Internationales Poesiefestival Bukarest: Vielfalt in jeder Hinsicht
Mehr als 100 Dichter aus über 30 Ländern beteiligten sich vom 15.–21. Mai in Bukarest an der 8. Auflage des Internationalen Poesiefestivals Bukarest.
Corina Sabău, 27.05.2017, 18:17
Auf dem Programm standen Rundtischgespräche, Debatten, Performances, Jazzkonzerte, Buchvorstellungen, Vorträge und, zum ersten Mal in der Geschichte des Bukarester Poesiefestivals, Veranstaltungen für Kinder. Ein besonderer Moment beim diesjährigen Poesiefestival war die Jubiläumsfeier des Autorenverbandes PEN, bei der PEN-Mitglieder von fast allen Ländern Europas anwesend waren. Claudiu Komartin ist Dichter, Chefredakteur der Literaturzeitschrift Poesis international“ und Leiter des Verlags Max Blecher“. Beim diesjährigen Poesiefestival in Bukarest moderierte Claudiu Komartin mehrere Leseabende:
Ich finde es wichtig, dass wir den Poesieinteressierten die Vielfalt der heutigen poetischen Diskurse präsentieren, vor allem in der ganz besonderen Zone der Gegenwartspoesie. Ich sage das, weil die Gegenwartspoesie ihr spezielles Publikum hat und ihre besondere Art des Suchens, der Erkenntnis aufweist. Ich weiß nicht, wie wichtig meine Rolle im Rahmen dieses Festivals ist, aber ich hatte den Auftrag, die Leseabende mit jungen Dichtern zwischen 20 und 40 Jahren zu moderieren. Moni Stănilă und Alexandru Vakulovski sind zwei der sozusagen ‚ältesten‘ Dichter der jungen Generation, die in diesen Tagen aus ihren Werken vorlesen. An den Leseabenden beteiligen sich sehr unterschiedliche Dichter — Dichter aus Cluj/Klausenburg, aus Chişinău, aus Bukarest — eine vielfältige Palette.“
Radu Vancu ist Dichter und Poesiekritiker — er gilt als einer der wichtigsten Poesiekritiker der Gegenwart, wie der international anerkannte Schriftsteller Mircea Cărtărescu sagte. Wir fragten Radu Vancu über seine Eindrücke nach seiner Teilnahme am Internationalen Poesiefestival in Bukarest:
Vor etwa 10 Jahren hatte jede Dichtergeneration ihre dominante Poetik, eine Art Gruppenpoetik, der man sich fast obligatorisch anschließen sollte — ansonsten schien der Dichter, den Anschluss zur Poesiebewegung verloren zu haben. Ein Dichter der 1960er Generation sollte etwa der Neumoderne angehören; als Dichter der 1980er Jahre musste man unbedingt textualistisch und belesen sein. Heutzutage stelle ich aber eine außerordentliche Diversität der Poetiken fest — es gibt körperliche Poetiken, es gibt sentimentale Poetiken, es gibt auch absichtlich technologische oder extrem experimentelle Poetiken. Meiner Meinung nach hat die rumänische Poesie von heute alle poetischen Formeln ausprobiert — ich könnte sagen, dass die rumänische Poesie die ganze Welt dokumentiert und ihre Diversität schildert. Das ist höchst erfreulich — bis jetzt hat es bei uns eine solche Diversität nicht gegeben. Und ich glaube noch etwas: Nicht die interne Logik der Poesie hat uns auf dieses Niveau gebracht, sondern die Tatsache, dass die rumänischen Dichter den Anschluss zur internationalen Dichtung gefunden haben, dass sie sehr viel unterwegs in der Welt sind, viel mehr als, sagen wir, vor 10 Jahren. Das brachte eine Art Import von Poetiken mit sich, ein Import von Weltanschauungen und auch neue Dichternamen. Das Resultat unserer internationalen Tourneen war eben eine Diversifizierung unserer Dichtung. Ich will hoffen, dass die rumänischen Kultureinrichtungen, die sich mit der Förderung der rumänischen Literatur beschäftigen, vom Rumänischen Kulturinstitut bis zum Rumänischen Kulturministerium, die nationale Identität, die sie offiziell vertreten, nicht als Autarkie oder als Schließung der Grenzen verstehen. Nur wenn die Dichter in die weite Welt gehen und die Grenzen offen bleiben, kann die Kultur eines Landes gedeihen, erwachsen werden, an Diversität gewinnen.“
Im Rahmen des Internationalen Poesiefestivals Bukarest moderierte Radu Vancu den Vortrag des Literaturübersetzers Adam J. Sorkin aus den USA mit dem Titel Putting a Blotch across the Sun, Tripping up for Good at the Soul: A Translator’s Evolution“. Radu Vancu dazu:
Adam J. Sorkin hat eine enorme Arbeit für unsere Dichtung geleistet, er hat im Laufe der Jahre die Werke mehrerer Dutzend rumänischer Dichter ins Amerikanische übertragen. In der Zeit, als die rumänischen Dichter kaum in die Vereinigten Staaten reisen konnten und fast keine Kontakte zu den amerikanischen kulturellen Phänomenen hatten, startete er eine Bewegung der rumänischen Dichtung in Richtung USA. Damals agierte Adam J. Sorkin wie ein grenzüberschreitender leichtfüßiger Elf, welcher die rumänische Dichtung in die USA und die amerikanische Dichtung nach Rumänien brachte. Abgesehen von seinem großen Verdienst als Literaturübersetzer fungierte Adam J. Sorkin auch als kultureller Vermittler — es ist ihm gelungen, die Übertragung von poetischer Information zwischen Rumänien und den USA zu ermöglichen, er war ein kultureller Katalysator zwischen den beiden Ländern, viel mehr als ein Literaturübersetzer.“