Theaterpremieren in Temeswar: gelebte Multikulturalität
Temeswar, ein ausgesprochener multikultureller Raum, ist eine Stadt, die drei öffentliche Theater im demselben Gebäude beherbergt, die Schauspiele in drei unterschiedlichen Sprachen inszenieren: Rumänisch, Deutsch und Ungarisch.
Luana Pleşea, 26.12.2015, 17:30
Es gibt keine Gegend in ganz Europa, in der die Ethnien so vielfältig sind wie im Banat“, schrieb im letzten Jahrhundert der englische Historiker und Politiker R. W. Seton Watson in seinem Werk Europe in the Melting Pot“. Temeswar, ein ausgesprochen multikultureller Raum, ist eine Stadt, die drei öffentliche Theater im demselben Gebäude beherbergt, die Schauspiele in drei unterschiedlichen Sprachen inszenieren: Rumänisch, Deutsch und Ungarisch. Es handelt sich um das rumänische Nationaltheater, das Deutsche Staatstheater und das Ungarische Staatstheater Gergely Csiky“ in Temeswar. Neben den rumänischen Regisseuren, die hier tätig sind, gehört zur Strategie der drei Theater die Einladung ausländischer Regisseure. Beweis dafür stehen die drei Premieren, die am Ende des Jahres aufgeführt werden und über die wir heute sprechen.
Pál Frenák, einer der bekanntesten europäischen Choreografen und Tänzer teilt sein Künstlerleben zwischen Paris und Budapest. Die Temeswarer sind mit seinen Schöpfungen bereits vertraut, denn Frenák wurde an mehreren Auflagen des FEST — FDR (das Europäische Schauspielfestival Temeswar — Festival der Rumänischen Dramaturgie) eingeladen und war auch der erste ausländische Gastregisseur, der unter dem Motto sWitch“ eine Tanztheateraufführung am Temeswarer Nationaltheater inszenierte. Anfang Dezember schlugen Pál Frenák und das Temeswarer Nationaltheater dem Publikum die Theater- und Tanzaufführung Im Traum“ vor, einen umgekehrten Road-Movie, in dem sich Theater, Tanz und Kino verflechten. Ada Hausvater, die Leiterin des Nationaltheaters Temeswar:
Es handelt sich um Geschichten unserer Zeit, die auf zeitgerechte Art erzählt werden. Es sind verschiedene Geschichten, die durch den Körper erzählt werden. Und auch viel Energie. Es sind wunderbare Bilder, die Schauspieler sind wunderbar, es sind einige fabelhafte Tänzer dabei. Alles wird durch den Tanz erlebt! Es ist eine schöne Geschichte, mit einem echten Cadillac in der Mitte der Bühne. Wir befinden uns im Auto, auf der Autobahn; abhängig von den persönlichen Anhaltspunkten haben wir die Gelegenheit, an berühmte Persönlichkeiten zu denken. Je mehr man weiß, desto glücklicher ist man. Es ist ein besonders herausforderndes und intelligentes Schauspiel. Das ist für mich das Wichtigste, was Pál geschaffen hat. In diesem Schauspiel bleibt die Emotion der Hauptantrieb.“
Der Multikulturalismus der Stadt am Bega-Fluss widerspiegelt sich auch in der Strategie des Nationaltheaters Temeswar. Ada Hausvater, die Leiterin der Anstalt:
Es ist für uns sehr wichtig, mit Künstlern aus anderen Ländern zu arbeiten, gemeinsam unsere Erfahrungen und Ideale ins Nationaltheater zu bringen und jene Gemeinsamkeiten zu finden, die das Theater und das Schauspiel weiterbringen. Meiner Ansicht nach ist es unsere Pflicht, als Nationaltheater unsere Türen dem Neuen gegenüber zu öffnen. Damit uns das gelingt, müssen wir der Vielfalt Bedeutung verleihen. Es war wichtig für mich von Anfang an, dass das Theater sich nicht nur in einer Richtung öffnet und nicht zu urteilen: Das ist gut, das ist schlecht. Was uns wichtig als Mentalität erscheint, ist, die Kreativität zu fördern, die Fähigkeit des Einzelnen, originell und sensibel zu sein.“
Zur Strategie des Deutschen Staatstheaters Temeswar gehört auch die Einladung einiger Regisseure aus dem Ausland. Lucian Vărşăndan, Leiter des Deutschen Staatstheaters in Temeswar (DSTT):
Das Deutsche Staatstheater Temeswar hat als Ziel die Vorführung von deutschsprachigen Künstlern in Rumänien. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einer Zuschauerin vor einigen Jahren, die mir gesagt hat, sie möchte im Deutschen Theater ab und zu sehen, wie man Theater im deutschsprachigen Raum macht. Die heutige Dramatik gehört zu den interessantesten und ist den grundlegenden Themen des zeitgenössischen Menschen gewidmet. In diesem Kontext ist es für uns wichtig, die Werke bedeutender Regisseure aus diesem Raum vorzustellen, von Regisseuren, die ihren Ruhm nicht nur im deutschsprachigen Raum erlangt haben, sondern auch über die Grenzen dieses Kulturraums hinaus bekannt sind. Ganz gewiss ist Volker Schmidt einer der Künstler, die all diese Voraussetzungen erfüllen. Seine Unterschrift, sei es als Regisseur oder als Dramaturg, findet sich auf Plakaten in vielen europäischen Ländern wieder, in zahlreichen Sprachen. Er ist also ein Regisseur und ein Schöpfer, der dem zeitgenössischen Theater stark verbunden ist.“
Der Österreicher Volker Schmidt verzeichnet seine dritte Zusammenarbeit mit dem Deutschen Staatstheater in Temeswar. Er hat an diesem Jahresende seinen eigenen Text inszeniert — Eigentlich schön“ heißt die Produktion. Ein Schauspiel über das persönliche Leben der Menschen im heutigen Europa, das manchmal bei Weitem nicht so schön und fröhlich ist, wie sie in den Social Media oft inszenieren. Volker Schmidt:
›Eigentlich/actually/de fapt‹ ist das das Wort unserer Generation, sagt man. Dieses sagt aus, dass alles in Ordnung sei, aber in Wirklichkeit fehlt etwas. Ich hatte die Idee, diesen Titel zu verwenden, um darüber ein Theaterstück zu schreiben. Dieses dreht sich um diese leere Mitte. Es handelt von der Generation im Alter von rund 30 Jahren oder der Generation ›Eigentlich‹, die in einer Welt aufgewachsen ist, die alles hatte, aber politisch nicht korrekt handelt. Sie wollen alles offen lassen, alle Möglichkeiten haben, die ganze Zeit die Wahl haben, aber sie wollen sich nicht selbst erklären, sich selbst definieren.“
Wir schließen mit dem Ungarischen Staatstheater Gergely Csiky“, natürlich in Temeswar. Hier hat auch am Ende dieses Jahres Zoltán Puskás, unabhängiger Regisseur und Schauspieler aus Zenta (Serbien), das berühmte Musical Hair“ inszeniert. Die Einladung ausländischer Regisseure gehört auch zur Strategie des Theaters Gergely Csiky“. Schauspieler Attila Balázs, Leiter der Anstalt:
Wir sind in diesem Teil des Banats, wo wir sehr nahe an Ungarn, an Serbien leben… Man kann sogar sagen, dass wir dieselbe Sprache sprechen. Auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen, verstehen wir uns sehr gut. Regisseur Zoltán Puskás hat bereits Musikaufführungen auf der Bühne des Ungarischen Theaters in Temeswar inszeniert. Ich denke, dass wir uns jetzt Mut gemacht haben und mit dem Musical »Hair« einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. In dieser Spielzeit haben wir auch eine Zusammenarbeit mit einem weiteren Regisseur aus Serbien, der in Montenegro geboren wurde. Der Balkan ist sehr interessant und lebendig. Da wir uns in unmittelbarer Nähe befinden, wissen wir, was da passiert, denn es gibt das Euroregionale Theaterfestival TESZT. Natürlich möchten wir auch weitere Regisseure einladen. Z.B. ziehen wir auch einen amerikanischen Regisseur in Erwägung. Aber nicht das ist wichtig. Die Linie, die das Ungarische Theater in Temeswar befolgt, ist wichtig. Es ist eine zeitgenössische Linie, mit lebendigen Schauspielen, mit einem energischen Ensemble, das gute Ergebnisse erzielen möchte.“