Highlights beim Internationalen Theaterfestival in Sibiu/Hermannstadt (FITS)
Insgesamt 350 Veranstaltungen, 66 Spielplätze, 70 Länder und rund 60.000 Zuschauer am Tag – das ist die stolze Bilanz von FITS 2013. In unserer Kulturchronik lassen wir die Highlights der Aufföhrungen Revue passieren.
Luana Pleşea, 31.08.2013, 14:34
Es sind 20 Jahre seit dem ersten Internationalen Theaterfestival in Sibiu vergangen. Damals beteiligten sich drei Länder mit 8 Aufführungen. In diesem Jahr hat die 20. Auflage des Festivals stattgefunden. 350 Veranstaltungen, 66 Spielplätze, 70 Länder und rund 60.000 Zuschauer am Tag. Das Internationale Theaterfestival in Sibiu belegt damit den dritten Platz nach den Festivalen von Edinburgh und Avignon.“
Dies ist die stolze Bilanz von Constantin Chiriac, dem Direktor des Internationalen Theaterfestivals und des Nationaltheaters Radu Stanca“ in Hermannstadt.
Das 20. FITS fand im Zeitraum 7. — 16. Juni statt. Es stellte dem Publikum eine Koproduktion im Rahmen des europäischen Projektes Oraşe pe scenă/ Cities on Stage/Villes en Scene“ vor. 2014 wird die Koproduktion im offiziellen Programm des Festivals von Avignon und auf der Bühne des Nationaltheaters in Brüssel gespielt. Es geht um Solitaritate“/Solitarity“, von Gianina Cărbunariu, das von den Schauspielern des Radu-Stanca-Theaters gespielt wird. Die junge Dramatikerin und Regisseurin Gianina Cărbunariu hat die Gruppe ‚Acum‘ gegründet, die die rumänische Dramaturgie fördern und entwickeln soll. Das Hauptthema des Projektes Oraşe pe scenă“ ist das Zusammenleben in den heutigen Großstädten. Gianina Cărbunariu dazu:
Bevor an einem Stück zu arbeiten beginne, dokumentiere ich mich, ich suche in Archiven, mache Interviews. Diesmal habe ich nicht so viel recherchiert, weil ich schon die Themen im Kopf hatte. Ich interessiere mich für die Art und Weise, in der die politische Rede in der letzten Zeit radikaler wurde, so dass Menschen, die uneffizient oder ungenügend wettbewerbsfähig sind, immer mehr gescholten werden. In den letzten Jahren sagte man immer öfters ‚Wer nicht arbeitet, verdient es auch nicht zu essen‘. Was geschiet aber mit den Leuten, die arbeiten und nicht genug Geld verdienen? Ich persönlich habe diese Frage nicht oft gehört und glaube, dass wir heute eher versuchen, Sündenböcke zu finden. Was nicht in Ordnung ist, ist, dass dieser Dikurs ankommt und dass wir ihn in unserem Leben akzeptieren. Dann beginnen wir auch, in unserem Alltagsleben nach Sündenböcken zu suchen. Das scheint mir sehr gefährlich. Diese Probleme kommen nicht nur in Rumänien sondern in ganz Europa vor.“
Eine besondere Aufführung war Aus dem Leben der Insekten — musikalisch-psychedelisches Mysterium“, nach dem Text von Karel und Josef Čapek, in der Regie von Victor Ioan Frunză vom UNESCO Kulturzentrum Nicolae Bălcescu“. Aus dem Leben der Insekten“ ist eine zeitgenössische Fabel über die Vorbereitung des Menschen auf den Tod, eine Geschichte über Zerbrechlichkeit und Überleben, die von fünf Schauspielern erzählt wird. Bühnendirektor Victor Ioan Frunză dazu:
Ich beschäftige mich seit langer Zeit mit diesem Text. Was mir sehr gefallen hat, ist die Tatsache, dass diese äsopische Form zahlreiche Realitäten einschließt. Es ähnelt dem dramatischen mittelalterlichen Mysterienspiel, das heutzutage nur noch selten gebraucht wird. Die Reaktion des Publikums führte mich zum Gedanken, dass eine bestimmte Naivität ganz gut beim Zuschauer ankommt und diesem hilft, Sachen zu verstehen, die, wenn sie direkt ausgedrückt werden, brutaler sein könnten. Die Reduktion auf Insekten hilft uns, besser zu sehen, was für Probleme und was für schwarze Perspektiven uns erwarten. Das Theaterstück bietet keine Lösungen, sondern endet mit dicken Gedankenpunkten.“
Ein weiterer Gast des zwanzigsten Internationalen Theaterfestivals in Sibiu war die Theatertruppe Sasha Waltz & Guests, ein Ensemble, das 20 Jahre seit seiner Gründung feierte und die in diesem Jahr zum EU-Kulturbotschafter ernannt wurde. Gespielt wurde das Theaterstück Continuu“/Kontinuum“, über das Harriet von Froreich, Vertreterin des Ensembles folgendes sagte:
Für Sasha Waltz ist es immer sehr bedeutend, das Prinzip des Dialogs in Betracht zu ziehen. Typisch für ihre Arbeit sind die Dialogprojekte, in denen sie nicht nur mit Künstlern, sondern auch mit besonderen Gebäuden und Orten zusammenkommen. »Continuu« entstand aus zwei solchen Projekten, die sich 2009 beim Neuen Museum in Berlin und Maxxi in Rom entfalteten. Die zwei Choreographien sind im Verhältnis zu den betreffenden Räumen geschaffen worden. Es war also ein Dialog mit den Gebäuden, in denen die Aufführung stattgefunden hat. Danach wurde sie auf die Bühne gebracht, um in internationalen Tourneen gespielt zu werden. Die Idee von »Kontinuum« ist, dass der Raum, so wie der Musiker, ein Protagonist ist. Der als Gast auftretende Schlagzeuger bringt sich sehr intensiv ein. Um diese Musik zu spielen, braucht man viel Energie. Für Sasha Waltz ist es wesentlich, dass diese Energie die Dynamik der Musik ausgedrückt.“
Zum Schluss kommt erneut FITS-Leiter Constantin Chiriac über die Bedeutung der Theaterfestspiele in seiner Heimatstadt zu Wort:
FITS ist ein Beweis dafür, dass Sibiu eine Stadt des Dialogs ist, eine Stadt, die die Kraft hat, ihre Schönheit, ihren Stolz zu zeigen. Hermannstadt ist fähig, Veranstaltungen zu organisieren, die mit den bedeutendsten Veranstaltungen auf Weltebene wetteifern können. Bedeutend ist die Tatsache, dass diese Festivalauflage auf die Zukunft baut, dass nichts aus dem Kontext weggelassen wird, dass es eine Fortsetzung des Erfolgs gibt.“
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