Bukarest unter deutscher Besatzung (1916–1918)
Im Dezember 1916 wurde Bukarest von den Armeen der Zentralmächte besetzt und die rumänischen Behörden fanden in Iaşi Zuflucht.
Steliu Lambru, 09.01.2017, 17:30
Rumänien wurde von dem äußerst barschen Besatzungsregime als besiegtes Land behandelt. Der für Rumänien unterdrückende Frieden wurde im März 1918 in Bukarest unterzeichnet, jedoch niemals von König Ferdinand I. ratifiziert. Zum Glück dauerte die Besatzung bis November 1918, als der 1. Weltkrieg, der 10 Millionen Tote hinterlassen hat, zu Ende ging.
Gemeinsam mit dem Historiker Sorin Cristescu von der Bukarester Spiru Haret Universität sind wir der Frage nachgegangen, was das Besatzungsregime der deutschen Armee, das bei ihrem Einmarsch in Bukarest eingeführt wurde, für Rumänien dargestellt hat.
Der Einzug erfolgte in mehreren Reihen. Marschall Mackensen fuhr in einem Kabriolett und erreichte vor den österreichisch-ungarischen Truppen den Königspalast, der ihm als Residenz angeboten wurde. Er nahm dieses Angebot aber nicht in Anspruch, sondern ließ sich im Haus Meitany nieder. In der Stadt wurde die Militärverwaltung eingeführt. Diese dauerte, dem Chronisten jener Zeit, Virgiliu Drăghiceanu, zufolge, 707 Tage. Er schrieb auch ein Buch mit diesem Titel: »707 Tage unter der Kultur der deutschen Faust«.“
Die Besatzung war barsch. Die Sieger nutzen die Schwäche der Verlierer voll aus und handelten willkürlich, wie der Historiker Sorin Cristescu anmerkt:
Das war eine organisierte Beraubung der Zivilbevölkerung. Diese wurde gezwungen, große Zuckermengen und Bettwäsche zu spenden. Alle Roste und Metalle wurden aus Bukarest weggenommen, sogar einige Kirchenglocken wurden verwendet, um deutsche Kanonen zu gießen. Die Besatzung bedeutete Verkehrseinschränkungen. Man hat versucht, die Straßenhunde mit Waffen auszurotten. Wenn wir dem Politiker Constantin Argetoianu und dem, was er in seinen Memoiren geschrieben hat, Glauben schenken, wurden alle Prostituierten in eine Kaserne bei Mizil eingeliefert. Dort wurden sie medizinisch untersucht. Die kranken unter ihnen wurden auf Kosten des Staates behandelt. Allerdings hatten die Deutschen auch Bewunderer, darunter die konservativen Politiker Alexandru Marghiloman und Petre P. Carp. Carp sagte, dass die ‚Straßen von Bukarest niemals so gut gefegt waren. Diese Deutschen müssten noch weitere 10 Jahre bei uns bleiben, damit sie Menschen aus uns machen.‘ Die Beraubung der Zivilgesellschaft, der Landwirtschaft, der Ölförderung war aber immens, denn die Ölpumpen wurden zerstört. Mackensen hatte 100.000 Gefangene zur Verfügung. Er befragte diese, wer in der Ölindustrie gearbeitet hatte. Wer da gearbeitet hatte, durfte in Rumänien bleiben. Die anderen wurden nach Deutschland geschickt. Somit wurde die Ölindustrie binnen sechs Monate auf die Beine gestellt.“
Wie verhielten sich aber die anderen Besatzungstruppen? Sorin Cristescu:
Die Bulgaren erlangten eine traurige Berühmtheit durch die Plünderung der berühmten Konditorei »Capşa«, wo es eine Auslese feiner Liköre gab, und durch den Raubüberfall auf die Bibliothek der rumänischen Akademie, von wo sie versucht haben, einige Schriftstücke zu stehlen. Der wichtigste Augenblick war der Januar 1917, als die Bulgaren die Gebeine des Heiligen Dimitrie Basarabov entwendet haben. In diesem harten Winter luden sie diese in einen Wagen, der kurz vor dem Donauübergang kaputt gegangen ist. Auch wenn der Wagen nicht kaputt gegangen wäre, hätte Marschall Mackensen diesen versuchten Diebstahl trotzdem gestoppt. Der Kunsthistoriker Alexandru Tzigara-Samurcaş ging zu Mackensen und erklärte ihm die Lage. Mackensen war einverstanden, dass die Bulgaren sofort gefangen und die Gebeine zurückerstattet werden. Was die türkischen Soldaten anbelangt, erfreuten sie sich der beiden Kanonen, die die Statue Michael des Tapferen flankierten. Es handelte sich um zwei Kanonen, die in Plewen 1877 von der rumänischen Armee erobert wurden. Die türkische Armee gewann diese ‚glorreich‘ zurück. Mit den österreichisch-ungarischen Besatzungstruppen hat es keine besonderen Probleme gegeben.“
Die Eroberung Südrumäniens und Bukarests war ein wahrhaftiger Schlag der Zentralmächte. Alle, die darüber berichteten, behielten denselben Eindruck. Sorin Cristescu:
Wenn wir die manchmal lustigen Memoiren der Deutschen lesen, die an der Besatzungskampagne Rumäniens teilgenommen haben, erfahren wir, dass diese den Namen »Kampagne des fetten Hahns« getragen hat. Das heißt, dass man riesige Mengen Nahrung gefunden hat. Die Deutschen gingen in die Restaurants und bestellten alle Vollmenüs. Natürlich haben sie dafür bezahlt und nach Belieben gegessen. Das Problem war, dass jene Soldaten, die für die zweite Frontlinie bestimmt waren, sich nach einigen Wochen so gut erholt hatten, dass sie von den Ärzten als geeignet für die erste Frontlinie eingestuft wurden. Somit fingen sie an, allerlei Krankheiten zu erfinden. Nach Einführung der Besatzung beschloss General Curt von Morgen, dass jeder Soldat jeweils 12 Kilo Nahrungsmittel nach Hause schickt. ‚Wehe dem Soldaten‘, schrieb Von Morgen, ‚der aus der Beurlaubung mit etwas Essen in seiner Tasche zurückkommt.‘ Keiner durfte aus Deutschland mit Essen zurückkommen, denn in Deutschland verhungere man einfach während des Kriegs. Ohne die Eroberung Südrumäniens und der Bărăgan-Steppe wäre die Lage sehr ernst gewesen. So kündigte man auch in Deutschland an, dass Rumänien erobert wurde, obwohl das nicht wahr war, denn nur zwei Drittel des Landes waren gefallen. Diejenigen, die Verwandte in der Besatzungsarmee in Rumänien hatten, waren unbesorgt, denn es wurde nicht mehr gekämpft und sie erhielten monatlich 12 Kilo Nahrung. Dann fiel im Sommer 1917 die Botschaft wie ein Donner ein: Mindestens 10.000 Deutsche waren bei Kämpfen in Ortschaften mit seltsamen Namen ums Leben gekommen: Mărăşti, Mărăşeşti, Oituz.“
Die Besatzung Bukarests endete nach fast zwei Jahren im November 1918. Anschließend herrschte große Freude, man kehrte zurück zum normalen Alltag und Rumänien konnte mit der Vereinigung Siebenbürgens, des Banats und Bessarabiens mit dem Altreich sein Staatsgebiet sogar vergrößern.