„Preise sind flüchtige Augenblicke der Freude“ – ein Gespräch mit dem Schauspieler Levente Molnár
Das Kinodebüt des ungarischen Regisseurs László Nemes, Sauls Sohn“, feierte große Erfolge – der Streifen wurde zuletzt mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet.
Luana Pleşea, 12.03.2016, 17:45
Der Spielfilm Son of Saul“/Sauls Sohn“ ist bekanntlich der Gewinner der Kategorie Bester fremdsprachiger Film“ bei den diesjährigen Oscar-Preisen. Die ungarische Produktion erhielt insgesamt 43 Preise und wurde 37mal für verschiedene Auszeichnungen nominiert. Das Kinodebüt von László Nemes erfreute sich einer großen Aufmerksamkeit in den Medien, da in der ungarischen Produktion der in Rumänien wirkende Darsteller Levente Molnár Abraham Warszawski, den besten Freund der Hauptfigur, Saul Ausländer, verkörpert.
Levente Molnár wurde am 10. März 1976 im nordrumänischen Baia Mare geboren. Seit 2002 ist er beim Ungarischen Staatstheater im mittelrumänischen Klausenburg tätig. Vor der Oscar-Preisverleihung hatte Sauls Sohn“ einen Riesenerfolg beim Filmfestival in Cannes und bei den Golden Globes gefeiert. Levente Molnár versucht dennoch, sich vom Erfolg nicht blenden zu lassen:
Die wichtigen Momente in meinem Leben haben mit meinen Freunden, mit den Menschen um mich herum zu tun. Sehr viel auch mit meiner Arbeit. Die Filmfestspiele in Cannes und die Golden Globes sind vorbei — jetzt sprechen wir von den Oscars, aber das ist auch ein flüchtiger Augenblick in meinem Leben. Ich verstehe nicht, warum mich das verändern soll. Alle sind flüchtige Augenblicke der Freude. Zudem war der Preis nicht wie vom Himmel gefallen und er ist nicht mir zu verdanken, sondern dem Regisseur. Es handelt sich um eine Teamarbeit und ich war auch Teil davon. Ich kann nicht verneinen, dass mir der Preis Flügel gibt und dass er meine Stimmung stark beeinflusst. Diese Erlebnisse sind aber vergänglich. Ich stehe mit beiden Beinen fest auf der Erde, dank meiner Arbeit, ich liebe meine Arbeit. Wir, die Besetzung des Films, erleben jetzt verrückte Momente, es ist ein schöner Wahnsinn, alle reagieren so schön auf unseren Erfolg, es kommt aber ein neuer Tag mit seinen normalen Erlebnissen, mit dem Alltag eigentlich. Das Leben besteht doch nicht aus Feiern.“
Levente Molnár hat seine ersten Kontakte mit der Filmwelt als Student gehabt. Er schließt sich als erfolgreicher Darsteller zahlreichen Kurzfilmen an, die von Studenten produziert werden. Das, weil er neue Leute kennlernen mag. Vom Anfang an hat er zudem seine Zeit zwischen Theater und Film aufgeteilt:
Ich kann in beiden Plätzen existieren. Ich mag das Theater, ich mag gleichermaßen auch den Film. Das Theater bietet dem Darsteller die einzigartige Chance, unter perfekten Umständen in sich selbst hineinblicken zu können. Für ein bemerkenswertes Erlebnis sorgen auch die Neugier gegenüber Kollegen, die Zusammenarbeit, die Fähigkeit, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die Neugier gegenüber der Neuigkeit und die Herausforderungen, mit denen der Regisseur die Darsteller konfrontiert, das Anstreben von gemeinsamen Zielen, die emsige Arbeit — das bedeutet, Theater zu machen. Man kann sich im Theater selber besser kennenlernen. Während der Dreharbeiten an einem Film bleibt man eher einsam, auch bei den Vorbereitungen. Das Theater bietet hingegen die Chance, sich an intensiven, vertieften Proben zu beteiligen. Das Theater erfordert daher viel mehr Vertrauen, Anpassungsfähigkeit, Höchstleistung. Es ist wie der Unterschied zwischen Krankenhaus und Rettungswagen. Der Rettungswagen muss sich bewegen, manchmal auf Serpentinenstraßen.“
Als Darsteller des Ungarischen Staatstheaters im mittelrumänischen Klausenburg durfte Levente Molnár mit Regisseuren arbeiten, die seine Karriere stark geprägt haben. An eine diese Zusammenarbeit erinnert er sich mit besonderer Zuneigung:
Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Silviu Purcărete war sozusagen mein Sauerstoff, er ist dafür schuldig, dass ich auch ein Theaterdarsteller bin. Am Anfang gab es »Cumnata lui Pantagruel« (»Die Schwägerin von Pantagruel«), unser erstes Stück zusammen, dann folgten »Gianni Schicchi« und »Victor sau copiii la putere« (»Victor oder Kinder an der Macht«). In seiner Anwesenheit fühle ich mich frei, er stellt mich vor die Herausforderung, frei zu denken, er gibt mir die Freiheit der Entscheidung, neben ihm habe ich das Gefühl, dass ich auch Fehler machen und dennoch selbstsicher bleiben kann.“
Das Berufsleben von Levente Molnár bedeutet mehr als Film und Theater. Dazu der Darsteller:
Anscheinend habe ich eine Ader für organisatorische Arbeit. Im Rahmen des Internationalen Filmfestivals »Transilvania« setze ich ein paar Projekte um. Es handelt sich um zwei Projekte, die mir nah am Herzen liegen. Eines davon ist Mănăştur Open Air. Als ich in die Studiowohnung des Theaters eingezogen bin, die im Viertel Mănăştur Sub Pădure in Klausenburg liegt, habe ich die Grünanlage hinter dem Wohngebäude gesehen. Sie ist dafür schuldig, dass ich dort geblieben bin. Und dieser schöne Wahnsinn von Tudor Giurgiu, Oana Giurgiu, von allen Menschen, die dort arbeiten, besteht darin, dass sie eine große Herausforderung angenommen haben; seit einigen Jahren zeigen wir Filme da oben, im Freien, im Mănăştur-Viertel, das auf einem Hügel liegt. Mein Theaterkollege Áron Dimény und ich hatten einmal einen Traum, den wir verwirklicht haben: das Projekt »10 pentru film« (»10 Menschen für einen Film«). Ich hoffe, damit neue Erfahrungen ermöglicht zu haben, viele Menschen bereichert zu haben. Wir tun unser Bestes, um den anderen diese Chance zu geben.“
Das Programm 10 für einen Film“ setzt sich zum Ziel, Nachwuchsdarsteller aus Rumänien zu fördern. Zehn der begabtesten Theaterdarsteller werden jedes Jahr beim Filmfestival Transilvania“ den Profis aus der Brache und dem Publikum vorgestellt. Neben diesen Projekten sichert Levente Molnár bei den Festspielen auch das Simultandolmetschen, wenn notwendig. Zudem ist er für die Produktion des Internationalen Theaterfestivals Interferenţe“ zuständig, das vom Ungarischen Staatstheater in Klausenburg organisiert wird. Die Filmproduktion ist ihm auch nicht fremd, er hat mit dem Filmemacher Adrian Sitaru bei der Produktion Fixeur“ und mit Radu Mihăileanu beim Spielfilm History of love“ zusammengearbeitet. Die Vertriebsrechte des letzteren wurden auf der 66. Berlinale weltweit verkauft.