Mit Koproduzentin Ada Solomon über den Film „Toni Erdmann“
Toni Erdmann“ ist ein Spielfilm der deutschen Regisseurin und Drehbuchautorin Maren Ade aus dem Jahr 2016. Peter Simonischek und Sandra Hüller spielen Vater und Tochter in dem komödiantischen Familiendrama.
Christine Leșcu, 04.02.2017, 18:30
Der Film hatte seine Premiere im Wettbewerb des 69. Filmfestivals von Cannes. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören der Europäische Filmpreis und eine Oscar-Nominierung. Die Rumänin Ada Solomon war Koproduzentin bei diesem mehrfach ausgezeichneten Streifen. Bei der 89. Oscarverleihung am 26. Februar kämpft der Film Toni Erdmann“ der deutschen Regisseurin Maren Ade um einen Oscar in der Kategorie Bester ausländischer Spielfilm“. Der fast vollständig in Rumänien gedrehte Streifen wurde von BBC Culture in die Liste der besten 100 Filme des 21. Jh. aufgenommen. Die Weltpremiere hatte Toni Erdmann“ 2016 in Cannes, wo er mit dem Preis der Filmkritiker- und Filmjournalisten-Vereinigung FIPRESCI für den besten Film im offiziellen Wettbewerb ausgezeichnet wurde und auch ein Favorit der Filmkritiker für die Goldene Palme war.
Die internationale Anerkennung von »Toni Erdmann« ist überwältigend; Nominierungen bei Festivals kommen und gehen, mit der Zeit werden sie vergessen, aber der Film bleibt. Infolge der internationalen Anerkennung kommen immer mehr Zuschauer in die Kinos, um den Film zu sehen, und das ist der größte Preis für alle Beteiligten, die bei dieser Produktion vor und hinter der Kamera ihr Bestes gegeben haben“, sagte uns die Filmproduzentin Ada Solomon, die einzige Produzentin in der Geschichte des rumänischen Kinos, die für einen Oscar nominiert wurde.
Für mich steht der kommerzielle Erfolg nicht unbedingt an erster Stelle; der Film sollte aber eine Botschaft haben und Fragen stellen, die die Zuschuaer zum Nachdenken bringen. Es könnte dabei um unsere persönlichen Entscheidungen gehen oder um den Lauf der Geschichte oder um das, was heutzutage in unserer Gesellschaft geschieht — das wären in etwa die Kriterien, nach denen ich meine Projektauswahl treffe. Wenn es sich um internationale Produktionen und Koproduktionen handelt oder um ausländische Filme, an denen ich mich beteilige, Filme, die somit Koproduktionen mit rumänischer Beteiligung werden, so haben diese Produktionen meistens eine Verbindung zu Rumänien oder sie werfen einen Blick auf Rumänien. Ich bin aber nicht an jeden Film interessiert, der irgendwelche Verbindung zu Rumänien hat. Am wichtigsten ist für mich, was ein Film zu sagen hat, und wie er die Geschichte erzählt, was im Drehbuch steht und welche Reaktionen der Film bei den Zuschauern auslösen sollte. Letzten Endes beteilige ich mich an Filmproduktionen, die ich selbst im Kino sehen möchte.“
In Maren Ades oscarnominierter Tragikomödie Toni Erdmann“ versucht ein zu Scherzen aufgelegter Vater in Rumänien die Beziehung zu seiner auf ihre Karriere fokussierte Tochter wiederzubeleben. Winfried Lau (Peter Simonischek) ist 65 Jahre alt, Musiklehrer und für jeden Spaß zu haben. Als allerdings sein langjähriger Begleiter und treuer Hund stirbt, entschließt er sich zu einer spontanen Reise nach Rumänien. In Bukarest, der Hauptstadt des osteuropäischen Landes, will er seine Tochter Ines Conradi (Sandra Hüller) mit seinem Auftauchen überraschen. Ines ist allerdings eine schwer beschäftigte Karrierefrau, die sich in Bukarest als Unternehmensberaterin einen Namen machen will und folglich einen Störfaktor wie Winfried ganz und gar nicht gebrauchen kann. Den Kontakt zu ihrem Vater hat sie nicht ohne Grund erkalten lassen, denn sie kennt seine Art von Humor zu Genüge. Ines’ Ablehnung stachelt Winfried jedoch nur noch mehr an: Der lebenslustige Mann will sicherstellen, dass seine ehrgeizige, rationale Tochter das Lachen nicht verlernt hat und so ersinnt er ein schillerndes Alter Ego namens Toni Erdmann, das seine Tochter aus der Reserve locken soll. (Die Übersicht stammt von moviepilot.de)
Laut Branchenmagazin Variety war der Film eine einmalige Studie einer Vater-Tochter-Beziehung, beide depressiv und voneinander entfremdet […], ein menschlicher, wahnsinnig komischer Triumph“. Neben den Hauptdarstellern Peter Simonischek und Sandra Hüller spielen in dem Film Michael Wittenborn, Thomas Loibl, Trystan Pütter, Hadewych Minis, Lucy Russell und die rumänischen Schauspieler Vlad Ivanov, Ingrid Bisu, Alexandru Papadopol und Victoria Cociaş. Mehr dazu von der Koproduzentin Ada Solomon:
Das Thema der Entwurzelung hat mich schon immer sehr interessiert. Es geht um das Leben der sog. ›Luxus-Nomaden‹, der hochqualifizierten Experten, die weit entfernt von ihrer Familie und Freunden, weit entfernt von der Kultur, in der sie aufgewachsen sind, leben und arbeiten. Mich interessiert, wie sie diese Entwurzelung emotionell prägt. Ich kenne viele Expats, die in Rumänien leben, ich wollte auch dieses Thema in einem Film behandeln. Es scheint mir, dass man heutzutage sehr viel über die Welt, in der wir leben, spricht, und zwar darüber, wie wir uns selbst aufgeben, um finanziellen Erfolg, alltäglichen Komfort, einen gesellschaftlichen Status zu erlangen, die uns aber keinen emotionellen Komfort bieten. Es geht um die Entscheidungen, die wir im Leben treffen, zwischen einer erfolgreichen Karriere und der Beziehung zu unseren Nächsten. Es geht darum, wie wir unsere Verwandten und Freunde vergessen, wie oft wir sie vergessen, wie oft wir auf ihre Versuche, uns näher zu kommen, eine Reaktion zeigen (oder eben nicht), und wie stark wir es bereuen, ihnen nicht zugehört zu haben.“
Ada Solomon sagte, das gut dokumentierte Projekt der deutschen Regiseurin Maren Ade habe sie sofort überzeugt:
Maren Ade ist eine Regisseurin, die sowohl einen breiten Blickwinkel als auch eine besondere Aufmerksamkeit bei der Dokumentation aufweist. Meine Vorliebe für den Dokumentarfilm, für die Recherche und die Vorbereitung eines Thema in Anlehnung an die Realität, sowie die Art und Weise, wie Maren Ade ihre Dokumentationarbeit durchgeführt hat, die Zeit, die sie dafür geopfert hat, damit das Ganze glaubwürdig und realistisch wird, all das trug zum Charme dieser Erfahrung bei, einer Erfahrung, die zweieinhalb Jahre dauerte. Während dieser Zeit hatten wir einen regen Gedankenaustausch und unzählige Gespräche. Maren verbrachte viel Zeit in Rumänien. Selbstverständlich hatte sie sich schon in Deutschland besonders gut dokumentiert, sie hatte viel über Rumänien gelesen, enorm viele Artikel aus der rumänischen und aus der internationalen Presse.“
Neben dem Streifen Bacalaureat“ des rumänischen Regisseurs Cristian Mungiu wurde Toni Erdmann“ auch für einen französichen César in der Kategorie Bester ausländischer Film“ nominiert.
Deutsch von Daniela Cîrjan