Nach der Pandemie: Kulturbetrieb vor neuen Herausforderungen
Der Kulturbetrieb leidet wie viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens unter den Problemen, die von der COVID-19-Pandemie verursacht wurden. Die bisher ohnehin schlechte Finanzierung steht auf der Kippe, Schwierigkeiten werden akuter verspürt.
Monica Chiorpec, 29.08.2020, 17:30
Was jetzt besonders weh tut, ist, dass Menschen immer weniger an jeder Art kultureller Veranstaltung teilnehmen. Während des Notstands haben Kultureinrichtungen den Kontakt mit dem Publikum über das Internet gepflegt, doch diese beispiellose Herausforderung stellt nicht nur die Strategie der Einrichtungen auf die Probe, sondern auch das Interesse der Menschen an den Ereignissen. Vor diesem Hintergrund scheint eine Konkurrenz um Finanzierungen zu entstehen — die staatliche und die unabhängige Kultur streiten ums Geld.
Bei einer Fachtagung des Instituts für Kulturforschung und Bildung ermahnte Forschungsleiterin Anda Becuţ Marinescu, dass die Kulturbetriebe auch um das verbleibende Publikum konkurrieren, weil die Öffentlichkeit unter den Beschränkungen leidet. Die Zukunft hängt stark vom Vertrauen ab, das die Menschen in die verschiedenen Kulturausrichter legen — egal ob staatlich oder privat. Das Risikomanagement ist diesbezüglich ein Schlüsselkonzept, meinte Anda Becuţ Marinescu — eines, woran wenige vor der Pandemie dachten. Die Risikowahrnehmung der Teilnehmer an Veranstaltungen müsste daher ins Bewusstsein der Kulturmanager rücken. Gemeint ist mit Teilnehmern nicht nur das Laienpublikum — auch Kritiker und andere Kulturprofis gehören zu den Zielgruppen, die Kulturinstitutionen anpeilen. Allerdings zählen wohl auch in Zukunft am meisten die Inhalte und Angebote. Sie sind es, die das Publikum begeistern und anziehen, findet die Forscherin Anda Becuţ Marinescu:
Es geht in nächster Zukunft darum, vordergründig auf die Qualität des künstlerischen Inhalts aufzupassen. In letzter Zeit haben wir eine Überproduktion kultureller Inhalte im Internet bemerkt, viele von ihnen nicht gerade bester Qualität. Die Konkurrenz ist global, aber es ist gleichermaßen wichtig, wie wir zur eigenen Gemeinde stehen. Dazu gehören die Menschen in nächster körperlicher Nähe, aber auch jene in den verschiedenen Zielpublika, die sich im Internet heranbilden.“
Ihrerseits sieht Irina Cios, Leiterin der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds die COVID-19-bedingte Krise als Chance für den Kulturbereich. Die letzten Monate rückten die Probleme, mit denen sich rumänische Kulturinrichtungen auseinandersetzen, in eine neue Aufmerksamkeit.
Dieses Virus ist für uns alle eine Riesenchance. Zum ersten Mal in der rumänischen Geschichte wird öffentlich und zentral über die Kultur diskutiert. Zum ersten Mal werden echte Schritte unternommen, um sie zu unterstützen und systematisch darüber nachzudenken. Wir sollten das ernst nehmen und sehen, was wir für die Kulturstrategie tun können, was man für die Förderung des Konzepts im Bewusstsein der Öffentlichkeit unternehmen sollte.“
Die Pandemie und die gesellschaftliche Isolation haben jedoch ein älteres Problem der Kultur nur zusätzlich betont. Schon seit längerer Zeit warnen Experten, dass der Stellenwert dieses Bestandteils der Gesellschaft abnimmt. Das sei sogar mit Zahlen belegbar. Rumänien sei Schlusslicht in Europa, was den Kulturkonsum angeht, erklärt Tudorel Andrei, Chef des Nationalen Statistikinstituts INS:
Die kulturelle Mobilität ist in trockenen Zahlen messbar und mit der Lage in Europa vergleichbar. Sehr relevant ist zum Beispiel die Beteiligung an kulturellen Veranstaltungen. Nur 30% der Menschen in Rumänien nehmen mindestens einmal im Jahr an einer kulturellen Veranstaltung teil. In Frankreich sind es 75%; der europäische Durchschnittswert liegt bei über 60%.“
Das ließe sich auch erklären, kontert Kulturmanagerin Irina Cios:
Das ist so, weil die Franzosen schon im Kindesalter lernen, dass eine kulturelle Komponente erforderlich ist, um das geistige und menschliche Dasein zu vervollkommnen. Kinder werden ins Museum gebracht, kreative Workshops werden veranstaltet. Das fließt in ihre DNA ein und wird weitervererbt.“
Das Rezept aus Europa, an das sich auch Rumänien halten könnte, ist einfach: Kultur konsequent und solide finanzieren und das Publikum zur Teilnahme anregen, finden Planer.