Erster Weltkrieg: Die Schlacht um Verdun und der Kriegseintritt Rumäniens
Die aufreibende Schlacht um Verdun 1916 hatte für den weiteren Verlauf des Ersten Weltkriegs eine wichtige Bedeutung. Indirekt auch für das bis dahin neutrale Rumänien, das 1917 auf Seite der Entente in den Krieg eintrat.
Steliu Lambru, 15.08.2016, 17:45
Die Schlacht von Verdun trägt die Übernamen Die Mutter aller Schlachten“ und Der Schlachthof“. Sie war das größte Blutbad an der Front des Ersten Weltkrieges. Die Meinungen der Historiker und der Chronisten über die genaue Zahl der Toten und Verletzten gehen zwar auseinander, aber eines steht fest: Sie hat ein erschütterndes Ausmaß, von mehreren Hunderttausenden erreicht. Die Bedeutung der Festung von Verdun war kolossal für die Gemütsverfassung der Franzosen und für das Schicksal des ganzen Krieges. Die Hartnäckigkeit der deutschen Armee, die französische Armee zu zermahlen und niederzuschmettern, stieß auf den außergewöhnlichen Widerstand der letzteren. In Verdun wurde in den Reihen der französischen Armee der mobilisierende Aufruf Ils passeront pas!“ (Sie werden nicht durchkommen!“) ins Leben gerufen. Dieser wurde auch von der rumänischen Armee übernommen, ein bisschen abgeändert und in den Schlachten von Mărăşeşti, Mărăşti und Oituz in den Ostkarpaten im Sommer 1917 eingesetzt: Hier kommt man nicht durch!“ (rum. Pe aici nu se trece!“).
Die Schlacht um Verdun vor 100 Jahren ist auch für Rumänien entscheidend gewesen, denn sie sie läutete den Eintritt des Landes in den Großen Krieg ein, in dem es bis dahin neutral gewesen war. Rumänien hatte 1883 ein Abkommen mit den Mittelmächten vereinbart und verkündete beim Ausbruch des Krieges 1914 seine Neutralität. Rumänien trat der Allianz mit Deutschland und Österreich-Ungarn nicht bei, weil die nationalen Rechte der Rumänen in den Gebieten der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht eingehalten wurden. Trotzdem liefen die Wirtschaftsbeziehungen Rumäniens mit den Mittelmächten in den zwei Jahren der Neutralität weiter. Das rumänische Erdöl und die Lebensmittel versorgten die Armeen der Mittelmächte.
Die Aufgabe, Rumänien an die Entente zu binden, wurde Russland überlassen, das der Meinung war, dass die Ansprüche Rumäniens auf eine Verbesserung der Rechte der Rumänen außerhalb des Altreichs Rumänien übertrieben seien. Die Schlacht von Verdun war der Wendepunkt, nach dem Rumänien eine historische Entscheidung treffen musste. Frankreich war wackelig, der Widerstand in Verdun wurde bis an seine Grenzen auf die Probe gestellt und die Entente zielte auf eine Abschwächung der deutschen Offensive ab. Die Strategie der französischen Militärs war, eine neue Front im Osten zu eröffnen, um die deutschen Truppen zum Abzug zu zwingen und um den Druck auf Verdun zu senken. Zur Anbindung an die Entente hätte Rumänien überredet werden müssen, dieser Strategie zuzustimmen und sich dafür einzusetzen. Dazu gehörten diplomatische Verhandlungen und die Kunst der Überredung. Diese Aufgabe kam dem neu ernannten französischen Botschafter in Bukarest zu, weiß der Historiker Sergiu Iosipescu vom Institut für Politikstudien im Bereich Verteidigung und Militärgeschichte:
Am 5. Juli 1916 übermittelte Graf Saint Aulaire, einen Tag vor seiner Abreise nach Bukarest, dem französischen Präsidenten die Botschaft des rumänischen Premiers Brătianus an Lahovary, den rumänischen Gesandten in Paris. Brătianu versprach den Eintritt Rumäniens in den Krieg in 5-6 Wochen, wenn in diesem Zeitraum die Lieferung der angeforderten Munition beginnt. Absolut bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Vorhersage des französischen Generals Lyautey, des Förderers des Grafs Saint Aulaire auf dessen Botschafter-Posten in Rumänien: ‚Graf, ich habe über Ihre Situation nachgedacht. Ganz ehrlich: Ich glaube, dass ich Sie beglückwünschen muss. Ich habe die Landkarte Mittel- und Osteuropas bekommen. Ich habe festgestellt, dass Rumänien mehr wachsen und sich besonders verwirklichen wird, wenn eher die Zentralmächte denn Russland besiegt werden. Die rumänische Öffentlichkeit, die stark genug war, um einen Hohenzollern-König von dem Bündnis mit Deutschland zur Neutralität zu bewegen, wird diesen von der Neutralität zum Eingriff bewegen. Rumänien wird der Geste Italiens folgen, die Wage wird sich früher oder später zugunsten des Eingriffes neigen.‘“
Für den Eintritt Rumäniens in den Krieg machte die Entente ein mehr als großzügiges Angebot. Es handelte sich um die Territorien in Österreich-Ungarn, die mehrheitlich von Rumänen bewohnt waren, und um Versprechen über die Garantien nach Ende des Krieges. Trotz des Ehrgeizes Frankreichs, Rumänien in die Allianz mit der Entente zu bringen, waren noch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Rumänien hatte keine Armee, die fähig gewesen wäre, einen Krieg dieses Ausmaßes zu führen. Zweitens bildeten die Befürworter einer Allianz mit den Mittelmächten eine konsistente und einflussreiche Gruppierung in der rumänischen Gesellschaft. Die Hartnäckigkeit der germanophilen Partie und ihrer frankophilen Widersacher widerspiegelte sich auch in der Weise, wie die rumänische Presse die Schlacht von Verdun und den Verlauf des Krieges allgemein rüberbrachte. Generell war die Berichterstattung von den frankreichnahen oder deutschlandnahen Vorlieben der Verleger beeinflusst. Der Historiker Sergiu Iosipescu vom Institut für Politikstudien im Bereich Verteidigung und Militärgeschichte erläutert:
Die allgemeine politische Orientierung der Zeitungen beeinflusste die Weise, wie die Kommentare und die Nachrichten verfasst wurden. Die Zeitungen »Adevărul« und »Universul« waren eindeutig frankophil, »Minerva« war dafür bekannt, dass sie von einem deutschen Konzern bereits im September 1914 übernommen worden war. Dennoch war auch im Fall des Blattes »Minerva« der Versuch eines einigermaßen objektiven Ansatzes festzustellen. Im Laufe der Zeit ging aber die Objektivität der Publikation »Minerva« zurück, was man den Ausgaben vom 24. und vom 26. Juli 1916 entnehmen kann. Am 24. Juli schrieb »Minerva«, dass die englisch-französische Offensive die Aufgabe der französischen Truppen bei Verdun nicht einfacher mache. Am selben Abend konnte man in der Zeitung »Adevărul« die Aussage des Generals Joffre lesen, laut der ein Sieg der Alliierten sicher war. Am 26. Juli, dem 5. Tag der gemeinsamen englisch-französischen Offensive, schrieb »Minerva«, dass die Offensive der Entente gescheitert war und dass die Verluste der Engländer und Franzosen riesig waren. In der Zeitung »Universul« waren die Überschriften am selben Tag viel informativer und die Informationen viel ausführlicher. In der Zeitung »Adevărul« vom 26. Juli wurden die Unstimmigkeiten der offiziellen deutschen Mitteilungen hervorgehoben.“
Die Entscheidung Rumäniens, in den Krieg einzutreten, erwies sich unter den volatilen Entwicklungen als besonders schwierig. Der Wunsch, dass die Rumänen außerhalb des Altreichs zu Bürgern eines größeren rumänischen Staates werden, und die klare Vision von Ion I.C. Brătianu, dem größten rumänischen Politiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, waren allerdings ausschlaggebend. Auch wenn sie nicht im Gemetzel von Verdun starben, brachte die europäische Verrücktheit des Krieges die Rumänen vor 100 Jahren unter ihren Bann. Und das bezahlten sie mit ihrem Blut.