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Der Leibeigenen-Aufstand in Siebenbürgen 1784

Am 1. November 1784 starteten Scharen von siebenbürgischen Leibeigenen einen Aufstand gegen ihre Grundherren. Der Adel hatte sich geweigert, die Lockerung der Abgabepflichten umzusetzen, die von Kaiser Josef II. beschlossen worden war.

Der Leibeigenen-Aufstand in Siebenbürgen 1784
Der Leibeigenen-Aufstand in Siebenbürgen 1784

, 27.07.2015, 17:29

Am 1. November 1784 starteten Scharen von siebenbürgischen Leibeigenen einen Aufstand gegen ihre Grundherren. Der Adel hatte sich geweigert, die Lockerung der Abgabepflichten umzusetzen, die von Kaiser Josef II. beschlossen worden war. Angeführt von den Bauern Horea, Cloşca und Crişan setzten die Aufständischen die Residenzen des Adels in Brand, zerstörten ihre Güter und töteten sogar diejenigen, die sich ihnen widersetzten. Der Aufstand sollte am 30. Januar 1785 mit der Festnahme der drei Anführer ein Ende nehmen.



Der Aufstand vor 230 Jahren habe vor einem bestimmten Hintergrund stattgefunden, erklärt der Historiker Ioan Aurel Pop, Akademiemitglied und Universitätsprofessor in Cluj (Klausenburg):



Das alles findet Ende des 18. Jahrhunderts statt, des sogenannten Jahrhunderts der Aufklärung, in dem sich ein weitreichender Revolutionsgeist zusammenbraute. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Aufstand fünf Jahre vor Beginn der gro‎ßen Französischen Revolution ausbrach, in einer Zeit, in der die revolutionären Ideen in Europa und den zukünftigen Vereinigten Staaten von Amerika in Umlauf waren. Es waren die Ideen der Aufklärer, von Jean-Jacques Rousseau bis hin zu Voltaire, der Grundgedanke war Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Da Siebenbürgen damals Teil eines mitteleuropäischen Reiches war, wanderten diese Ideen von einem Ende bis zum anderen Ende des Kontinents. Auch wenn die meisten Aufständischen, also Horea, Cloşca, Crişan und andere, Bauern waren, einige darunter Halb-Analphabeten oder sogar Analphabeten, hatten diese Ideen sie erreicht. Und das führte zur Entstehung eines Umfeldes, in dem gewisse Seiten des feudalen Obrigkeitsdenkens abgeschüttelt werden konnten, etwa durch die Verweigerung der Abgabepflicht, die die Bauern belastete. Es herrschte ein allgemeines Bestreben nach mehr Gleichheit, der Wunsch einer Eigenverantwortlichkeit der politischen Entscheidungsträger. Die sehr gro‎ßzügige Idee, die damals aufkam, war, dass man durch Bildung und Unterricht die Freiheit erreichen kann.“




Historiker sind sich einig, dass während der Aufklärung das Nationalgefühl der Völker geweckt wurde. Und das trifft auch auf den Bauernaufstand von 1784-1785 in Siebenbürgen zu, glaubt Ioan Aurel Pop:



Es hat eine nationale Dimension dieses Aufstandes gegeben, weil die Bauern, die sich gegen ihre Grundherren aufgelehnt hatten, in ihrer überwältigenden Mehrheit Rumänen waren. Die Grundherren, die Adligen also, waren grö‎ßtenteils Ungarn. Als der Aufstand im vollen Gange war, als der Höhepunkt erreicht wurde, waren die Bauern mit den Rumänen und die Adligen mit den Ungarn gleichzusetzen. In vielen Fällen vermischten sich die Losungen der Aufständischen: Die Bauern riefen nicht immer ‚lasst uns den Adel bekämpfen‘, sondern ‚lasst uns gegen die Ungarn kämpfen, die uns unterdrücken‘. Und der ungarische Adel rief nicht ‚lasst uns die Bauern zerschlagen‘, sondern ‚zerschlagen wir die Walachen‘. Und überhaupt, während des Aufstandes war es nicht so, dass die Bauern bei ihren Vorstö‎ßen auf die Anwesen der Adligen diese ganz einfach töteten. Nein, manche von ihnen wurden verschont, man zwang sie auf das rumänische Kreuz zu schwören, rumänische Tracht anzuziehen, und setzte sie gewisserma‎ßen mit den Idealen der Unterdrückten gleich.“




Die drei Anführer der Aufständischen wurden zur Abschreckung der Bevölkerung hart bestraft. Crișan erhängte sich noch während seiner Haft, Horea und Cloșca wurden am 28. Februar 1785 durch Rädern öffentlich hingerichtet und anschlie‎ßend gevierteilt. Wieviele Bauern starben bei dem Aufstand und welche waren die Folgen, fragten wir Ioan Aurel Pop.



Man geht davon aus, dass die Adligen, ihre Kriegstruppen und die Regimente der Habsburger 450-500 Bauern töteten. Die Bauern haben nicht mehr als 150 Adelige getötet. Das Verhältnis der Opfer könnte mit anderen Worten allenfalls 1:3 ausgefallen sein. Die Bauern mussten also dreimal so viel einstecken wie der Adel, sicherlich waren sie auch deutlich in Überzahl. Es wäre auch sehr schwierig, das Ausma‎ß der Sachschäden zu evaluieren. Während derartiger Aufstände werden Wertsachen zerschlagen, Residenzen zerstört. Doch neben den eigentlichen Sachschäden erzeugte der Aufstand einen Ideenstrom, der aus vielen Gesichtspunkten Emanzipation aufkommen lie‎ß. Und auch die Obrigkeit traf in Siebenbürgen Ma‎ßnahmen zur Modernisierung der Verwaltung, zur Aufhebung bestimmter Praktiken des Lehnswesens. Eine weitere Folge des Aufstandes war auch die Versetzung mehrerer Hundert Bauern aus dem Apuseni-Gebirge, um den Kampfgeist in Keim zu ersticken.“




Manche Historiker vermuten hinter dem Kampfgeist des Rebellenführers Horea eine Gewisse Nähe zu den Freimaurern. Ioan Aurel Pop steht der These eher skeptisch gegenüber.



Ich bin von dieser Theorie überhaupt nicht überzeugt, da es sehr wenige Quellen gibt, die zudem nicht allzu präzise sind. Es gibt in der Tat gewisse Hinweise darauf, aber gleichzeitig überwiegen die Gegenargumente. Man hat sehr viel über Horea geschrieben, über seine Familie. In der Boulevardpresse, die in Wien und anderen europäischen Hauptstädten immer mehr Zulauf fand, dort, wo das Publikum das Ungewöhnliche suchte, gab es Nachrichten über Frau Horea. Sie soll Hüte wie in Paris und hohe Absätze getragen haben. Sie war aber eine Bäuerin. Deshalb müssen diese Vermutungen über die Zugehörigkeit Horeas zu den Freimaurern mit grö‎ßter Zurückhaltung betrachtet werden, weil man nicht einmal genau bestimmen kann, ob Horea schreiben und lesen konnte. Es gibt noch eine kleine Kirche, die er dekoriert haben soll, wo eine eingeschnitzte kyrillische Inschrift offenbar die ‚Arbeit von Horea Ursu‘ belegt. Wir wissen aber nicht genau, ob die Inschrift von ihm stammt. Er war ein aufgeklärter Bauer, der als Anführer von Massen geboren wurde, es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass er den Freimaurern hätte beitreten können. Denn die Freimaurerlogen hatten eine bestimmte Struktur und strenge Aufnahmekriterien. Es gibt also keine klaren Beweise für diese These und ich glaube nicht, dass der Aufstand in irgendeiner Hinsicht unzertrennlich zu seiner nachgesagten Zugehörigkeit zu den Freimaurern in Verbindung steht.“




Horea, Cloşca und Crişan sind jedenfalls als Kämpfer für Würde und Gleichheit in die Geschichte eingegangen. Und das vor dem Hintergrund eines Jahrhunderts, das die Erfüllung höchster Ideale in glänzender Manier in Aussicht stellte. Die Anführer des Bauernaufstandes wählten eine radikale Lösung, die von der Mehrheit der Bauern nicht angenommen wurde, jedoch der Ausdruck einer Überzeugung jener Zeiten war.

Patriarhul Daniel (foto: Agerpres)

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