Poet und Rebell: Der Dichter und Verleger Claudiu Komartin
Er war bei seinem Debüt nicht einmal 20 Jahre alt: Der 1983 geborene Dichter Claudiu Komartin veröffentlichte 2003 den Poesieband Der Puppenspieler und weitere schlaflose Nächte“.
Christine Leșcu, 26.08.2017, 17:30
Er war bei seinem Debüt nicht einmal 20 Jahre alt: Der 1983 geborene Dichter Claudiu Komartin veröffentlichte 2003 den Poesieband Der Puppenspieler und weitere schlaflose Nächte“. Dafür wurde er mit dem nationalen Mihai-Eminescu-Preis für den besten Debütanten belohnt. Zwei Jahre später bekam der frühreife Dichter für seinen nächsten Band, Der hausgemachte Zirkus“, den Lyrikpreis der Rumänischen Akademiegesellschaft.
Die letzten zwei Werke Claudiu Komartins, Eine Jahreszeit in Berceni“ (2009) und Kobalt“ (2013), brachten die Anerkennung. Nicht nur eine Bestätigung seines Talents sondern auch seiner Führungsrolle in der 2000er Generation. Zu seinem Ruhm ist Komartin allerdings nicht nur durch seine Gedichte gelangt, sondern auch dank seiner Tätigkeit als Verleger und Übersetzer.
Das Verlagshaus Max Blecher“ ist ein 2010 von Komartin fast im Alleingang geschaffenes Projekt. Es entstand als Verlängerung der Werkstatt für zeitgenössische Literatur, die auf den Namen Blecher-Institut“ getauft wurde. Die Werkstatt sei allen voran der rumänischen Literatur gewidmet gewesen, zeitgenössischen Autoren, die nicht gerade zu den verwöhnten Schriftstellern der Verlage gehörten, erklärt Claudiu Komartin im Interview mit Radio Rumänien.
Wir wollten von Anfang an eine Gemeinschaft konstruieren. Die Gemeinschaft besteht einerseits aus Schriftstellern, vor allem Dichtern der Gegenwart, die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, und andererseits aus der Leserschaft. Ich wollte, dass das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Geschichte entsteht. Es war eine Geschichte der Integration. Alles begann mit diesem Leseklub 2009, der sich völlig unerwartet weiterentwickelte — damals war ich 26 und hatte nicht unbedingt darüber nachgedacht. Doch irgendwie hat sich dann alles hochgeschaukelt und ich rief den Verlag ins Leben. Ich wollte wertvolle Menschen zusammenbringen, die sich gerne treffen, die sich nicht nur als Autoren sehen, wie das gewöhnlich der Fall ist. Die Verleger hinterlassen den Eindruck, dass die Autoren sich damit zufrieden geben und sich privilegiert fühlen sollten, dass ein bekannter Verlag ihre Werke herausbringt. Für mich reicht das nicht aus, zumal ich bei bestimmten Verlagen sehe, wie einige Autoren veröffentlicht werden, ihre Bücher aber anschließend nicht sichtbar sind, nicht gefördert werden. Und das bei den großen Verlagen, die ja auch über Werbung und Marketinginstrumente schalten und walten können. Weil die Schriftsteller aber nicht gerade berühmt sind, beschäftigen sie sich nicht damit, wie es sein sollte. Es stimmt schon, heutzutage gibt es kaum noch prominente Schriftsteller, oder nur noch sehr wenige. Etwa Mircea Cărtărescu oder Ana Blandiana. Aber es gibt ganz gewiss 15-20 wertvolle und sehr wertvolle Schriftsteller, die nur von einigen Hundert oder Tausend Menschen gekannt werden. Aber Autoren wie Octavian Soviany, Radu Aldulescu, Mariana Codruţ oder Nichita Danilov kennen nur die Eingeweihten.“
Claudiu Komartin zeigt sich also offenbar, wie jedes frühreife Talent, auch als Rebell. Wenn es nach ihm ginge, sollten die zeitgenössischen rumänischen Dichter aus dem Untergrund ins Mainstream gelangen. Wie stelle er sich das aber vor, fragten wir ihn.
Wir können dafür garantieren, dass die von uns herausgebrachten Bücher bei allen Poesie-Festivals des Landes präsent sein werden, bei allen Buchmessen, die einen Namen haben, und dass sie den Kritikern geschickt werden, die über zeitgenössische Literatur schreiben. Das ist der Mindestanspruch, den wir stellen. Darüber hinaus sind wir ständig unterwegs. Wir besuchen Buchläden und Bibliotheken landesweit, gehen aber auch in Kneipen und sonstige unkonventionelle Räume. Wir versuchen auch ein Publikum zu erreichen, das nicht unbedingt aus Kennern oder Literaten besteht. Wir wollten und haben es auch geschafft, Menschen zu erreichen, die sich zufällig dort aufhielten, wohin wir gingen, und die nicht gedacht hätten, dass zeitgenössische Literatur sich so anhören kann wie unsere oder die von uns veröffentlichte Literatur.“
Genauso wie das Verlagshaus Max Blecher“ als Verlängerung eines Literaturkreises gegründet wurde, ist die Zeitschrift Poesis International“ ihrerseits die Verlängerung des Verlags. Nach ihrer Entstehungsgeschichte erkundigten wir uns bei Claudiu Komartin.
Das Projekt entstand im Frühjahr 2010 in Sathmar. Der Sathmarer Dichter Dumitru Păcuraru hatte einige Dichter, Schriftsteller und Übersetzer zusammengeführt und ihnen sein Projekt vorgestellt. Drei Jahre lang lief das Projekt dann auch, unter der Betreuung von Herrn Păcuraru, später habe ich dann die Leitung übernommen. Es war wieder so eine von meinen Spinnereien, denn ich hatte keine Ahnung, ob es funktionieren würde oder nicht — schließlich hatten wir überhaupt keine materiellen Ressourcen. Aber die Dinge sind in die richtigen Bahnen gelenkt worden und es geht jetzt auch nach weiteren drei Jahren weiter. Die Zeitschrift hatte sich von Anfang an vorgenommen, viel zeitgenössische Literatur aus dem Ausland zu veröffentlichen, nicht nur aus der aktuellen Gegenwart, sondern aus den letzten 50-60 Jahren, in rumänischer Übersetzung. Es ging vermehrt um Poesie, aber auch Prosastücke und Essays kamen ins Heft. Der Grundgedanke dabei war, dass man als Vergleichsgrundlage Erfahrungen aus sprachlichen oder kulturellen Umfeldern vorstellt, die von unserer Welt möglichst sehr verschieden sind. Um zu sehen, wo wir genau stehen. Das Ganze ist dann gewachsen und heute veröffentlichen wir Gedichte aus etwa 20 Ländern, beginnend mit den USA bis hin nach Mittel- und Osteuropa.“
Das Blecher-Institut, der Literaturkreis, der Claudiu Komartin den Anstoß für die Verlagsgründung gab, existiert auch heute noch. Viele Dichter der Gegenwart — nicht unbedingt aus der Generation 2000 — lesen hier aus ihren Werken vor.