RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

Arbeiterrevolte vom 13. Dezember 1918: Chaotische Zustände nach dem Krieg

Das Ende des Ersten Weltkrieges war nicht gleichbedeutend mit dem lang ersehnten Frieden. Europa war dem Krieg entkommen, aber der Kontinent war in eine turbulente Phase eingetreten, in der Revolutionen und anhaltende Konflikte zu Unsicherheit führten.

Arbeiterrevolte vom 13. Dezember 1918: Chaotische Zustände nach dem Krieg
Arbeiterrevolte vom 13. Dezember 1918: Chaotische Zustände nach dem Krieg

, 31.12.2018, 17:30

Die bolschewistische Revolution von 1917, die in Russland den Sieg der Kommunisten möglich gemacht hatte, war nur der Anfang der Anarchie. Und das traf auch auf Rumänien zu. Überall in Europa versuchte die kommunistische Agitation, die Wunden und Folgen des Ersten Weltkrieges zu nutzen, um eine Gesellschaft nach den Schriften von Marx und Engels zu gründen. Darin sollte die Abschaffung von Privateigentum und die Tilgung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen das Glück für die Allgemeinheit bringen. Allerdings wollten die europäischen Gesellschaften den Frieden und sie reagierten zum Teil angesichts der Gefahr, die sie in der sowjetischen Führungsform sahen.



Auch in Rumänien bildeten sich radikale Gruppen von Kommunisten und Sozialisten, die versuchen wollten, die Macht an sich zu rei‎ßen. Etwa die Aktion vom 13. Dezember 1918 an der Calea Victoriei (Siegesstra‎ße) in der Nähe des Königspalastes. Die Vergeltungsma‎ßnahmen der Regierung waren hart und führten zum Verlust von Menschenleben. Doch zunächst die richtige Abfolge der Ereignisse, die zum Höhepunkt am 13. Dezember geführt hatten: Den Anfang bildete ein Streik der Druckerei-Arbeiter für höhere Löhne und für den 8-Stunden-Arbeitstag am 6. Dezember sowie die Ankündigung einer weiteren Aktion am 13. Dezember.



Aus dem neuen Streik wurde eine Protestdemonstration, an der sich die Sozialisten beteiligten und bei der Parolen gegen die rumänische Armee, für die Entthronung des Königs und die Proklamation der Republik skandiert wurden. General Emilian Ionescu war 1918 Leutnant. In einem Interview aus dem Archiv des Zentrums für Mündliche Geschichte der rumänischen Rundfunkanstalt von 1979 berichtete er von den damaligen Ereignissen.



Ich kann mich erinnern, dass der 13. Dezember ein düsterer Tag war, ein sehr kalter Tag, und auf einmal wird General Ştefănescu in seinem Kabinett in der Polizeipräfektur in der Calea Victoriei informiert, dass sich Arbeitergruppen auf dem Nationaltheaterplatz versammeln. Anschlie‎ßend ging ich mit ihm zu Fu‎ß dorthin, und in der Tat versammelten sich Gruppen von Arbeitern vor dem Postpalast und machten sich auf den Weg, die Calea Victoriei hinunter. Eine andere Gruppe hatte sich im Haus der Gewerkschaften versammelt, wo heute der Neue Palastsaal steht. Drei Regimenter waren nach Bukarest berufen worden: Das Jägerregiment Nr. 9 unter dem Kommando von Oberst Rasoviceanu, das Husarenregiment Nr. 4 unter dem Kommando von Oberst Moruzi und das Grenzerregiment Nr.1 unter dem Kommando von Oberst Stănescu. Diese drei Regimenter, die sich an der Kriegsfront einen Namen gemacht hatten, waren nach Bukarest als ‚Vertrauensregimenter‘ geholt worden. Auch das Regiment der Gebirgsjäger unter dem Befehl des damaligen Kronprinzen Karl war einberufen worden.“




Und die Geschichte jenes Tages, des 13. Dezember 1918, sei in der Calea Victoriei, an der Kreuzung mit der Ion-Câmpineanu-Stra‎ße geschrieben worden, wie General Emilian Ionescu sich erinnert.



Als diese Menschenkolonnen sich vor dem Nationaltheater versammelten, einige aus der Richtung der Post kommend und andere die Câmpineanu-Stra‎ße hinauf, sprach eine Delegation der Arbeiter bei General Ştefănescu vor und forderte die Genehmigung, zu demonstrieren. Die Arbeiter wollten vor den Königspalast gehen und König Ferdinand an sein Versprechen von 1917 erinnern. Im März 1917 hatte dieser im Vorfeld der Schlacht vor den Toren der Moldau den Truppen einen Tagesbefehl gegeben und dabei gesagt, sie würden nach dem Krieg Land, Brot und Freiheit erhalten. Und sie baten also den General um die Erlaubnis, an dem Palast vorbeizugehen, um Seine Majestät an die Versprechen zu erinnern, die er vor den Schlachten von Mărăşti, Mărăşeşti und Oituz gemacht hatte.“




Die Radikalisierung der Demonstranten und die Dialogverweigerung der Behörden waren die Ursachen für das blutige Ende der Aktion, berichtete General Emilian Ionescu im Interview von 1979.



General Ştefănescu geht direkt in die Academiei-Stra‎ße, wo sich das Innenministerium befand, und unterhält sich dort am Kommandopunkt mit General Mărgineanu, aber das Ministerium lehnt letzten Endes die Anfrage der Arbeiter ab. Die militärischen Einheiten des Jägerregiments Nr. 9 und die Grenzsoldaten stellten die sogenannten Sicherheitsabsperrungen her. Alle Menschen waren ziemlich angespannt. Und dann kommt es zu einem Gerangel: Diejenigen, die aus der Câmpineanu-Stra‎ße kamen, wollten lautstark durch die Absperrung hindurch. General Mărgineanu, der genervt war, weil er erkannt hatte, dass es Kämpfe geben könnte, befiehlt den Aufmarsch einer Maschinengewehrtruppe aus Prinz Karls Regiment von Bergjägern. Diese Truppe, bestehend aus vier Maschinengewehren, wird in Kampfstellung vor dem heutigen Romarta-Geschäft aufgestellt, mit den Maschinengewehren in Richtung Câmpineanu-Stra‎ße.“




Die Aktion der Einsatztruppe hat 16 Tote und Dutzende Verletzte unter den Arbeitern zur Folge. Nach der Machtübernahme in den Jahren 1945–1947 zählte das kommunistische Regime 102 Tote und Hunderte Verletzte. Im Zuge der Ermittlungen war der während der Demonstration festgenommene Sozialist Ion C. Frimu verstorben. Emilian Ionescu wies auf die Regelwidrigkeiten der Aktion der Behörden an diesem Tag hin.



Das Regelwerk der öffentlichen Ordnung sah vor, dass bei Demonstrationen ein Militärstaatsanwalt und ein Trompeter aufrücken sollten, um die jeweiligen Aufforderungen zu machen. Es gab vor Ort keinen Staatsanwalt, keinen Ordnungshüter und keinen Trompeter, der das Warnsignal hätte geben können. Auch bei solchen Gelegenheiten wird nicht direkt auf die Demonstranten geschossen, sondern es werden nur Warnschüsse abgegeben. Doch die Maschinengewehr-Truppe feuerte direkt in Richtung der versammelten Menge ab. Nach den ersten Schüssen, die über die Câmpineanu-Stra‎ße in der Nähe des Theaterplatzes hinwegfegten, gab es 87 Todesopfer, darunter viele Kinder und Frauen.“




Obwohl die Anzahl der Todesopfer umstritten ist, waren die Umstände, unter denen diese Menschen ihr Leben verloren haben, völlig au‎ßergewöhnlich. Das Chaos am Ende eines destruktiven Krieges und die blutrünstigen totalitären Utopien, die gerade geboren wurden, sind der Beweis, dass nur die Demokratie Lösungen für eine Rückkehr zur Normalität bieten kann.

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre
Pro Memoria – zur Geschichte Rumäniens Montag, 16 September 2024

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre

Das Ende des Ersten Weltkriegs hatte eine angespannte Atmosphäre und von Ressentiments geprägte europäische Beziehungen hinterlassen. Die...

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre
Der Plan Z

Der Plan Z

Die nach 1945 besetzten Länder Mittel- und Osteuropas, denen kommunistische Parteiregime aufgezwungen wurden, hatten praktisch keine nationalen...

Der Plan Z
Teatrul Național Radiofonic

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

  RadioRomaniaInternational · Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg   Hörspiele für Kinder aus dem...

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg
Cămilă (foto: pixabay.com)

Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet

  RadioRomaniaInternational · Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet   Die Geschichte der Menschheit...

Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet

Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus

Im heutigen Geschichtsmagazin ist Steliu Lambru der Frage nachgegangen, wie die Sklaverei an der westlichen Küste des Schwarzen Meers in der Antike...

Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus

Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

Das sozialistische Rumänien verfolgte – wie viele Staaten des Ostblocks – eine Politik der differenzierten Hilfe für die...

Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

Die Rassenhygiene und ihre symbolische Verurteilung in Rumänien

Die Haltung der Menschen gegenüber ihren Mitmenschen im Laufe der Zeit ist ein hochsensibles Diskussionsthema in der heutigen...

Die Rassenhygiene und ihre symbolische Verurteilung in Rumänien

Zum 100. Geburtstag des Journalisten Mircea Carp

Carp war Radiojournalist und arbeitete für die wichtigste freie Presse Rumäniens nach 1945, für Voice of America und Radio Freies...

Zum 100. Geburtstag des Journalisten Mircea Carp

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company