Die kommunistische Kaderschmiede „Ştefan Gheorghiu“
Das kommunistische Regime wollte nach der Machtübernahme die neue Ideologie in allen Bereichen durchsetzen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Kaderschmiede Stefan Gheorghiu“, an der Personal für den Partei- und Staatsapparat geschult wurde.
Steliu Lambru, 04.08.2014, 15:56
Der Kommunismus war als Doktrin, Gesellschaftsform und politisches Regime die erste Ideologie, die behauptet hat, nur auf rationaler Erkenntnis zu beruhen. Alles, was seinen Prinzipien nicht entsprach, musste verschwinden. Die Suche nach der Wahrheit, auf der die neue Gesellschaft aufgebaut werden sollte, die Erkenntnis und die Forschung mussten neu durchdacht werden. Aus diesen Gründen wurde die Akademie für sozial-politische Wissenschaften Ştefan Gheorghiu“ gegründet. Diese sollte als Kaderschmiede dienen.
Die Akademie wurde am 21. März 1945 von der kommunistischen Partei unter dem Namen Arbeiter-Universität der Rumänischen Kommunistischen Partei“ gegründet. Der Institution war die Rolle zugedacht, das traditionelle Konzept der Universität zu bekämpfen. Der Name Ştefan Gheorghiu“ stammt von einem sozialistischen Vorkämpfer des 19. Jahrhunderts. Der Historiker Cosmin Popa vom Geschichts-Institut Nicolae Iorga“ in Bukarest erläutert die Umstände:
Die Gründung der Akademie für soziale Wissenschaften am Anfang der 1970er Jahre kann als eine Hinwendung des kommunistischen Regimes in Rumänien zum Konservatismus angesehen werden. Es war auch ein klares Signal, dass die Partei und ihr Anführer eine bestimmte Ideologie durchsetzen wollten. Der massive Wandel in den Machtstrukturen, die Wiedereinführung der kollektiven Leitung und der internen Partei-Demokratie, die Fortsetzung der Reform-Prozesse, um Antworten auf die Herausforderungen des dynamischen Kapitalismus zu finden, sind typische Entwicklungen in allen kommunistischen Staaten in den 1960er und 1970er Jahren.“
Dem kommunistischen Regime in Rumänien hat die Legitimität gefehlt. Die herausragendsten Intellektuellen wollten mit diesem nicht zusammenarbeiten. Mitte der 1960er Jahre öffnete sich das Regime gegenüber den Intellektuellen. Viele haben dann das Angebot nicht mehr abgelehnt. Historiker Cosmin Popa:
Das Ende der 1960er Jahre stellte für Nicolae Ceauşescu den Moment dar, in dem er aus den Bemühungen in der Beziehung zur intellektuellen Elite Nutzen ziehen wollte. In einer Rede vom September 1969, die die Botschaften Ceauşescus beim 10. Parteitag detaillieren und verfeinern sollte, erklärte Paul Niculescu-Mizil, Mitglied des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei, dass die Gegensätzlichkeit zwischen der neuen und der alten Intelligenz überwunden wurde. Rumänien verfügte seiner Ansicht nach über eine Intellektuellenschicht, die zum Großteil aus den Reihen der Arbeiter stammte. Die Rede bot eine Reihe von Interpretationsarten der Partei-Politik in puncto rumänischer Kommunismus an: die Beziehung der Partei zu den Intellektuellen und die Gliederungs-Prinzipien des Bildungs- und Forschungs-Systems. Diese ging von einer korrekten Voraussetzung aus. Die Gesellschaft befand sich mitten in einer wissenschaftlichen Revolution, die die politische Bedeutung der Intellektuellen aufwertete. Das brachte auch einen Wandel in den ideologischen Verwaltungs-Institutionen dieser Intellektuellen mit sich. Vom Erfolg ihrer Unternehmungen hing der Aufbau des Kommunismus ab.“
Am 3. Oktober 1971 kam die Entscheidung des Exekutiv-Komitees des Zentral-Komitees der kommunistischen Partei betreffend die Organisierung der Akademie für sozial-politische Bildung und die Weiterbildung der Leitungs-Kader von Ştefan Gheorghiu“. Die Akademie hatte als Aufgabe, neue Kader in allen Bereichen auszubilden. Diese sollten dann Ämter im Partei- und Staats-Apparat bekleiden. Das Misstrauen des Regimes gegenüber der ideologischen Tätigkeit der traditionellen Forschungs-Institutionen ließ die Akademie Stefan Gheorghiu“ eine immer wichtigere Rolle spielen. Historiker Cosmin Popa dazu:
Die ideologische Kontrolle der sozialen Wissenschaften war nicht das Hauptziel dieser Unternehmungen. Keiner bezweifelte die Wirksamkeit der angeordneten Kontrollmaßnahmen, denen sich Intellektuelle in öffentlichen Institutionen fügen mussten. Die Partei-Anführer zielten auf einen erhöhten Professionalismus der politischen Verantwortlichen und auf eine effizientere Ausgabe der Ressourcen ab. Insbesondere die Wirtschaftler standen in der Kritik von Ceauşescu und der Propaganda-Verantwortlichen. Das Regime fühlte sich ausreichend konsolidiert, um nicht mehr auf die Strafdimension der ideologischen Kontrolle zu beharren. Die Partei fühlte aber in ihrem Dynamismus ein gewisses Unbehagen gegenüber den bürgerlichen Gliederungsformen der wissenschaftlichen Forschung und der beruflichen Anerkennung. In der Auffassung Ceauşescus hatten sich die traditionellen Forschungsstätten einem veralteten Weltbild des realitätsfernen Intellektuellen verschrieben und entsprachen somit nicht den Anforderungen, die die rapide wirtschaftliche Entwicklung mit sich brachte. Darüber hinaus bereiteten die traditionellen intellektuellen Milieus auch den Kadern der Agitprop Kopfzerbrechen.“
Trotz des Ehrgeizes des Regimes, eine Elite-Universität zu gründen, wurde die Akademie Ştefan Gheoghiu“ als ein Instrument des Regimes empfunden. Bis zum Fall des Kommunismus wurde sie als Institution des repressiven Apparats wahrgenommen. Sie verschwand gleich nach der Revolution vom Dezember 1989.
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