Schriftstellerin Dana Grigorcea stellt neuen Roman in Rumänien vor
2016 erschien im Verlag Humanitas die rumänische Übersetzung des Romans Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ der schweizerisch-rumänischen Autorin Dana Grigorcea.
Corina Sabău, 22.01.2017, 17:52
Hier kommt alles zusammen, was gute Literatur ausmacht: Witz, Komik, Tragödie, Poesie, Melancholie, Trauer, Liebe“, schrieb die Neue Zürcher Zeitung über den Roman der schweizerisch-rumänischen Schriftstellerin Dana Grigorcea Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“. Ende 2016 erschien im Verlag Humanitas auch die rumänische Übersetzung des Romans, der im deutschsprachigen Raum eine große Beliebtheit genießt. Der ins Rumänische von Nora Iuga und Radu-Mihai Alexe übersetzte Roman wurde 2015 in Klagenfurt beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem 3Sat-Preis ausgezeichnet und für den Schweizer Literaturpreis nominiert. Dana Grigorcea gab ihr Debüt Ende der neunziger Jahre mit Kurzprosa in der Zeitschrift des Rumänischen Schriftstellerverbands România literară. Sie hat Germanistik und niederländische Philologie in Bukarest, Theater- und Filmregie an der Brüsseler Universität studiert und einen Masterstudiengang im Qualitätsjournalismus an der Donau-Universität Krems abgeschlossen. Sie arbeitete beim Fernsehsender ARTE in Straßburg und bei der Deutschen Welle in Bonn.
Seit 2007 lebt sie in Zürich, wo sie Filmsprache bei der Filmfakultät der Kunsthochschule unterrichtet und Literatursendungen beim schweizerischen Radio DRS produziert hat. Derzeit organisiert sie in Zürich einen Literatursalon und pflegt zusammen mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Perikles Monioudis, das Literaturblog www.neue-telegramme.ch. Ihr Debüt mit Prosa in deutscher Sprache gab die schweizerisch-rumänische Schriftstellerin 2011 mit dem Roman Baba Rada. Das Leben ist vergänglich wie die Kopfhaare“. Für ihren Debütroman erhielt Dana Grigorcea den Schweizer-Buchspreis Literaturperle“ sowie Ehrengaben der Stadt und des Kantons Zürich.
In der ehrenden Rede bei der 3Sat-Preisverleihung hob die Literaturkritikerin Hildegard Keller den epischen Atem“ des Romans Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ sowie die drei Erzählperspektiven des weiblichen Ich hervor. Die Literaturkritikerin bezeichnete das Werk von Dana Grigorcea als ausgezeichnete Satire“, die eine nicht zu bändigende Dynamik“ ausstrahlt. Die Dichterin und Übersetzerin Nora Iuga sagte über den Roman, den sie ins Rumänische übertragen hat: Ein Übersetzer identifiziert sich bis zuletzt mit dem Autor, weil die Beziehung zwischen den beiden sogar enger als die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, zwischen Schwester und Bruder ist. Dies, weil es sich um eine Beziehung handelt, die durch die Sprache entsteht, und es gibt nichts Stärkeres als die Sprache, das dazu führen kann, dass sich zwei Menschen miteinander identifizieren. Neben der Geschicklichkeit und der Aussagekraft des Romans ist in meinen Augen der Titel besonders aufgefallen. Er klingt tiefgründig und lädt zum Nachdenken ein. Ich habe mehrmals versucht, zu verstehen, welche die Verbindung zwischen Titel und Thema des Romans ist, zwischen Titel und den Kindheits- und Jugenderinnerungen der Schriftstellerin. Dana Grigorcea erzählt über die Zeit, in der sie die wichtigsten Jahre, jene der Formung eines Menschen, einer Frau, in der rumänischen Hauptstadt erlebte.“
Im Bukarest der Jahre 2000 wird eine Bank überfallen. Folglich wird Victoria vom Dienst beurlaubt, um ihr traumatisches Erlebnis zu verarbeiten. Die Bankangestellte war erst in ihre Heimatstadt von Zürich zurückgekehrt und nun nutzt sie die Zeit, um das Bukarest ihrer Kindheit und der Gegenwart zu erkunden. Sie streift wieder durch die Straßen des Viertels Cotroceni, begegnet alten Bekannten wieder und Kindheitserinnerungen überfallen sie. Ein Roman über das gestrige und das heutige Bukarest, über die letzten Jahre des Kommunismus in Rumänien und die ersten der chaotischen Wende, über die Zauber der Kindheit und Selbsterkundung.
Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ erfreute sich im deutschsprachigen Raum positiver Pressestimmen. Nostalgie und Bitterkeit überkreuzen sich im Roman von Dana Grigorcea, der von der Kindheit der Autorin im kommunistischen Rumänien handelt. Die Erzählperspektiven mischen sich und der Roman macht einen Sprung von der Kindheit während des Kommunismus in die postkommunistische Realität. Wir haben die Schriftstellerin gefragt, ob sich die Reaktionen des Publikums im deutschsprachigen Raum von denen in Rumänien unterscheiden:
Die Art und Weise, in der ich meinen neuen Roman wahrnehme, hängt sehr vom Publikum ab. Das Publikum reagiert anders in Deutschland als in der Schweiz zum Beispiel. Es gibt einen Auszug, den ich sehr häufig vorlese, wo ich erzähle, wie ich zum Jungpionier gemacht wurde. Und ich kann sagen, dass es fast jedes Mal eine völlig andere Reaktion gegeben hat. In der ehemaligen DDR reagieren die Menschen anders als in Düsseldorf oder Hamburg. Und das Publikum in der Schweiz reagiert wiederum ganz anders. Es gibt bestimmte Witze in dem Roman, bei denen eher die Schweizer als die Österreicher lachen. Einige subtile Anspielungen werden schneller in Österreich verstanden als in der Schweiz. Also gelingt es mir dank meines Romans, mein Publikum kennenzulernen und unterschiedliche Denkweisen zu erforschen, je nach Stadt oder Land.“
Bei der Vorstellung des Romans in Rumänien organisierte der Verlag Humanitas Lesungen und Publikumsgespräche in Bukarest, Kronstadt, Temeswar und Klausenburg. Der Roman soll bald auch ins Englische, Bulgarische und ins Niederländische übersetzt werden.