RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu: „Als Filmemacherin will ich nicht objektiv sein“

Die in Rumänien geborene und heute in Deutschland lebende Regisseurin erhielt durch ihre Filme die Verbindung zu ihrer alten Heimar stets aufrecht.

Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu: „Als Filmemacherin will ich nicht objektiv sein“
Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu: „Als Filmemacherin will ich nicht objektiv sein“

, 05.08.2017, 17:30

1979 in Temeswar geboren, wanderte Anca Miruna Lăzărescu 1990 gemeinsam mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Sie erhielt aber ihre Verbindung zu Rumänien immer aufrecht. Das ist auch ihren ersten Kurzfilmen zu entnehmen, die sie nach ihren Abschlüssen an der Fernseh- und Filmuniversität München und an der Universität Kalifornien in Los Angeles gedreht hat: Bukarest-Berlin“, ein Kurzfilm aus 2004, Devas Geheimnis“, ein Dokumentarfilm aus 2007 und Silent River“ aus 2012, der mit mehreren internationalen Preisen, darunter auch dem rumänischen Gopo-Preis für Kurzfilm ausgezeichnet wurde. Der zuletzt genannte, vielfach ausgezeichnete Kurzstreifen erzählt die Geschichte zweier befreundeter junger Rumänen, die im Jahr 1986 aus dem kommunistischen Rumänien durch Schwimmen über die Donau zu fliehen versuchen.



Während der Dreharbeiten für Silent River“ begann Anca Miruna Lăzărescu auch die Arbeit an ihrem ersten Spielfilm, Die Reise mit Vater“, der Ende 2016 in die Kinos kam. Interessant ist, dass der Spielfilm das Thema der Flucht aus dem kommunistischen Rumänien wiederaufnimmt. Dieses Thema war wie ein Leitmotiv ihrer Kindheit in Form von Familiengeschichten, die an Sonntags- und Feiertagsabenden erzählt wurden. Die Geschichte, die Anca Miruna Lăzărescus Vater im Alter von 18 Jahren erlebt hat, stellt somit das Drehbuch des Films Die Reise mit dem Vater“ dar. Im hei‎ßen Sommer des Jahres 1968 unternehmen zwei junge Rumänen gemeinsam mit ihrem Vater eine Reise in die DDR. Aufgrund des Aufstands in der Tschechoslowakei ist aber der Rückweg in die Heimat durch sowjetische Panzer versperrt und die drei landen in einem Auffanglager in Westdeutschland. Folglich sind sie mit dem Dilemma konfrontiert, in die Heimat zurückzukehren oder auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs zu bleiben. Die Wahl muss vor dem Hintergrund der internationalen Ereignisse jenes Jahres getroffen werden: Die Invasion der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts und die Studentendemonstrationen in Westeuropa. Die Komplexität dieser Familiengeschichte wurde im Laufe der Zeit von der Regisseurin mehrfach durchleuchtet; je älter sie wurde, setzte sie sich innerlich immer wieder mit dem Stoff auseinander. Dies bezeugt Anca Miruna Lăzărescu selbst:



Als ich klein war in Rumänien, im Alter von ungefähr 9–10 Jahren, konnte ich nicht sehr gut nachvollziehen, was die ganze Geschichte bedeutet. All die politischen und emotionalen Dimensionen waren mit nicht klar. Erst später, während des Studiums an der Filmschule in München, begann ich zu verstehen, dass diese Geschichte eine gro‎ße emotionale Wirkung hat. Es ist die Geschichte meines Vaters, der damals 18 war und — genau wie im Film — sehr wenig Zeit zur Verfügung gehabt hatte, eine folgenschwere Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die sein ganzes Leben für immer beeinflussen würde. Er wurde gezwungen, diese Entscheidung unter chaotischen Voraussetzungen zu treffen: Sollte er im Westen bleiben, in einer Gesellschaftsordnung, die er nicht kannte und von der er nur geträumt hatte, oder sollte er in ein Land zurückkehren, in dem es damals unvorstellbar war, dass jemals Verhältnisse wie im Westen herrschen würden.“




Da es sich um eine emblematische Geschichte für ihre Familie handelt, gesteht Anca Miruna Lăzărescu, dass sie sich persönlich sehr stark in die Verwirklichung dieses Films involviert hat. Z.B. findet sie sich ein bisschen in jeder der drei Hauptfiguren des Spielfilms wieder: in dem Vater und den beiden Söhnen. Obwohl der Publikumserfolg bei den vorherigen Filmen nicht unbedingt eine Priorität gewesen sei, stünden die Dinge im Falle des Films Die Reise mit Vater“ au‎ßerdem etwas anders. Anca Miruna Lăzărescu:



Im Vergleich zu dem Kurzfilm »Silent Water«, den ich als möglichst puren und bewegenden Streifen wollte, um mich mit ihm bei Festivals durchzusetzen, wünschte für den Film »Die Reise mit Vater«, dass dieser bei einem so weiten Publikum wie möglich ankommt. In »Die Reise mit Vater« habe ich versucht, das Publikum zu führen, damit es bestimmte historische Details begreift. Ich denke, dass das auch die grö‎ßte Herausforderung gewesen ist: zu versuchen, so wenig Angaben wie möglich zu liefern, damit ich das Publikum nicht langweile. Trotzdem habe ich auch dafür gesorgt, dass ich gewisse Informationen liefere, über die ein jüngeres Publikum nicht verfügt. Ich wollte überhaupt nicht objektiv sein. Objektiv zu sein in der Eigenschaft des Filmautoren, kann einen vom Thema oder von den Figuren nur entfernen. Was ich mir aber sehr gewünscht habe, war, Figuren zu schaffen, mit denen sich so viele Zuschauer wie möglich identifizieren. Ich glaube, dass sogar eine negative Figur, die in einer Geschichte antagonistisch agiert und Böses tut, dies vielleicht nicht mit Absicht tut. Ein Film wird so realistisch wie möglich in dem Augenblick, in dem die bösesten Figuren scheinbar Gründe für ein gewisses Verhalten haben.“




Gleich nach der Premiere folge eine Tournee, damit der Film Die Reise mit Vater“ so vielen Zuschauern wie möglich in Westeuropa, Osteuropa und in Russland vorgeführt wird. Denn der Film widerspiegelt die unterschiedlichen Reaktionen der Bürger aus dem Sowjetlager und aus dem Westen auf die Ereignisse des Jahres 1968. Die ersteren verurteilten sie und flüchteten vor dem Kommunismus, die anderen befürworteten eine kommunistische Revolution. Interessant war es, die unterschiedlichen Reaktionen des Publikums von heute zu sehen. Anca Miruna Lăzărescu:



Die Reaktionen, die wir in Prag oder Budapest hatten, waren unterschiedlich von dem, was ich im Westen erlebt habe. In München gingen die Fragen eher in diese Richtung: ‚Gut, wir wissen was hier passiert ist, denn wir haben diese Zeiten durchlebt und sind auf die Stra‎ße gegangen um zu demonstrieren… Aber wie realistisch hast du die Lage in Rumänien geschildert?‘ Als der Film in Prag, Budapest oder in Rumänien vorgeführt wurde, gab es Reaktionen wie: ‚Danke, aber den ersten Teil des Films kennen wir. Wir wissen, wie man hier 1968 lebte. Aber wie realistisch sind die Szenen aus dem Westen, mit diesen Jugendlichen, die von einer kommunistischen Revolution träumten?‘. Ich habe mich sehr gefreut, denn ich habe den Eindruck gehabt, dass der Film die Bürger zusammenbringen kann, die so lange in unterschiedlichen politischen Lagern gelebt haben.“




Den rumänischen Zuschauern bot Die Reise mit Vater“ auch eine weitere angenehme Überraschung. Die Rückkehr eines sehr beliebten Schauspielers — Ovidiu Schumacher — auf die Leinwand. Er war Ende der 1980er Jahren nach Deutschland ausgereist und seitdem nicht mehr im rumänischen Kino und Theater anwesend.

Afișul filmului „Trei kilometri până la capătul lumii”
Kulturchronik Freitag, 28 Juni 2024

Rumänischer Film “Drei Kilometer bis zum Ende der Welt” mit der Queer Palm ausgezeichnet

Seit ihrer Einführung im Jahr 2010 wurde die Queer-Palme an Produktionen verliehen, die die Vielfalt widerspiegeln. Emanuel Pârvu wurde auf dem...

Rumänischer Film “Drei Kilometer bis zum Ende der Welt” mit der Queer Palm ausgezeichnet
Foto: facebook.com/treikilometri
Kulturchronik Samstag, 08 Juni 2024

Regisseur Emanuel Pârvu: „Mir geht es um die menschlichen Beziehungen“

  RadioRomaniaInternational · Regisseur Emanuel Pârvu: „Mir geht es um die menschlichen Beziehungen“   Seit der Einführung des...

Regisseur Emanuel Pârvu: „Mir geht es um die menschlichen Beziehungen“
„Băieții buni ajung în Rai”, un nou film de Radu Potcoavă
Kulturchronik Samstag, 01 Juni 2024

Bogdan Dumitrache: Der Mann fürs Vielschichtige

„Drei Kilometer bis ans Ende der Welt“ ist zuletzt bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem Queer Palm Award ausgezeichnet worden. Und seit...

Bogdan Dumitrache: Der Mann fürs Vielschichtige
Der Alltag von gestern im Mittelpunkt
Kulturchronik Montag, 27 Mai 2024

Der Alltag von gestern im Mittelpunkt

Die Ausstellung wird bis September dieses Jahres im Museum zu sehen sein. Sie stellt dem geschichtsinteressierten Publikum eine Reihe neuer...

Der Alltag von gestern im Mittelpunkt
Kulturchronik Samstag, 11 Mai 2024

Kurzfilmregisseurin Ana-Maria Comănescu feiert Spielfilmdebüt

Die Regisseurin Ana-Maria Comănescu hat unlängst ihr Spielfilmdebüt gefeiert – mit dem Road Movie Horia. Die internationale Premiere war...

Kurzfilmregisseurin Ana-Maria Comănescu feiert Spielfilmdebüt
Kulturchronik Samstag, 27 April 2024

Rumänisches Biennale-Projekt zum Thema Arbeit

Șerban Savu, der als bildender Künstler in Cluj lebt und arbeitet und dort auch Kunst studiert hat, thematisiert als realistischer Maler  die...

Rumänisches Biennale-Projekt zum Thema Arbeit
Kulturchronik Samstag, 20 April 2024

Englischsprachiger Buchmarkt: Taffe Szene für rumänische Literatur

35 Jahre nach der Wende feierte das rumänische Kulturinstitut bei einer neuen Ausgabe der Londoner Buchmesse die Freiheit in all ihren kreativen...

Englischsprachiger Buchmarkt: Taffe Szene für rumänische Literatur
Kulturchronik Samstag, 13 April 2024

Dokumentarfilm schildert die generationsübergreifende Suche nach Gerechtigkeit

Tofan, der zwei Jahrzehnte bei der rumänischen Redaktion von Radio Free Europe war, spricht von einer Doppelstory: “Dieser Titel, Der Fall des...

Dokumentarfilm schildert die generationsübergreifende Suche nach Gerechtigkeit

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company