Der Zweite Wiener Schiedsspruch (1940)
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Rumänien gezwungen, Nordsiebenbürgen zeitweilig an Ungarn abzutreten. In Pro memoria werden die Umstände erläutert, die dazu geführt haben.
Steliu Lambru, 08.09.2014, 11:44
In den 40er Jahren führte Rumänien eine Aussenpolitik, die dem Land die Integrität seiner Grenzen garantieren sollte. Ab 1938 begann Deutschland in Europa die politischen Fäden zu ziehen, während Frankreich und Grossbritanien eine defensive Politik führten. Rumänien rückt näher an Deutschland, das einzige Land, das seine Grenzen garantieren konnte. Die Annäherung erfolgt jedoch spät, nach der Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940. Ungarn und Bulgarien, die Alliierten Deutschlands, die teritorielle Ansprüche gegenüber Rumänien hatten, haben von ihrer günstigen Position profitiert.
Gheorghe Barbul nahm an den Verhandlungen teil, infolge derer Rumänien im Sommer 1940 gezwungen wurde Nordsiebenbürgen an Ungarn überzugeben. In einem Interview von 1995 für das Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks errinert er sich an die Umstände der Annäherung Rumäniens an Deutschland:
„Der Brief Hitlers vom 15. Juli 1940 ist eine Antwort auf den Brief von König Karl, in dem dieser die Freundschaft Rumäniens anbot. In diesem Brief spricht er über die teritoriellen Probleme. Rumänien hätte von den Nachbarn Gebiete annektiert, als ihre Machtposition ihr das erlaubt hatte. Jetzt, als diese Machtposition verschwunden war, schien es normal für Hitler, dass ein Abkommen zwischen Rumänien und Ungarn einerseits und Rumänien und Bulgarien andererseits ausgehandelt wird. Bessarabien hatten wir schon verloren. Hitler sagte, dass Deutschland das Interesse an Südost Europa verlieren werde, sollte eine Abmachung nicht erreicht werden. Deutschland war stark genug, um auch auf unser Erdöl zu verzichten. Es war eine Art Ultimatum. Hitler sagte praktisch, ihr werdet alleine auskommen müssen, wenn ihr mit euren Nachbarn nicht verhandeln wollt. Da gab es in erster Reihe die Feindseligkeit Russlands, dann Ungarns und Bulgariens. Es war eine sehr schwierige Situation.”
In der gegebenen Lage, zeigt sich Rumänien bereit Verhandlungen mit Ungarn und Bulgarien einzuleiten. Am 16. August 1940 beginnen in der südwestlichen rumänischen Stadt Turnu Severin die rumänisch-ungarischen Verhandlungen. Die ungarische Delegation forderte von der rumänischen Delegation unter Leitung von Valer Pop ein Gebiet von 69 Tausend Quadratkilometern, mit einer Bevölkerung von 3,9 Millionen Einwohnern. Gheorghe Barbul, Sekretär der rumänischen Delegation errinert sich an die Stimmung:
“Wir hielten uns auf einem Schiff im Hafen von Turnu Severin auf ung gingen zur Prefäktur oder zum Rathaus um die Ungarn zu treffen. Die ungarische Delegation wurde von Graf Horthy geführt. Die Gespräche dauerten 3 oder 4 Tage. Jeden Tag geschah dasselbe. Die Ungarn fragten: Welche Territorien seid ihr bereit uns zu übergeben? Valer Pop, der Chef der rumänischen Delegation antwortete immer: Es gibt keine territorielle Angelegenheit zwischen Rumänien und Ungarn, es ist eine Sache der Nationalitäten. Wir übergeben ein Territorium, das für den Bevölkerungstausch zwischen Rumänien und Ungarn ausreicht. Das bedeutete die Ungarn aus dem Zentrum Siebenbürgens, die Ungarn in Targu Mures und aus anderen Gebieten hätten an unsere Westgrenze übersiedelt werden sollen. Weiter hätte man die Rumänen aus den westlichen Gebieten in die von den Ungarn verlassenen Gebieten versetzt. Das war die rumänische These, die die Ungarn nicht akzeptierten und am kommenden wiederholten sie die Frage: Auf welche Territorien verzichtet ihr? Und Valer Pop gab dieselbe Antwort. Nachher zog er sich zusammen mit Horthy in ein Zimmer zurück. Am Tisch standen die Ungarn auf einer Seite und die Rumänen auf der anderen Seite und wir diskutierten. Diese Gespräche haben zu keinem Ergebnis geführt. Die Verhandlungen in Turnu Severin wurden dann abgebrochen ohne etwas Positives zu erreichen.”
Ungarn war mit dem Ergebnis des Treffens unzufrieden und forderte Deutschland und Italien auf einzugreifen und zu schlichten. Am 26. August 1940 laden die Aussenminister Deutschlands und Italiens, Ribbentrop und Ciano, die beiden Seiten zur Schlichtung ein. Das Treffen fand in Wien statt. Rumänien wurde von seinem Aussenminister Mihail Manoilescu vertreten. Gheorghe Barbul dazu:
“Es gab keine Verhandlungen. Manoilescu, der unsere Delegation leitete, wurde die neue Landkarte Rumäniens vorgestellt. Manoilescu wurde ohnmächtig. Er österreichischer Arzt mass seinen Blutdruck. Er konnte nicht weiteres tun, als Bukarest zu informieren. Bukarest zögerte in einem ersten Moment. Es dauerte bis die Zustimmung aus Bukarest kam. In der Zwischenzeit erklärten die Deutschen, dass es eine Vereinbarung zwischen der Sowjetunion und Ungarn gab. In Falle eines Scheiterns der Schlichtung in Wien, sollte ein gemeinsamer Militäreinsatz gegen uns stattfinden sollen. Die Russen sollten bis zu den Ostkarpaten vorrücken und die Ungarn tief in Siebenbürgen. Am 24. August haben uns schon die Deutschen informiert auf dem Pruth gebe es einen Aufmarsch von sowjetischen Truppen. Das scheint war gewesen zu sein, aber auch heute kann man nicht genau sagen, ob es sich um eine Erpressung gehandelt hat oder es der Wirklichkeit entsprach.”
Ribbentrop und Ciano warnen Manoilescu, eine neue Verweigerung seitens Rumänien würde schwerwiegende Folgen für Rumänien haben. Der Kronrat kam in Bukarest zusammen und entschied mit 19 Stimmen dafür und 10 dagegen das Schiedsspruch der Achse zu akzeptieren. Am zweiten Tag, haben die vier Delegationen im Belvedere-Schloss den Schiedsspruch unterzeichnet. Durch diesen ging Nordsiebenbürgen an Ungarn über. Vier Jahre später, infolge noch härterer Verhandlungen gewann Rumänien Nordsiebenbürgen wieder zurück.