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Rumäniens Nationaldichter Eminescu hinterfragt

Wie aktuell ist er noch für den heutigen Leser? Lehrbücher stellen ihn nur aus stereotypen Perspektiven vor und die Kritik seiner Werke hat sich im letzten halben Jahrhundert kaum weiterentwickelt.

Rumäniens Nationaldichter Eminescu hinterfragt
Rumäniens Nationaldichter Eminescu hinterfragt

, 20.01.2018, 05:30

Die Kritikerin Luminiţa Corneanu meint auf der Grundlage ihrer Erfahrung als Gymnasiallehrerin und Universitätsprofessorin, dass es wichtig ist, den Kontext zu verstehen, in dem Eminescu lebte, wenn wir sein Werk verstehen wollen. Sein Lebenslauf ist der beste Ansatz, eine vor anderthalb Jahrhunderten geschriebene Literatur einem jungen Publikum zu verkaufen — ein leidenschaftlicher Typ, ein echter Haudegen im Journalismus, virulent und mit zahlreichen Exzessen, ein Mann der mit einer Frau namens Veronica Micle eine gro‎ße Liebesgeschichte erlebte, glaubt Luminiţa Corneanu:



Egal wie hoch man die Poesie von Mihai Eminescu hält — und ich habe gro‎ße Bewunderung für sie –, müssen wir doch erkennen, dass wir über Gedichte sprechen, die mit poetischen Werkzeugen des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben sind und offensichtlich eine spezifische Empfindlichkeit der Ära wiedergeben. Die poetischen Ausdrucksmittel sind obsolet, der Inhalt ist für die damalige Zeit spezifisch. Denken wir zum Beispiel an das Gedicht »Der See«, das Schüler in der 7. Klasse durchnehmen: zwei junge Menschen sitzen an einem See und versuchen zaghaft, sich einander zu nähern. Stellen Sie sich mal vor, wie das heute junge Leute sehen, die sich auf Facebook kennenlernen und in einem Club verabreden. Die Dichtkunst Mihai Eminescus ist nicht sehr leicht Kindern erschlie‎ßbar, weil sie oft nicht ganz verstehen, worum es da geht.“




Eminescus Einfluss auf die Literatur war so gro‎ß, dass man in Rumänien von einer Zeit vor und nach ihm spricht. Luminiţa Corneanu ist sich über seinen Stellenwert sehr gut bewusst.



Offenheit für Ideen, Offenheit für Philosophie, Anschluss der rumänischen Dichtkunst an die Romantik, an die westeuropäische Literatur — das alles hätte es ohne ihn nicht gegeben. Er gab uns eine literarische Sprache, eine poetische Sprache in jeder Hinsicht, und sein Wirken ist von zentraler Bedeutung in der rumänischen Literatur. Ich stehe zu meiner Aussage, dass er leichter zu verstehen ist, wenn man über sein Leben Bescheid wei‎ß, aber ich denke, dass es auch Gedichte gibt, die vom jungen Publikum geschätzt werden können, auch wenn sie sein Leben nicht kennen. Es sind die Gedichte, die posthum veröffentlicht wurden und die einen Eminescu offenbaren, der als Dark gelten könnte, wie es heute so hei‎ßt. Die also düster sind.“




Carmen Muşat, Herausgeberin der Zeitschrift Observator Cultural“, meint ihrerseits, dass Eminescu zwar Nationaldichter ist, aber davon abgesehen in erster Linie ein richtig guter Dichter ist.



Ohne Mihai Eminescu hätte die rumänische Literatur anders ausgesehen; die Entwicklung und Transformation der rumänischen Literatur und Sprache hätten sich verzögert. Mihai Eminescu hat das Verdienst, eine sehr nuancierte und offene literarische Sprache gestaltet zu haben. Wenn wir genau nachlesen, erkennen wir, dass Eminescu nicht nur ein romantischer Dichter ist. Ok, Eminescu hat eine typisch romantische Prosa, aber seine Poesie setzt sich über die Romantik hinweg und kündigt viele Öffnungen und Richtungen späterer rumänischer Literatur an. Eminescu hat in seinen Gedichten Elemente wie Melos, Rhythmus, Reim, die uns an die Moderne des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts erinnern.“




Weil Eminescu übermä‎ßig in ideologisches Licht getaucht und zu einem Mythos gemacht wurde, scheute die heute erfolgreiche Schriftstellerin Simona Popescu vor diesem Autor zurück. Sie spürte nicht das Bedürfnis, sich tiefer mit seinen Gedichten auseinanderzusetzen. Die echte Begegnung mit dem Werk des Dichters erfolgte später auf eigene Faust:



Meinen Eminescu, Eminescu den menschlichen, entdeckte ich an der Uni, als ich seine Gedichte immer wieder las und allen Varianten in der kritisch begleiteten Ausgabe begegnet bin, die wir dem Literaturhistoriker Dumitru Murăraşu verdanken. As Studentin habe ich meine ureigene Interpretation entwickelt — ich entdeckte einen spielerischen, ironischen Dichter, der Parodien auf andere und sogar auf sich selbst schreibt. Beim Kolloquium Mihai Eminescu in Iaşi schockierte ich dann das Publikum, als ich über ein Gedicht referierte, das ich nicht aus der Schule kannte. Es gilt eigentlich heute noch als problematisches Gedicht, denn es ist eine Parodie auf den Abendstern. Aber kein grandioses Gedicht zur Liebe zwischen einer Sterblichen und einem Sternengott, sondern über die Liebe zwischen einer Henne und einem Hahn. Es ist eine Parodie auf die eigenen, ernsten Themen.“




Dass der Dichter auch den spielerischen Umgang mit der Poesie liebte, zeigt auch die Unterschrift unter dem Parodiegedicht: Statt Eminescu steht dort Minunescu — der Wunderdichter. Oder das Dichterwunder, wie man’s eben nimmt.

Foto: facebook.com/FILMIKON
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