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LINOTIP – neues Tanzzentrum in Bukarest eröffnet

Die Choreographen Arcadie Rusu und Ioana Marchidan hatten Ende 2016 die Eröffnung eines Zentrums des zeitgenössischen Tanzes angekündigt.

LINOTIP – neues Tanzzentrum in Bukarest eröffnet
LINOTIP – neues Tanzzentrum in Bukarest eröffnet

, 19.08.2017, 17:30

LINOTIP soll das Zentrum hei‎ßen, es ist die Abkürzung für Unabhängiges Choreographie-Zentrum. Dieses soll im Bukarester Stadtzentrum, im sogenannten Universul-Palast eingeweiht werden, einem Gebäude, das auch weitere unabhängige Initiativen beherbergt. Linotip soll die Antwort auf den extremen Bedarf an Räumlichkeiten für Tanzaufführungen darstellen. Die Idee dazu hatten die beiden Choreographen Arcadie Rusu und Ioana Marchidan. Sie wollten eine Fläche einrichten, auf der sie bereits existierende Aufführungen präsentieren können. Darüber hinaus sei das Publikum des zeitgenössischen Tanzes in Rumänien erst dabei, sich zu formen, meint Arcadie Rusu.



Wir haben einen recht wichtigen Auftrag, denn bei uns ist der zeitgenössische Tanz so gut wie gar nicht vertreten. Wenn es ihn gibt, dann in der Form ganz selten aufgeführter Vorstellungen. Es gibt keine Kultur in dieser Hinsicht, denn diese Kulturform war während des Kommunismus verboten. Ich sehe den zeitgenössischen Tanz als eine ganz besondere Kunstform. Und wir sind daran interessiert, das Publikum in diesem Bereich zu erziehen. Oftmals können wir nicht ausgesprochene Dinge viel besser beobachten. Unser genetisches Erbe verfügt über diese Intelligenz, die für die Erfassung und Auslegung von Gesten, Blicken oder Absichten notwendig ist. Nur entschlüsseln wir sie nicht mit der Vernunft, sondern auf emotionaler Ebene. Ich möchte, dass bei meinen Aufführungen auch Leute im Publikum sitzen, die noch nie zeitgenössischen Tanz gesehen haben. Ich glaube nicht, dass der Tanz sich als Kunstform nur an besondere und gebildete Menschen wenden sollte, er ist eine Kunstform, die für jedermann zugänglich sein muss.“




Das unabhängige Choreographiezentrum Linotip ist ein Studio-Saal mit 60-70 Plätzen und der grö‎ßten Bühne unter den kleinen Räumlichkeiten“, sagt Arcadie Rusu stolz. Gesamtfläche: 120 Quadratmeter. Es sei nicht einfach, eine unabhängige Bühne zu betreiben, also eine Strategie für mindestens sechs Monate zu planen, so dass der Raum funktionieren und sich weiterentwickeln kann, gesteht Ioana Marchidan.




Wir haben bereits die vierte Werkstatt für zeitgenössischen Tanz organisiert, also haben wir uns vorgenommen, uns auf die Bildung zu konzentrieren. Weil die Laien, die unsere Werkstätten besuchen, auch das zukünftige Publikum für den zeitgenössischen Tanz sind, und das für alle Tanzbühnen, nicht nur für Linotip. Als nächsten Schritt haben wir bereits eine Tanz-Spielzeit begonnen. Das Publikum soll wissen, dass am Unabhängigen Choreographie-Zentrum Linotip Tanzaufführungen stattfinden. Dreimal in der Woche… Genauso wie im Theater. Also wird es diese Spielzeit geben, mit unseren Aufführungen und weiteren Gastaufführungen. Wir wollen den Studenten von der Film- und Theaterakademie, den Bachelor- und Masterstudiengängen den Linotip-Preis verleihen — sie werden so aufgefordert, in den Aufführungen zu spielen, auch ins Publikum zu kommen. So können sie lernen, was es bedeutet, vor einem zahlenden Publikum aufzutreten. Jetzt sind wir gerade dabei, mit dem Choreographen Massimo Gerardi zu verhandeln, wir wollen einen Themenschwerpunkt mit ihm planen. Er soll Werkstätten für Profis und Laiendarsteller leiten. Er sollte auch ältere Aufführungen wie »Magnetic Fields« inszenieren, eine deutsch-rumänische Koproduktion. Und wir haben ihn eingeladen, eine Aufführung mit dem Linotip-Ensemble zu konzipieren.“




Die Spielzeit bei Linotip begann am 1. Februar mit der Premiere der Aufführung Babel“, bei dem das Konzept und die Choreographie von Arcadie Rusu stammen. Darin geht es um den Menschen von heute und die Stadt als Dschungel, in dem jedes Lebewesen um sein Überleben kämpft, erklärt der Autor selbst.



Die Aufführung ist in erster Linie aus unserem Leben inspiriert. Bukarest diente als Forschungsplattform für die Vorstellung. Im Allgemeinen kann »Babel« als Aufführung über unsere Rückentwicklung als Spezies gedeutet werden. Wir haben aus technologischer Sicht recht gro‎ße Fortschritte erzielt, aber menschlich haben wir die gleichen Probleme. Wir haben nicht begriffen, dass unser Leben auf einen bestimmten Zeitpunkt beschränkt ist und dass irgendwann alles vorbei ist und keine materiellen Dinge mehr wichtig sind. Wir sind hier auf der Suche nach Stabilität, nach Gleichgewicht, und hier entstehen die egozentrischen und materialistischen Ideen. Deshalb verliert der Mensch seine spirituelle Dimension. Von daher ist »Babel« eine Tanzaufführung, die von der Illusion der Stabilität spricht.“




Nach Babel“ folgte am Linotip-Zentrum auch schon die nächste Premiere. Zwei zeitgenössische Frauen“ — das Konzept und die Choreographie stammen von Ioana Marchidan.



In der Aufführung beleuchte ich ein wenig die Stellung der Frau im Verhältnis zum Mann und thematisiere die Diskriminierung, die es im Laufe der Geschichte gegeben hat. Wir wissen nur zu gut, dass die Frau im Besitz einer anderen Person war — des Vaters, des Ehemannes. Die Frauen wurden einfach verkauft, so leid es mir auch tut, sie wurden wie das Vieh einfach verkauft. Mich haben auch die Suffragetten interessiert, die sich für das Wahlrecht für Frauen eingesetzt haben. Ich habe versucht, auch das anzusprechen, jedoch auch Unterthemen des Feminismus in die Gegenwart zu bringen. Es ist eine feministische Aufführung, aber ich wollte keine militante Aufführung daraus machen, ich wollte nicht auf die extremistische Schiene. Ich war bemüht, einigerma‎ßen bei der Jugend anzufangen, wenn die Mädchen auf der Stra‎ße mit sexistischen Sprüchen angemacht werden. In der Pubertät und Jugend sind die Mädchen anfällig und sensibel und solche Dinge können ihnen wehtun.“




Es sei nicht leicht, eine unabhängige Bühne für den zeitgenössischen Tanz zu gründen und zu verwalten, erzählt Ioana Marchidan. Dennoch habe sie Vertrauen in das Linotip-Projekt, sagt die Choreographin.



Ich glaube, dass der Kontext jetzt sehr günstig ist, zumal unsere Aufführungen genau von den aktuellen Themen handeln, von den Ereignissen auf dem Siegesplatz vor dem Regierungssitz, der Politik… Das Publikum ist auf der Suche nach Aufführungen mit Bewegung. Ich glaube, dass das hilfreich sein wird, und auch die Tatsache, dass es nicht allzu viele Tanzbühnen gibt. Es gibt gerade mal zwei, mit uns sind es drei… Das ist extrem wenig! Und ich glaube, dass das Publikum diese Art von Räumlichkeiten braucht. Solche Bühnen werden auch dem Publikum gut tun. Es sollten auch weitere Bühnen eröffnet werden, aber es sollen mutige Projekte sein. Man braucht Mut dazu. Es ist schwer, aber wenn man nicht dazu steht, wenn man den Schritt nicht wagt und nicht kämpft, dann erreicht man nichts. Viele sagen, ihnen fehlten die Mittel. Auch uns fehlen die Mittel, aber man kann Projekte beantragen, Geld beiseite legen, mit jemandem reden… Das Publikum wird kommen. Ich bin überzeugt, dass die Dinge ins Rollen kommen.“

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