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Archäologie im Dienst des kommunistischen Regimes

Die Forschung hatte ethnozentristische Thesen zu legitimieren

Archäologie im Dienst des kommunistischen Regimes
Archäologie im Dienst des kommunistischen Regimes

, 09.05.2022, 13:25

Die wissenschaftliche Forschung in einem totalitären Regime oder einer Diktatur wird vom Staatsapparat streng kontrolliert. Die Zensur und Repression sind nicht nur untrennbare Bestandteile der Struktur von Diktaturen, si bilden sogar ihren harten Kern. Der kommunistische Staat war in Rumänien auf die Ideologie angewiesen, um zu funktionieren. Historische Erkentnisse wurden von der Securitate, dem Repressionsapparat im kommunistischen Rumänien, mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt und ideologisch kontrolliert. Der Prozess der Ideologisierung der humanwissenschaftlichen Disziplinen war Teil der Propaganda. Auch die Geschichtswissenschaft und mit ihr die Archäologie konnte sich dem nicht entziehen. Im Falle einiger Geschichtswissenschaftler griff das Regime sogar direkt und brutal vor. Der Repressionsapparat inhaftierte Historiker des ehemaligen Regimes, entweder wegen ihrer politischen Positionen oder wegen ihrer wissenschaftlichen Ansichten. Berühmte Historiker wie Gheorghe Brătianu, Constantin C. Giurescu, Petre P. Panaitescu, Silviu Dragomir und andere wurden seit den 1950er Jahren verhaftet. Einige starben im rumänischen Gulag, wie Gheorghe Brătianu, andere überlebten bis 1964, dem Jahr der Amnestie für alle politischen Gefangenen.



Der Archäologe Marian Cosac ist Professor an der Universität Valahia in Targoviste und Herausgeber eines Bandes mit ausgewählten Dokumenten aus den Archiven der ehemaligen Securitate über die Art und Weise, wie der kommunistische Geheimdienst Rumäniens vor 1989 die archäologische Forschung aus den Kulissen steuerte. Auch in der Archäologie griff die Securitate brutal ein, gab Forschungsthemen sogar vor und erzwang Thesen. Es ging den Geheimpolizisten darum, bestimmte Ideen mit Forschungsergebnissen zu untermauern. Die Entstehung des rumänischen Volkes und seine Kontinuität in Siebenbürgen, der Maramuresch, dem Banat und der Dobrudscha war mehr als nur eine Idee, die aus einer archäologischen Forschung hervorgehen musste. Die Nationalkommunisten waren davon besessen, es war der wichtigste Schluss, zu dem Forscher kommen mussten. Diesen rumänischen Provinzen wurde aufgrund der historischen Konflikte zu Nachbarn wie Ungarn und Bulgarien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Jede Studie musste das Argument Rumäniens legtimieren, mit dem die genannten Gebiete 1878 und 1918 mit Rumänien vereinigt worden waren. Dies war jedoch nicht ausschlie‎ßliche Praxis für die rumänische Politpolizei. Auch Repressionsapparate in anderen kommunistischen Ländern griffen auf die gleiche Art von Legitimiation zurück. Wir haben Marian Cosac gefragt, wie die Securitate früher den Archäologen Forschungsaufgaben und Thesen zugewiesen hat.



„Die Securitate verfügte über ein gro‎ßes, sehr breites Netz von Informanten in den Museen Rumäniens, in allen geschichtlichen Museen. Dieses Netzwerk von Spitzeln war die eigentliche Garantie für die nach ihrer Ansicht wissenschaftlich korrekte Interpretation der archäologischen Daten. Die Geheimpolizisten waren ja nicht in der Lage, die Sprache der Archäologie zu verstehen. Leider kamen die Vorwürfe, sich nicht an die vorgegebene historische Wahrheit zu halten, also von Kollegen und nicht von Agenten. Insofern solche Auseinandersetzungen dem Geheimdienst bekannt waren, wurde dort eine Akte angelegt. Einige Archäologen, die gut begründete wissenschaftliche Standpunkte vertraten, sahen sich plötzlich in die Position von Geschichtsfälschern und Staatsfeinden gedrängt,“ sagt Forscher Marian Cosac.



Das Eingreifen der Staatssicherheit in die archäologische Forschung hatte auch persönliche Konsequenzen. Es gab Fälle von Forschern, die den Mut hatten, sich gegen die grobe und mystifizierende Einmischung der Behörden in die akribische Arbeit eines Archäologen zu wehren – Florin Medeleț vom Geschichtsmuseum Timiș hat unter diesem Widerstand gelitten, wie Marian Cosac erzählt:


Florin Medeleț ist einer der Archäologen, die durch eine, sagen wir, unglückliche Entdeckung die Aufmerksamkeit der Securitate auf sich zogen. Es handelte sich um drei römische Ziegel, die bei einer Ausgrabung am Fundament eines Blocks entdeckt wurden. Diese drei römischen Ziegelsteine wurden von dem eigentlich auf die Neuzeit spezialisierten Historiker Ioan Dimitrie Suciu als eindeutiger Beweis für die Kontinuität und Präsenz der Römer im Banat interpretiert. Suciu ging davon aus, dass sich auf dem Timișoara-Stadthügel eine römische Festung befunden hatte, und die drei Ziegelsteine waren für ihn der unbestreitbare Beweis dafür. Als Archäologe lehnte Medeleț diese Hypothese ab, und aufgrund dieser Ablehnung wurde gegen ihn ein Geheimdienstverfahren eröffnet, das schwerwiegende Folgen für seine wissenschaftliche und sogar persönliche Entwicklung hatte. Er wurde als Direktor entlassen und auf die niedrigste Stufe, die des Museografen, zurückgestellt. Es wurde ihm verboten, archäologische Studien zu veröffentlichen, er wurde verfolgt und daran gehindert, sich für einen Doktortitel zu bewerben. Die direkten Auswirkungen auf Florin Medeleț waren katastrophal, dabei war er unbestrieitbar eine Persönlichkeit der archäologischen Forschung im Banat, ein Mentor der archäologischen Schule,“ eröffnet Geschichtswissenschaftler Marian Cosac.



Zwischen 1945 und 1989 war die Archäologie eine der Disziplinen, in denen die Ideologie die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse beeinflusste. Darunter litt die neutrale Forschung und viele wissenschaftlich legitime Schlussfolgerungen blieben in der Schublade.

Timişoara, 35 years ago (photo: Costantin Duma)

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