Visuelle Künste in Rumänien: feministische Ansätze
Heute stellen wir Ihnen die rumänischen bildenden Künstlerinnen Marilena Preda-Sânc und Claudia Brăileanu vor. Obwohl sie unterschiedlichen Generationen angehören, setzen sich beide in ihren Werken auch mit feministischen Themen auseinander.
Monica Chiorpec, 31.08.2019, 17:30
Marilena Preda-Sânc ist interdisziplinäre bildende Künstlerin und Professorin an der Nationalen Universität der Künste Bukarest. Seit 1980 wurde ihre Arbeit international bei Museen, Festivals, Konferenzen, Symposien, Sendeanstalten und Galerien präsentiert. Durch die Integration der traditionellen Kunstformen und der neuen Medienkunst visualisieren und untersuchen ihre Kunstwerke das Körper-Geist-Seele-Verhalten in Bezug auf Natur und den sozialen, politischen und repräsentativen Raum. Ihre künstlerische Arbeit erforscht die Feminismus-Problematik und die Frau als Anführerin aus der öko-feministischen Perspektive. Marilena Preda-Sânc ist die erste Künstlerin, die sich mit dem Thema Feminismus in Rumänien befasst hat und gilt als eine der wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen Rumäniens:
Seit meiner ersten persönlichen Ausstellung im Jahr 1980 habe ich versucht, mich mit verschiedenen künstlerischen Mitteln auszudrücken. Mein gesamtes künstlerisches Schaffen zeichnet sich durch die Vielfalt der Mittel aus. Am wichtigsten ist die Botschaft, die ich übermitteln möchte, und ich bin auf der Suche nach der besten Form des künstlerischen Ausdrucks. Die künstlerischen Mittel, die ich verwende, sind äußerst unterschiedlich, von der Zeichnung über die traditionelle Malerei, das Objekt, das Künstlerbuch, die Fotografie, bis auf die Aktion, die Performance und die Installation. Ich unterrichte auch und interessiere mich sehr für Kunst im öffentlichen Raum. Es geht dabei um alle Arten von Ereignissen, temporäre Ereignisse, einfach alles, was im öffentlichen Raum geschieht. Für einen Künstler ist Freiheit am wichtigsten, die Freiheit, morgens aufzustehen und das zu schaffen, was man will. Ein Künstler darf von Modeerscheinungen, Klischees, Ideologien oder anderen Zwangsmechanismen der Konsumgesellschaft nicht eingeschränkt werden.“
Marilena Preda-Sânc hat ihre Arbeiten auf zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen und Festivals ausgestellt und sich an Residenzen beteiligt: bei Kulturkontakt, Wien, und Franklin Furnace, New York. Ihre Videos, Gemälde, Zeichnungen, Installationen, Fotografien befinden sich in Museen oder Privatsammlungen, z.B. im Museum der Gegenwartskunst Bukarest, im Arhitekturni Muzej Ljubljana, in der Kunsthalle Nürnberg, im Albertina Museum Wien. Den ersten Kontakt mit den feministischen Ideen hatte die junge Künstlerin in den 1980er Jahren. Marilena Preda-Sânc:
Als ich 1983 anfing, Fotografien und Interventionen zu machen, wusste ich nichts über Feminismus. Aber im Inneren spürte ich das starke Gefühl, dass ich genau das tun musste. Ich betrachtete mich immer als Meinungsbildnerin in meinem künstlerischen Genre und tat alles mit viel Einfühlungsvermögen den anderen gegenüber. Das Einfühlungsvermögen ist mein Motor, es ist präsent in allem, was ich als visuelle Darstellung schaffe. Nach 1990 lernte ich auch einige Theoretikerinnen des Feminismus kennen, Mihaela Miroiu, mit der ich mich sehr verbunden fühle, oder Laura Grünberg. Ich ging auf Reisen, beschäftigte mich intensiv mit dem Feminismus und begann ihn zu verstehen. Dadurch habe ich auch mich selbst und mein künstlerisches Schaffen besser verstanden. So wurde mir auch das Etikett »Feministin« verpasst. Ich verstehe aber den Feminismus nicht aus der aggressiven Perspektive, die vor allem in den 1970er Jahren üblich war. Ich betrachte die Welt aus der öko-feministischen Perspektive, einer tiefgehenden ökologischen Perspektive, die für mich wesentlich ist.“
Die 1987 geborene Claudia Brăileanu lebt und arbeitet in Bukarest. Claudia Brăileanus Experimente in Malerei, Collage und Objekt gehen von der Struktur aus, die das Material sichtbar macht, von seinen Mustern und inneren Rhythmen. Die Künstlerin Claudia Brăileanu arbeitet mit Ideen wie Abweichungen, Unterbrechungen und Dekonstruktionen, spielt mit dem Subjekt und dem Objekt und vereint sie in einer Reflexion und Selbstreflexion über Dialog und Identität. Für Claudia Brăileanu, Vertreterin der neuen Generation der bildenden Künstler, hat sich der Begriff der Freiheit weit über den persönlichen Raum hinaus erweitert. Claudia Brăileanu:
Es geht nicht unbedingt um die Freiheit, zu schaffen, sondern um die Freiheit, zu lernen. Es ist nicht unbedingt die Tatsache, dass ich nicht an einen bestimmten Bereich oder ein bestimmtes Projekt gebunden sein möchte. Es geht einfach um die Idee, spazieren zu gehen und Dinge zu entdecken, die mich zu neuen Bereichen führen, die ich erkunden und weitervermitteln kann. An der Nationalen Universität der Künste in Bukarest studierte ich Malerei, es ist der Kunstbereich, der mich am meisten interessierte, ich fühlte mich davon angezogen. Dann hatte ich eine extrem wichtige Erfahrung in Leipzig, wo ich ein Stipendium an der Kunstakademie hatte. Die Erfahrung in Leipzig war für mich besonders wichtig, weil ich dort begann, mit Dingen zu experimentieren, die für mich nicht selbstverständlich waren. Ich habe unter anderen Performance-Texte geschrieben. Wir hatten auch einen Kurs für visuelle Kunst, in dem wir mit verschiedenen Medien experimentierten. Wir arbeiteten mit Malerei, mit Objekten, mit Texten.“
Die Einbindung in den sozialen Bereich ist auch für die jüngere Generation der bildenden Künstler sehr wichtig. Dank der unbegrenzten Möglichkeiten, die die neuesten Technologien bieten, integriert Claudia Brăileanu in ihre Malerei eine ursprünglich im virtuellen Raum erscheinende Ästhetik:
Ich besuchte auch einen Kurs mit dem Namen »Social and Humor«. So etwas hatte ich in der Vergangenheit überhaupt nicht getan. In der Tat fand ich in diesem Zusammenhang eine bestimmte Ausdrucksweise, die ich später in meine Malereiarbeiten brachte, obwohl das, was ich in dem Kurs erlebt hatte, völlig anders war. Es war eine vollkommen andere Ästhetik, es war die Idee der Wiederholung, die für mich sehr wichtig war. Ich versuchte, die soziale Seite mit dieser Idee der Wiederholung zu behandeln. Eine sich wiederholende Struktur erzeugt ein Muster, das im Laufe der Zeit modifiziert wird, und durch Wiederholung des Musters wird wiederum ein anderes Muster generiert. Für mich ist das eine sehr organische Sache, eine Idee, die ich in meinen Malstil integriert habe. So kam ich zu dem Projekt, an dem ich seit zwei Jahren arbeite. Anfangs war es nur Malen. Später habe ich auch mit dem digitalen Teil begonnen.“
Von den Ausstellungen Claudia Brăileanus erwähnen wir Abweichungen“, Möbius-Galerie, Bukarest (2017); Umgestalten von Landschaften“, FIVE PLUS Art Gallery, Wien (2016); Dada, adică nu!“ Jecza-Galerie, Temeswar (2016); Studio 34“, Zentrum für bildende Künste, Bukarest (2016); Mail Art“, Go Contemporary, Bukarest (2016); Tendenzen in der zeitgenössischen rumänischen Malerei“, Botschaft Rumäniens, Berlin (2015); Zweite internationale Studentenbiennale — Zeichnung, Sofia (2014).
Die Dimensionen der alltäglichen oder kulturellen Erlebnisse, die Marilena Preda-Sânc und Claudia Brăileanu in visuelle Kunst umsetzen, werden der Öffentlichkeit aus der Perspektive zweier verschiedener Künstlergenerationen geboten. Was über die Ausdrucksmittel hinaus wichtig ist, ist genau der Dialog zwischen den beiden Epochen, zu denen die Künstlerinnen gehören.