Performing Arts: Museum für Gegenwartskunst setzt auf Performance-Aufführungen
Vor etwa einem Jahr öffnete das Bukarester Museum für Gegenwartskunst seine Tore für Performance-Künstler. Das anfangs zurückhaltende Publikum findet inzwischen immer mehr Gefallen an den originellen Performances in den Museumsräumen.
Luana Pleşea, 10.02.2018, 17:45
Eine Performance ist eine situationsbezogene, handlungsbetonte und vergängliche künstlerische Darbietung eines Performers oder einer Performancegruppe. Eine Performance kann Elemente des Theaters, des Tanzes und der Pantomime, der Musik oder auch des Zirkus enthalten. Von diesen Performing Arts“ unterscheidet sie sich allerdings dadurch, dass sie an die Person des Künstlers bzw. der Künstlerin gebunden ist und in der Regel nicht wiederholt wird. Sie ist häufig ortsgebunden, kann aber überall, zu jeder Zeit und ohne zeitliche Begrenzung stattfinden. Dabei kommen vier Grundelemente ins Spiel: Zeit, Raum, der Körper des Künstlers und eine Beziehung zwischen dem Künstler und dem Zuschauer.
Vor etwa einem Jahr, genauer gesagt im Mai 2017, startete das Nationale Museum für Gegenwartskunst (MNAC) in Bukarest ein Programm für Performance-Künste. Wie ist diese Intiative entstanden, und wodurch wurde sie motiviert? Auf diese Fragen antwortet die Regisseurin Ioana Păun, Initiatorin und Koordinatorin des Programms:
In Bukarest existieren sehr viele unabhängige künstlerische Initiativen, die oft nicht den richtigen Raum gefunden haben, wo sie präsentiert werden können. Es handelt sich um Hybridprojekte, manche von ihnen kombinieren Kunst und Politik, andere konzentrieren sich auf Bewegung, andere wiederum kombinieren persönlichere Darstellungsformen, wie zum Beispiel die Eins-zu-Eins-Performance. Man brauchte einen entsprechenden Raum, wo all diese Intiativen, all diese verschiedenen Formen von Performance-Kunst zusammenkommen konnten. Das Museum für Gegenwartskunst in Bukarest ist meiner Ansicht nach ein Raum der neuen Kunstformen, ein Raum für die Kunstformen der Gegenwart und der Zukunft. Jede neue Kunstform, jede hybride, mehr oder weniger experimentelle Kunstform ist im Museum für Gegenwartskunst willkommen — umso mehr, wenn sowohl die Künstler als auch die Darsteller, die Performer, hundertprozentig hinter ihrer Initiative stehen. Das Nationale Tanzzentrum in Bukarest hat als erstes Performance-Projekte präsentiert. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es in Bukarest keine anderen Einrichtungen, die Räumlichkeiten für Performance-Künstler zu Verfügung stellten.“
Seit mehreren Jahren beschäftigt sich die Regisseurin Ioana Păun mit Performance-Kunst. Sie besuchte Fachkurse und arbeitete mit mehreren rumänischen Performance-Künstlern zusammen. Ioana Păun:
Ich hatte schon lange das Bedürfnis, diese Art von Performance, die Theater und visuelle Kunst kombiniert, zu unterstützen. Diese Idee beschäftigt mich seit 2010, nachdem ich in London ein Magisterstudium über Performance-Kunst absolviert hatte. Ich kam nach Bukarest und begann Performance-Workshops an der Universität für Theater und Kinematographie zu organisieren. Die Teilnehmer waren sehr unterschiedlich, es kamen auch Musiker oder Anthropologen, die neugierig waren, Performance-Kunst zu erleben und zu studieren. Diese Kunstform ist in Rumänien so gut wie nicht bekannt. Jedes Jahr führte ich diese Workshops, um neue Künstler zu entdecken und ihnen zu erzählen, was ich gelernt hatte… Bei uns gibt es sehr wenige Festivals für Perfomance-Kunst, und ich war immer auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten, wo diese Veranstaltungen stattfinden könnten. Infolge meiner Workshops kamen mehrere Künstler zusammen, die nach und nach autonom wurden und begannen, gemeinsame Projekte durchzuführen. Ich hatte bereits Erfahrung mit dieser sehr speziellen Kunstform, die etwas schwieriger zu entziffern ist, da sie keinen vorgeschriebenen Text und keine Dialoge hat und auch keine klare Geschichte erzählt, wie man normalerweise im Theater erlebt.“
Mit ihrem Projekt schlägt Ioana Păun ein konstantes monatliches Programm im Nationalen Museum für Gegenwartskunst vor:
Im Prinzip veranstalten wir jeden Monat drei Events. Bei jeder großen Vernissage im Museum wird auch eine Performance den ganzen Abend lang durchgeführt. Das Programm unserer Events ist auf der Internetseite des Museums für Gegenwartskunst und auch auf Facebook zu finden. In der Regel werden im Museum bereits existierende Performance-Events gezeigt, die höchst empfindlich sind und nocht keinen Aufführungsraum gefunden haben. Ein Beispiel dafür wäre »Zwischen zwei Pillen«, eine Performance von Cinty Ionescu über Depressionen, die Videokunst mit Live-Performance kombiniert. Dann haben wir noch ein Event, das wir aber seltener präsentieren, weil es mehr Vorbereitung benötigt. Dieses Event, das wir inzwischen zum drittenmal organisieren, heißt »Nokturne«. Es handelt sich um einen Abend, an dem die Teilnehmer in voller Dunkelheit Avantgardemusik hören, entweder digital oder akustisch. Die ersten zwei Nokturnen hatten großen Erfolg beim Publikum. Diese Musikevents finden alle zwei Monate statt, die Eintrittskarten kann man im Internet oder an der Abendkasse kaufen.“
Am 10. Februar findet im Bukarester Museum für Gegenwartskunst die erste Premiere des Jahres 2018 statt. Die Performance NOK! NOK!“ ist eine freie Adaption des Buches The Year of Magical Thinking“ (Das Jahr magischen Denkens“) von Joan Didion. Regie führte die Schauspielerin Nicoleta Lefter, Darstellerin ist die Schauspielerin Flavia Giurgiu. Mehr über das Programm der Performance-Events im Monat Februar von Ioana Păun:
In Februar haben wir die Premiere mit »NOK! NOK!«. In »NOK! NOK!« geht es um den Moment, wenn jemand über den Tod eines geliebten Menschen erfährt, wie man darauf reagiert, wie man damit umgeht, wie man darüber hinwegkommt. Wir veranstalten auch unsere Musik-Nokturne, dann folgen mehrere Performances für Paare, unter dem Titel »Wir gegen uns«. Die Performance-Künstlerin Ruxandra Hule hat dies mehrmals gemacht, es ist eine Art Treffen in einem speziellen Kontext, den sie extra für Paare kreiert. Es müssen nicht undbedingt Ehepaare sein — an der Performance können sich auch Geschwister, Mütter und Kinder oder sehr gute Freunde beteiligen. Eine Stunde lang arbeiten diese Paare mit der Performance-Künstlerin zusammen. Es werden verschiedene Kunstmittel benutzt, um Zonen ihrer Beziehung zu erreichen, über die man normalerweise nicht spricht. An den vorigen Events beteiligten sich sehr viele Paare, die allerlei Erfahrungen machten, manchmal waren es tiefgehende, manchmal amüsante Momente. Um mit den Teilnehmern persönlich zu arbeiten, benutzt die Künstlerin das Schreiben, das Modellieren und auch SMS-Schicken. Im Februar haben wir im Museum für Gegenwartskunst auch die Performance »Das weiße Pferd« — dabei geht es um den Arbeitslager-Kommandanten und Folterer Ion Ficior, eine dunkle Figur der kommunistischen Zeit in Rumänien. Wir haben uns vorgenommen, die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme des Alltags mit Hilfe der Kunst auf sehr menschliche Art zu erkunden.“