Theaterfestival NottDependent: Schnittstelle zwischen Staat und Alternativszene
Das Bukarester Theater Nottara greift neuerdings auch zu Wortspielen – Nott-Dependent heißt nämlich das neuste Festival unabhängiger Produktionen, das im Bukarester Haus am Magheru-Boulevard Ende Juni organisiert wurde.
Luana Pleşea, 01.07.2017, 18:00
Es war eine Premiere per se — zum ersten Mal experimentiert ein staatliches Theater mit alternativen Stücken, um den Dialog zwischen den beiden Kunstsphären zu fördern. Mit entsprechender Verblüffung reagierten auch die kleinen Theatertruppen auf die Einladung des Prestigehauses Nottara, erinnert sich Valentin Corneanu, einer der Kuratoren des Festivals:
Die erste Reaktion war, verwundert zu gucken — wir haben ihnen dann aber erklärt, was wir uns unter einem solchen Festival vorstellen, und dann schickten sie auch Stücke ein. Das Konzept besteht darin, den unabhängigen Gesellschaften die Chance einer bekannten Bühne zu geben. Es ging uns darum, mit einem Mythos aufzuräumen — nämlich dass es zwischen Staatstheater und unabhängigem Theater keine Verbindung gibt, dass sie sogar Gegner sind. Das stimmt nicht und es ist auch unfair, davon auszugehen. Wir haben gehofft, dass unser Stammpublikum sich auch diese Stücke ansehen wird — und das traf auch zu. Zudem lernten auch Leute aus dem alternativen Theatermilieu das Nottara kennen. Darauf haben wir gewettet — und gewonnen.“
Ganz unbekannt sind solche Produktionen dem Nottara aber nicht, räumt Intendantin Marinela Ţepuş ein — das eigene Nocturne-Programm bestand aus sehr aktuellen Texten, die von jungen Darstellern aufgeführt wurden. Die Kritikerin Cristina Rusiecki, die ihrerseits zum Team der Kuratoren gehörte, erkennt NottDependent eine wichtige Rolle an:
In den letzten 10 Jahren war das unabhängige Theater eine permanente Quelle der Erneuerung und der provokativen Vorschläge. So eine Begegnung zwischen Staat und Alternativszene kann nur positive und kreative Energien freisetzen. Das war unsere Hoffnung. Das unabhängige Theater hatte zumindest am Anfang dieses Alleinstellungsmerkmal, mit sehr neuen Texten zu arbeiten. Wenn das Theater schon ein Spiegel der Gesellschaft ist, sollte es idealerweise nicht die Gesellschaft von vor 25 Jahren sein, sondern die heutige Gesellschaft, mit ihren Problemen und ihrem ständigen Wandel. Diese Form von Theater versteht es am besten, immer wieder nach neuen Texten Ausschau zu halten. Ich denke, das hilft dem Publikum, umso mehr es ein junges Publikum ist, das alternative Darbietungen besucht. Es hilft den Menschen aus dem Publikum, ihre Probleme und ihren Umgang mit der Gesellschaft und den eigenen Erlebnissen besser zu definieren.“
Acht Produktionen wurden an den fünf Tagen des Festivals aufgeführt — vorerst nur von Bukarester Truppen. Später sollen auch unabhängige Theatertruppen außerhalb der Hauptstadt eingeladen werden. Eines der Stücke war eine speziell für NottDependent aufgeführte Pilotfassung von Cocks“. Das von Mike Bartlett geschriebene Stück handelt über Identität, individuelle Wahrnehmung und Familie. Die Gesellschaft Entheos & GrayPlay Performing Arts führt das Stück unter der Regie von Horia Suru schon seit 2014 auf. Der junge Regisseur ist in der Alternativszene zuhause, arbeitet aber auch für Staatstheater. Aus dieses Doppelperspektive fachsimpelt er über den möglichen Stellenwert eines solchen Festivals:
Das Festival erschien mir am Anfang als seltsames Tier. Schockierend irgendwie, weil sehr neu. Ich hoffe, es geht weiter und wir werden es dann bei den zukünftigen Ausgaben erleben, ob es sich zu einer Diskussionsplattform entwickelt. Denn wir müssen uns unterhalten über das, was wir brauchen, und darüber, wie wir besser arbeiten können. Ich bin total neugierig auf die Entwicklung des Festivals — ob es zu einer Bühne für Stücke wird, die auf der Suche nach einem Produzenten oder einem Theater für die Hauptstadt sind… oder ob es zu einer Schaubühne für bereits erfolgreiche, prämierte, oft gespielte unabhängige Aufführungen wird, die ein neues Publikum erschließen wollen — Menschen nämlich, die die alternative Szene scheuen und eher etablierte Häuser besuchen.“