Theaterfestival Eurothalia in Temeswar: Klassiker und neue Trends trafen zusammen
Vom 8. bis zum 15. Oktober veranstaltete das Deutsche Staatstheater in Temeswar die 5. Auflage des Eurothalia Festivals.
Luana Pleşea, 24.10.2015, 17:30
Beim diesjährigen Eurothalia-Festival wurden in Temeswar Inszenierungen wichtiger europäischer Regisseure wie Oskaras Koršunovas, Silviu Purcărete, Jan Lauwers oder Wim Vandekeybus präsentiert. Ferner konnte das Publikum Aufführungen sehen, die eine neue Theaterästhetik verwenden wie die vom Theater Anton Pann“ aus Râmnicu Vâlcea, Teatru-Spălătorie aus Chişinău oder vom Ungarischen Staatstheater Csiky Gergely“ aus Temeswar. Die Theaterwissenschaftlerin Andreea Andrei hat die Festivalstücke 2015 ausgesucht:
Im Laufe der Jahre hat sich unser Festival stark verändert. In den vorigen Jahren hatten wir vorwiegend rumänische Aufführungen; bei dieser Auflage versuchten wir aber, mehrere Aufführungen wichtiger europäischer Regisseure nach Temeswar zu bringen. Sowohl bei den anderen Auflagen als auch dieses Jahr boten wir dem Publikum sehr unterschiedliche Veranstaltungen mit einer breitgefächerten Thematik in verschiedenen Genres — Theater, Gegenwartstanz, Tanztheater und auch Aufführungen, die zu keinem üblichen Genre passen. Eurothalia ist das einzige Festival in Temeswar, das sich ausschließlich auf europäisches Theater konzentriert. Wir versuchen, eine Plattform für die aktuellen Trends des europäischen Theaters zu schaffen.“
Das Europäische Theaterfestival Eurothalia“ wurde dieses Jahr mit einer Produktion des Deutschen Staatstheaters Temeswar eröffnet: Elektra“ nach Euripides und Aischylos, in der Regie von László Bocsárdi. Die Inszenierung behält den Stil des Originaltextes in einer gegenwärtigen Interpretation, mit einer zierlichen Elektra, die unter ihrer angeblichen Zerbrechlichkeit von der enormen Kraft der Rache getrieben wird. Die Darstellerin Isa Berger:
Elektra ist keine leichte Rolle. Vor der Aufführung brauche ich viel Ruhe, um zu mir selbst und zu den Fragen und Problemen Elektras zu finden. Ich versuche, diese Fragen und Probleme in meiner eigenen Seele aufzuwühlen und dem Publikum diese unruhige Seele zu zeigen. Die Seele eines Menschen ist gewaltig, wie der Regisseur László Bocsárdi sagte. Und wir versuchen, unsere Seele vor dem Publikum zu entblößen. Sollte ich Elektra in der Gegenwart erleben, so könnte ich ihre Rachesucht und ihre Besessenheit, ihre Mutter zu töten, nicht verstehen. Aber ich verstehe sehr wohl die große Liebe zu ihrem Vater, weil auch ich eine Tochter bin, die ihren Vater sehr liebt, und ich glaube, ich würde für meinen Vater alles tun. Da kann ich mich irgendwie mit Elektra identifizieren.“
Nach Elektra“ folgten zwei Aufführungen mit dem Stück Die Möwe“ von Anton Pawlowitsch Tschechow, eine Inszenierung von Oskaras Koršunovas vom OKT / Vilnius City Theatre, Litauen. Gleich in den ersten Minuten wurde das Publikum von der Natürlichkeit der Darsteller verzaubert. Der Schauspieler kann sich nicht hinter der Figur verstecken. Die Zuschauer müssen Schritt für Schritt alles sehen; der Schauspieler beginnt, das Leben der Figur selbst zu erleben.“ Wir zitierten soeben den Regisseur Oskaras Koršunovas. Mehr zu dieser Aufführung erfahren Sie von Nele Savicenko, die die Rolle der Arkadina spielt:
Der Text von Tschechow ist 100 Jahre alt, das ist in der Tat ein altes Stück. Was ist davon aber auch in der Gegenwart lebendig geblieben? Die Beziehungen zwischen den Menschen, die Beziehung zwischen Mutter und Sohn, die Beziehungen in unserem Beruf… In diesem Stück geht es um Theater — die Figuren beteiligen sich an einer Aufführung, die ihre Existenz von Grund aus verändert. Nach Kostjas Aufführung ist keiner wirklich glücklich… Also die Beziehungen zwischen Mutter und Sohn, zwischen Kostja und seinem künstlerischen Schaffen, die Ideen über den Künstler, über das menschliche Wesen — das alles bedeutet sehr viel in unserem heutigen Leben. Die Möwe? Die Möwe ist das Unerreichbare, der Traum, den man nie verwirklicht…“