Tag der rumänischen Kultur 2019: Sprache und Literatur als Katalysator
Alljährlich wird seit mehreren Jahren der Tag der Rumänischen Kultur anlässlich des Geburtstags des Dichters Mihai Eminescu, den Kritiker für den wichtigsten Dichter der rumänischen Literatur halten, auf mehreren Bühnen des Landes gefeiert.
Monica Chiorpec, 19.01.2019, 17:30
Auf der Veranstaltung im Rumänischen Athenäum in Bukarest kamen am diesjährigen 15. Januar Persönlichkeiten aus Kultur und Politik zusammen. Sie sprachen über die Rolle der Kultur über die nationale Dimension hinaus. Ioan-Aurel Pop, der Vorsitzende der Rumänischen Akademie, betonte, dass die rumänische Kultur ein Teil der großen europäischen Kultur ist.
Die nationale Kultur kann einzig in ihrem universellen Rahmen betrachtet werden. In unseren Fall — ein europäischer Rahmen, der immer existiert hat, auf dem die rumänische Kultur sich immer bezogen hat und in dessen Strömungen sie immer eingebettet war, wenigstens seit der Renaissance. Andererseits hat die nationale Kultur auch eine unabdingbare historische Dimension, ohne die sie nicht wirken kann, sie ihren Status verliert und sich in andere Kulturen auflöst oder ganz einfach gleichzeitig mit dem Volk untergeht, das sie erschaffen hat.“
In derselben Eröffnungsrede bezog sich Ioan-Aurel Pop auf die großen Kulturinstitutionen Rumäniens, die den Zugang des Publikums zu den großen Kulturwerken möglich gemacht haben.
Seit der Romantik werden die europäischen Strömungen immer zahlreicher, immer stärker und — einige von ihnen — auch immer exzentrischer. Alle haben, der Reihe nach, manchmal zeitgleich, ihr rumänisches Gegenstück gefunden. Die rumänische Zivilisation hat sich zu aller erst durch Kultur mit der westlichen Zivilisation synchronisiert. Das kulturelle Schaffen in Europa wurde von der Gründung moderner Kulturinstitutionen begleitet, beginnend mit Schulen und Universitäten über die Siebenbürgische Gesellschaft für Literatur und der Kultur des Rumänischen Volkes bis hin zur Rumänischen Akademie. Diese Sprache war ein Katalysator, so wie sie heute noch ist.“
Der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis sprach auf der Bühne des rumänischen Athenäums über kulturelle Werte und erinnerte an die großen Namen der rumänischen Kultur, die in die europäische eingegangen sind.
Wenn wir über die rumänische Sprache reden, dann können wir nicht umhin, über ihre grundlegende Rolle in der Entwicklung des Landes in Richtung Modernität zu sprechen. Diese Entwicklung hat es ermöglicht, dass sich große Persönlichkeiten der rumänischen Literatur, Musik oder bildenden Kunst in der universellen Kultur durchgesetzt haben. Die Werke von George Enescu, Constantin Brâncuşi, Eugen Ionesco, Emil Cioran oder Tristan Tzara haben bewiesen, dass Tradition und Modernität kompatibel sind, und belegen die Verknüpfung unserer Kultur mit der europäischen sowie mit den internationalen künstlerischen Werten. Wir sollten die jungen Generationen von Kulturschaffenden loben, welche die Fähigkeit haben, diesen Dialog zwischen dem Nationalen und dem Universellen weiter zu führen, und zwar mit herausragenden Ergebnissen.“
Die nationale Dimension der Kultur komme vor allem in der Sprache zum Ausdruck, welche die nationalen Bestrebungen widerspiegelt habe, so Präsident Iohannis:
2019, das Jahr der Kultursaison Rumänien-Frankreich, des Enescu-Festivals und des Europalia-Festivals — große Projekte, die unter der Schirmherrschaft des Präsidentenamtes stehen –, stellt eine große Opportunität dar, um Rumänien als einen Raum des künstlerischen Schaffens zu bestätigen. Wir feiern die Kultur am Geburtstag Mihai Eminescus auch, weil seit Beginn der Aufklärung die rumänische Sprache das Argument war, auf das sich unseren Bestrebungen nach nationaler Einheit und sozialem Fortschritt stützten. Bevor die politischen Visionen als Ergebnis des Volksbestrebens konkrete Gestalt annahmen, wurde die nationale Einheit durch Sprache und Bücher vollbracht.“
Die Rede des Literaturkritikers Eugen Simion, Vorsitzender der Abteilung für Philologie und Literatur der Rumänischen Akademie, lautete Kultur — die wievielte Macht im Staat?“
Dies scheint mir die wirkliche Macht der Kultur zu sein: Sie ist eine Waffe, die dem Volk die Kraft gibt, in der Geschichte zu überleben. Sie ist eine stille Waffe, die in langen Perioden der Geschichte erscheint, um die Zukunft der Identität einer Nation zu gewährleisten, in einer Geschichte voller Unbekannten. Die Kultur ist eine an den Rand gedrängte Macht, die ständig auf die Probe gestellt wird, manchmal sogar in ihrer Identität und in ihren Symbolen angefochten wird. Letztendlich ist es eine Erscheinungsform, die sich im Kampf mit den Gesetzen der Marktwirtschaft befindet. Wird sie durchhalten, wird sie überleben, wird die rumänische Kultur, die so Vieles durchgemacht hat, siegen? So lange die rumänische Sprache besteht und Dichter wie Eminescu, Arghezi, Blaga und, mit Verlaub, Nichita Stănescu, Historiker wie Nicolae Iorga, Kritiker wie Eugen Lovinescu und George Călinescu noch gelesen werden, wird die rumänische Kultur weiterhin eine stille, große, geheime Macht bleiben. Sie wird — und das sage ich aus voller Überzeugung — unsere feinste und wirksamste diplomatische Waffe sein. Sie wird die beste Verteidigung in der Geschichte bleiben.“
Im Foyer des Rumänischen Athenäums hat die Bibliothek der Rumänischen Akademie auch eine dokumentarische Foto-Ausstellung organisiert. Das Publikum hat eines der wertvollsten Manuskripte Eminescus aus der Sammlung der Bibliothek sehen können, das Manuskript Nr. 2261 mit der Legende des Abendsterns. Ferner wurde auch die Faksimile-Edition der Eminescu-Manuskripte in 38 Bänden ausgestellt. Das Ausstellungsprojekt wurde vom Akademiemitglied Eugen Simion betreut.