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Ausländische Diplomaten in Rumänien als Zeitzeugen: Der Graf von Saint-Aulaire

Auguste-Félix-Charles de Beaupoil, Graf von Saint-Aulaire, kam im Sommer 1916 als Botschafter Frankreichs nach Bukarest.

Ausländische Diplomaten in Rumänien als Zeitzeugen: Der Graf von Saint-Aulaire
Ausländische Diplomaten in Rumänien als Zeitzeugen: Der Graf von Saint-Aulaire

, 30.01.2017, 19:34

Der Graf wurde 1866 geboren und ist 1954 gestorben. In seinem Buch Notizen eines Botschafters von einst. Rumänien 1916-1920“ berichtet er über den tiefgreifenden Wandel, den Rumänien in dieser Zeitspanne durchmachte. 1916 war das Jahr, in dem Rumänien in den 1. Weltkrieg eingestiegen ist. Das Buch ist eine der wichtigsten Informationsquellen über die politischen Machtspiele und Tragödien, die sich am Ende des 1. Weltkriegs abspielten. Saint-Aulaire unterstütze den Kriegseintritt Rumäniens. Er war ein Gegner des Kommunismus und ein Freund Rumäniens. Die Historikerin Alina Pavelescu über die Memoiren von Saint-Aulaire:



Die erste Geschichte, die ich im Buch gelesen habe, handelte vom Treffen von Saint-Aulaire mit dem französischen Premierminister Aristide Briand in dessen Büro, bevor er nach Rumänien kam. Und er schreibt: ‚Sein Büro war papierarm, so wie sein Kopf ideenarm war.‘ Plötzlich wurde er mir sehr sympathisch und ich dachte, ihm müssten all diejenigen, die es aufschieben, die Papiere auf ihrem Büro in Ordnung zu bringen, danken. Ich empfehle, das Buch zweimal zu lesen. Die erste Lektüre verläuft sehr schnell für uns Rumänen, weil sie für uns vorteilhaft ist. Saint-Aulaire liebte Königin Maria. Er erzählt sehr schön über die Fähigkeit der Rumänen, sich zu opfern, und über die Gro‎ßzügigkeit ihres Opfers. Er berichtet über die politische Klasse Rumäniens so, wie wir es nicht gewohnt sind. Umso mehr da er gegenüber den französischen Politikern sehr kritisch ist.“




Der Graf Saint-Aulaire beweist, dass er die Welt, in der er angekommen war, sehr gut verstanden hat. Alina Pavelescu glaubt, dass uns die zweite Lektüre die Bemerkungen des Autors näher bringen wird.



Ich empfehle auch eine zweite Lektüre, weil Saint-Aulaire nur anscheinend leicht zu lesen ist. Warum? Er ist ein Adeliger, der eine Republik vertritt, er war ein konservativer Mensch im Dienst einer linksorientierten Regierung. Er war Zivilist und, wie auch viele andere, in einem von Krieg und Armee dominiertes Umfeld, von Soldaten und von ihrer Logik eingeschüchtert. Wir wissen, wie das Ende ausgeschaut hat, aber wenn wir die Memoiren von Saint-Aulaire lesen, wissen wir das nicht. Es stimmt zwar, dass er seine Memoiren erst 1953 geschrieben hat. Er kannte damals schon das traurige Schicksal Gro‎ß-Rumäniens. Einige seiner kritischen Meinungen über den Frieden nach dem 1. Weltkrieg werden bestätigt. Er wei‎ß aber nicht, wie die Welt, die nach dem Erfolg der Sowjetunion im 2. Weltkrieg entstand, zu Ende ging. Jedes Mal wird der Leser auf unterschiedliche Ebenen versetzt. Als Franzose stammte er aus einer Gesellschaft, die eher russland- als rumänienfreundlich war. Saint-Aulaire konnte die Russland-Freundlichkeit nicht ausstehen.“




Interessant ist es auch, wie Saint-Aulaire von den anderen empfunden wurde. Der Literaturhistoriker Dan C. Mihăilescu dazu:




Der Liberale Politiker I.G. Duca dominierte die ganze diplomatische Welt, er beobachtete und verstand ganz gut die Gesten und Worte der Diplomaten und verglich sie: den Russen Poplewski, der von seinen eigenen Bolschewiken nicht gut angesehen wurde, mit Lord Barclay, der unter dem Einfluss des Bankiers Jean Chrissoveloni stand. Er berichtet auch über Saint-Aulaire: ‚Gott, dieser Mensch war ehrlich.‘ Wie alle Franzosen wusste er nicht, wie er sich anzupassen hatte. Der arme Saint-Aulaire wusste nicht, wie er sich zwischen den Konservativen von Marghiloman und Carp, die Deutschland-Freunde waren, und den Frankreich-Freunden Brătianu, Duca, Königin Maria und Barbu Ştirbey bewegen muss. Duca zeigt aber, wie er sich langsam anpasst und wie dieser Franzose ein Experte im Bereich der merkantilen Psychologie der Rumänen wird.“




Wie auch aus seinen Memoiren hervorgeht, war der Graf von Saint-Aulaire ein Visionär — er hat das Versagen des Kommunismus vorausgesehen. Der Literaturhistoriker Dan C. Mihăilescu weiter mit seinen Leseeindrücken:



Ich bewundere diesen Menschen, weil er in einem linksorientierten Europa den Mut hatte, rechtsorientiert, konservativ zu bleiben. Während des Bürgerkriegs in Spanien stand er an der Seite der Nationalisten von Franco. Saint-Aulaire war der Urgro‎ßenkel des Oberst Beaupoil, der während der Französischen Revolution, einer europäischen Katastrophe und Vorreiterin der bolschewistischen Revolution, bei Vendée gekämpft hat. Dieser Mann stand der politischen Spitze Rumäniens sehr nahe, jener Generation von Politikern, die Gro‎ßrumänien entstehen lie‎ßen. Er ist ein gro‎ßartiger subjektiver Zeitzeuge wichtiger historischer Ereignisse. Gleichzeitig verstand er es auch, die kleine Geschichte, die Pikanterien der Zeit und die Machenschaften der französischen Diplomatie wiederzugeben, die Seilschaften, den Neid und die Günstlinge blo‎ßzustellen, die es in jeder Diplomatie gibt.“




Das Buch des Grafen Saint-Aulaire ist das Buch eines Menschen, der die Welt um sich verstanden hat und ihre schwarze Zukunft vorausgesehen hat.

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