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Alba Iulia vor 100 Jahren: Wie es zur Vereinigung kam

Am 1. Dezember 1918 wurde die Nationalversammlung der Rumänen in der siebenbürgischen Stadt Alba Iulia (dt. Karlsburg oder Weißenburg), in der heutigen Landesmitte einberufen.

Alba Iulia vor 100 Jahren: Wie es zur Vereinigung kam
Alba Iulia vor 100 Jahren: Wie es zur Vereinigung kam

, 03.12.2018, 17:30

Im Rumänischen Nationalrat beschlossen die sechs Mitglieder der Rumänischen Nationalpartei und die sechs sozialistischen Mitglieder, dass die Zukunft der Rumänen aus Österreich-Ungarn mit dem Staat Rumänien zusammenhängen sollte. In Alba Iulia wurden 1228 Abgeordnete gewählt, die eine Resolution verabschiedeten, durch die Siebenbürgen sich mit dem Königreich Rumänien vereinigte.



Diesen Höhepunkt nationaler Begeisterung vor 100 Jahren beschreibt der Historiker und Politikwissenschaftler Daniel Barbu wie folgt, er ist Professor an der Fakultät für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Bukarest:



Was ist damals passiert? Es gab eine frontale und dramatische Kollision zwischen zwei Formen der Souveränität. Das frühe römische Recht hatte zwei Auffassungen, die nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär empfunden wurden. Man sah das Ganze als ständige Auseinandersetzung mit Argumenten und Gegenargumenten. Und zwar, die »maiestas« des Volkes, d.h. die Souveränität des Volkes und das »imperium«, d.h. die Souveränität der Beamten, des Staates, des Senats, der Konsuln, Zensoren und so weiter. Was geschah 1918 zu Beginn des Winters in Siebenbürgen, und ich stelle hiermit die Verbindung mit dieser römischen Terminologie her? Siebenbürgen war eine Provinz ohne Staat, die ungarische Krone löste sich gerade auf, sie befand sich in einer Art Schockstarre, konnte also nicht reagieren. Wenn ich »Krone« sage, beziehe ich mich auf ihre Magistraten, d.h. Präfekten, Gendarmerie-Kommandanten und alle, die die öffentliche Ordnung und Souveränität der gro‎ß-ungarischen Nation gewährleisteten, die unter der Form eines »Imperiums« vom Parlament, dem König und den Regierungsdelegierten in Regionen und Grafschaften ausgeübt wurden. Diese Autorität existierte nicht mehr.“




Vor dem Hintergrund der entstandenen Verwirrung hätten die Rumänen auf das Ziel der Selbstbestimmung hingearbeitet, sagt Daniel Barbu.



Und doch haben wir in diesem Zusammenhang einen Ausbruch, eine Explosion der Majestät, die Souveränität des Volkes. Vor allem die Volksgruppe der Rumänen, insbesondere diejenigen, die durch zwei relativ gleichrangige Parteien im Parlament in Budapest vertreten waren und etwa den gleichen Einfluss hatten: die Rumänische Nationalpartei einerseits und der rumänische Ableger der Sozialdemokratischen Partei Ungarns zum anderen organisierten einen Wahlprozess. Soweit ich wei‎ß, war dies der einzige Wahlprozess der Neuzeit, der nicht von einer Regierung oder einer öffentlichen Behörde, sondern, wie wir seit 40 Jahren sagen würden, der Zivilgesellschaft organisiert wurde. Ich meine damit allerdings nicht, dass es ein sehr demokratischer Prozess war. Die mikrogeschichtlichen Daten, die wir über die Wahl der Delegierten in jedem der Orte haben, zeigen, dass ein Verfahren aus der römischen Zeit zur Anwendung kam, nämlich die Akklamation. In der Regel waren es zwei, drei oder vier Persönlichkeiten aus dem jeweiligen Dorf, d.h. der Priester, der Grundbesitzer, falls er Rumäne war, der Notar, der Lehrer oder ein reicherer Bauer usw., die durch Beifall, durch einen Konsens also, die Autorität zur Vertretung der gesamten Gemeinschaft erhielten. Es war ein mühseliger Prozess, der fast einen Monat gedauert hat und der jene Besonderheit der Geschichte ausmacht, die die Gründung einer extrem starken politischen Bildsprache mit tiefgreifenden demokratischen Konnotationen hätte darstellen können. Wo sonst oder wann sonst hat sich eine relativ gro‎ße Gruppe von Menschen, ohne Präfekten, Gendarmen und Polizisten, ohne jegliche Unterstützung, Ermutigung oder Finanzierung durch eine Behörde in einem Wahlprozess organisiert, der zu einer verfassungsgebenden Versammlung führte, der von Alba Iulia?“




Aber es waren trübe Zeiten, das Ende des Ersten Weltkrieges hatte die in den Jahren zuvor unterdrückten Erwartungen und Reaktionen hochgespült. Professor Daniel Barbu sagt, die Demokratie hätte auf neue Grundlagen gelegt werden können, aber es sollte nicht so kommen.



Zweifelsohne hat die konstituierende Versammlung von Alba Iulia in ihrer, ebenfalls durch Zuruf, einstimmig angenommenen Resolution nicht die Abstimmungsmethode angewandt. Darin ging es um die Einheit und die bedingte Vereinigung mit dem Königreich Rumänien. Es ging auch um die Gründung eines rein demokratischen Regimes, das hei‎ßt eines authentischen Regimes. Hier stellt sich eine Frage: Waren die Teilnehmer der Versammlung von Alba Iulia, oder zumindest diejenigen, die die Resolution formuliert und sie für den Zuruf der Bevölkerung vorgelegt haben, selbst Demokraten? Es waren eindeutig rumänische Patrioten. Es waren Leute, die lange Zeit parlamentarische Erfahrungen gesammelt hatten, sie hatten das Wissen und die Praxis der Politik auf ihrer Seite. Ich vermute aber, dass sie keine Demokraten waren und das sollte sich in den Monaten darauf zeigen. Was passierte zum Beispiel am 6. Dezember? Am 6. Dezember besetzt die rumänische Armee Siebenbürgen. Das hat wesentlich dazu beigetragen, die Grenzen festzulegen und vor allem den Frieden im Land wiederherzustellen. Wir haben sehr deutliche Zeitzeugnisse. Ion Lapedatu spricht in seinen Memoiren, auf den Tagebuchseiten, die genau in jenen Tagen geschrieben wurden, davon, dass ‚die Dörfer sich bewegen‘. Wenn wir über die Räterepublik nach sowjetischem Vorbild sprechen, denken wir nur an Budapest und Ungarn jenseits der Thei‎ß, aber ganz Europa, einschlie‎ßlich England, war von einem revolutionären Schaudern erfasst. Städte wie Turin, München, Berlin wurden viele Monate unter der roten Flagge von Soldaten und Arbeiterverbänden geführt. Ähnliche Dinge hatten in Siebenbürgen begonnen. ‚Die Dörfer bewegen sich‘, klagte also Lapedatu. Was bedeutete dies? Die Bauern teilten das Land unter sich auf und nicht immer bedeutete das, dass der Gutsbesitzer ungarisch war, die Bauern gingen zum Notar und verbrannten die Archive, in denen ihre Schulden verbucht waren. Es gibt eine ganze ländliche Bewegung, die die Revolution nachahmt.“




Vor 100 Jahren war Alba Iulia also das Zentrum des Rumänentums in Siebenbürgen. Das Ende jenes Jahres war ein ruhmvolles Ende, aber die Historiker berichten, dass die Ereignisse von damals sich nicht ohne Windungen auf das klar erwartete Ende zubewegt hätten.

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