, ersetzt. Das Experiment begann im Jahr 1949 im Gefängnis in Piteşti und dessen Ergebnisse hätte man landesweit anwenden sollen. Der berüchtigtste Folterknecht von Piteşti war Eugen Ţurcanu.



Das Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunk besitzt Interviews mit Überlebenden des Umerziehungsexperimentes von Piteşti. Der ehemalige politische Gefangene Sorin Bottez wurde im Jahr 2001 interviewt. Sogar nach so vielen Jahren fiel es ihm schwer, über das Piteşti-Experiment zu sprechen, ohne emotional zu werden:



Es ist ein besonders trauriges und sehr schmerzhaftes Thema. Trotz der Tatsache, dass ich einer der wenigen Überlebenden bin, die während der Umerziehung nicht nachgegeben haben und ihre Ehre oder Überzeugungen nicht über Bord geworfen haben, zögere ich, andere zu beschuldigen, weil ich wei‎ß, wie schrecklich diese Zeit war. Au‎ßer denen, die das getan haben, ohne selbst gefoltert worden zu sein, sondern einfach aus Abscheulichkeit oder Feigheit. Diese Menschen verurteile ich, ich würde sie gerne an den Pranger gestellt sehen, was wohl nie passieren wird. Aber es muss eine klare Unterscheidung geben zwischen denen, die während der Umerziehung nachgegeben haben, die über die Widerstandsfähigkeit des Gehirns hinaus gefoltert wurden, denn es war eine Frage des Gehirns, nicht der Muskeln oder Sehnen, und denen, die alle diese Gräueltaten begangen haben, weil ihnen das Blaue vom Himmel versprochen wurde. Das sind die wahren Verbrecher, die niedrigen Bastarde! Einige haben das, was sie verdient haben, bekommen, sie wurden von den Kommunisten verurteilt und hingerichtet. Leider nur einige von ihnen.“




Wir stellen uns oft vor, dass das Böse eine bestimmte Gestalt hat. Das es furchteinflö‎ßend aussehen müsste, um zu zeigen, was es ist. Aber dem ist nicht so, es sieht aus wie jeder Mensch. Aristide Lefa hat den Folterer Eugen Ţurcanu kennengelernt. Im Jahr 2000 erinnerte er sich an ihn:



Ţurcanu war eine Art Chef, sogar der Anstaltsdirektor fürchtete sich vor ihm, er schlenderte frei durchs Gefängnis, hatte alle Schlüssel, natürlich mit Zustimmung des Innenministeriums. Direktor Dumitrescu fürchtete ihn, musste aber mit ihm zusammenarbeiten. Ţurcanu ging durch das Gefängnis, regelte alle Details, ordnete Prügel an. An dem Abend, als ich entlassen wurde — wir waren etwa 50 Personen, die zum Sanatorium geschickt wurden, von denen nur 18 dort ankamen –, stand ich mit dem Gepäck in der Hand, um zum Bahnhof gehen. Da kam Ţurcanu raus vom Direktor, rot im Gesicht, vor Aufregung oder Wut, was wei‎ß ich… Er sah uns an und dachte wahrscheinlich: ‚Die entkommen mir!‘ Und dann ging er. Es war das letzte Mal, dass ich Ţurcanu gesehen habe.“




Ion Fuică, ein anderer ehemaliger Polithäftling, erinnerte sich im Jahr 2000 an die schrecklichen Prügelorgien, die von Ţurcanu organisiert wurden:



Da kamen die schlimmsten Schlägertypen. Die führten dich in die Kammer 4 des Krankenhauses, wo Ţurcanu war. Ţurcanu sa‎ß an einem Tisch, der Raum hatte einen Holzofen, man spürte diesen angenehmen Holzgeruch. Hier fanden die Geständnisse statt. Es gab reichlich Papier und Bleistifte und du musstest schreiben. Am zweiten oder dritten Tag kam dann Ţurcanu und sagte: ‚Was ist das, soll das ein Geständnis sein?! Glaubst du, dass das Ermittlungen sind?‘ Von den schriftlichen Geständnissen ging man zu den mündlichen über. ‚Hast du nicht das und das deiner Mutter angetan? Wie, du gibst das nicht zu?!‘ Und dann folgte Prügel. Schläge bis zur Bewusstlosigkeit. Ein anderer wurde gezwungen, seinen eigenen Urin zu trinken, das habe ich mit meinen Augen gesehen, der arme Mann. Das ist zwar bekannt, ich wollte es aber bestätigen, dass ich es gesehen habe, dass es keine Geschichten sind.“




Wenn es keine Zeugnisse und schriftlichen Quellen gäbe, würden die meisten Leute denken, dass der Folterknecht eine Figur in Horrorromanen ist. Doch die wahren Schrecken der Vergangenheit übertreffen bei weitem die Fiktion der Literatur und der Kinowelt.

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