Nausicaa Marbe trifft Leser in ihrer alten Heimat
Die in Rumänien geborene niederländische Schriftstellerin und Journalistin Nausicaa Marbe war unlängst als Gastautorin bei der Gala der Literaturpreise Sofia Nădejde“ in Rumänien anwesend und sprach mit dem rumänischen Publikum über ihre Literatur.
Corina Sabău, 04.01.2020, 17:30
Die in Rumänien geborene niederländische Schriftstellerin Nausicaa Marbe nahm an mehreren Lese- und Diskussionsveranstaltungen in Bukarest und Braşov im Rahmen der Sofia-Nădeje-Tage teil, einem Projekt, das im November 2019 in Rumänien stattfand. Nausicaa Marbe wurde in Bukarest geboren. Sie ist die Tochter der berühmten Komponistin Myriam Marbe. Nausicaa hat das deutsche Gymnasium in Bukarest absolviert. Seit 1982 lebt sie in den Niederlanden, wo sie Politologie und Philosophie studierte. Nausicaa Marbes Debütroman Mandraga“ wurde 1999 veröffentlicht. Es ist eine Geschichte über Migration, mit vielen autobiographischen Hinweisen. Mandraga“ wurde mit dem Charlotte-Kohler-Preis ausgezeichnet und wurde auch ins Deutsche übersetzt. Nausicaa Marbes Roman Smeergeld“ (Schmiergeld“), erschien 2014. Er wurde von der Kritik gefeiert und an einen deutschen Verlag verkauft. Im Jahr 2016 wurde Smeergeld“ belgischen Preis De Diamanten Kogel“ ausgezeichnet. Die Kritiker lobten die talentierte Schriftstellerin für ihre Fähigkeit, einen komplexen Moralroman über die heutigen Niederlande zu schreiben. In einem mit Sarkasmus gespickten Stil schrieb Nausicaa Marbe einen Roman, in dem sich persönliche Dilemmas in das politische Rätsel einer ganzen Generation in Westeuropa mischen. Es ist eine herzzerreißende Geschichte, eine Geschichte von Liebe und Korruption in den elitären Kreisen der Stadt Haarlem, in der die Autorin mit ihrer Familie lebt.
In Bukarest und Braşov (Kronstadt) trat Nausicaa Marbe vor dem rumänischen Publikum auf und las auch Fragmente aus dem Roman Smeergeld“. Nausicaa Marbe über den Hintergrund, vor dem sie den Roman geschrieben hat.
Wie man sieht, ist auf dem Buchumschlag ein Pilz, und es hat mir sehr gut gefallen, dass der Pilz auf dem Titelblatt abgedruckt ist, denn mein Roman ist ein Buch über vergammelte Beziehungen, über Probleme in der Gesellschaft, über Dinge, die wir normalerweise nicht sehen können, über Orte, an denen es dunkel und hässlich ist, und über die Tatsache, dass wir es vermeiden, einen Blick in diese Richtung zu werfen. Ich könnte den Roman auch als eine traurige Moralkomödie bezeichnen. Die Hauptfigur ist ein Mann. Er ist der Chefarchitekt der Stadt Haarlem, der während der Finanzkrise seinen Job verloren hat. Der Mann ist auch in die lokale Politik involviert, so dass er in dieser Eigenschaft auf einige Korruptionsvorgänge stößt. Denn Korruption gibt es sogar in den Niederlanden. Nachdem ich einen großen Teil des Buches geschrieben hatte, habe ich ein Gespräch mit dem Architekten der Stadt Haarlem geführt. Ich war in seinem Büro, weil ich ihm bei der Arbeit zusehen wollte, ich wollte in die Atmosphäre eintreten, weil ich nicht viel über das Thema wusste. Ich habe mit dem Architekten über meinen Roman gesprochen, doch zwei oder drei Monate später, als der Roman bereits veröffentlicht war, trafen wir uns wieder, und er sagte mir, dass er Angst bekommen hatte. Und der Grund, warum er Angst bekommen hatte, war mein Roman, die Geschichte, die ich erfunden hatte, eine Geschichte über Betrug, Bestechung und einen Interessenkonflikt, der in der damaligen Lokalpolitik der Stadt existierte und der noch nicht entdeckt worden war. Und der Architekt hatte versucht, die Presse zu kontaktieren und alle vertrackten Hintergründe der Geschichte aufzudecken. Nach unserem Gespräch blieb er mit dem Eindruck, dass ich eine Spionin sei, die von jenen Politikern auf ihn angesetzt worden wäre, die einen Teil der eklatanten Missetaten begangen haben. Um es kurz zu machen, ich war sehr daran interessiert, dieses Thema, nämlich die Korruption in den Niederlanden literarisch zu behandeln.“
Es kommt nicht sehr oft vor, dass eine niederländische Schriftstellerin mit einem so interessanten und vielschichtigen Buch aufwartet, das etwas über unsere Gesellschaft zu sagen hat. Und das tut die Schriftstellerin in einer aufwendigen, köstlichen und subtil bösartigen Sprache“. Das schrieb die Trouw-Publikation im Jahr 2014, als Nausicaa Marbes Roman Smeergeld“ herauskam. Mit Details über ihren eigenen Roman erneut Nausicaa Marbe:
Mich hat vor allem interessiert, wie man über Menschen schreibt, die diesen Moment erleben, in dem sie viele Verluste erleiden. Und wenn sie, von allem Materiellen verführt, nicht mehr an ihren Grundsätzen festhalten können. Wie ich schon sagte: Als ich den Roman schrieb, wurden die Niederlande von einer harten Krise getroffen, sehr viele Menschen verloren ihre Arbeit, ihr Zuhause, ihre Sicherheit. Und die Zeitungen, die ich damals las, schrieben täglich über Korruptionsvorwürfe. Und es gab Interessenskonflikte, es gab Vetternwirtschaft, es gab so viel Ungerechtigkeit. Und all das tat weh, denn ich erkannte, dass, wenn wir die Augen schließen und nichts dagegen unternehmen, die Demokratie selbst in Gefahr ist. Scheinbar unbedeutende Dingen können alles ruinieren; wir kümmern uns nicht um diesen oder jenen Akt der Bestechung, es ist uns egal, ob ein Bürgermeister sich illegal Grundstücke angeeignet hat, und eines Tages werden uns auch die viel schwerwiegenderen Dinge nicht mehr interessieren, weil wir wegschauen.“
Nausicaa Marbe hat als Journalistin für verschiedene niederländische TV-Sender gearbeitet. Außerdem war sie Kolumnistin für die meistgeschätzten und meistgelesenen Zeitungen in den Niederlanden. Bei Volkskrant“ unterschrieb sie den Leitartikel bis zum Sommer 2013, als sie ihre Zusammenarbeit mit De Telegraaf“ begann. Nausicaa Marbe ist eine der am meisten geschätzten Kolumnistinnen in den Niederlanden.