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Hermannstädter Theaterfestival 2015 – eine Bilanz

Die 22. Internationalen Theaterfestspiele in Hermannstadt haben auch dieses Jahr ein breites Publikum angelockt. Highlights des Festivals waren die Aufführung Mein Kampf“ von George Tabori und die Tanz-Performance Derwisch“ des Choreographen Ziya Azazi.

Hermannstädter Theaterfestival 2015 – eine Bilanz
Hermannstädter Theaterfestival 2015 – eine Bilanz

, 27.06.2015, 17:45

Beim 22. Internationalen Theaterfestival im mittelrumänischen Sibiu (Hermannstadt) hat dessen Intendant, der Schauspieler Constantin Chiriac, sein Versprechen auch dieses Jahr gehalten, das anerkannte Niveau der Festspiele hinsichtlich der Zahl der Veranstaltungen, der beteiligten Künstler und vor allem der Qualität der Aufführungen aufrecht zu erhalten. Zehn Tage lang wurde das mittelrumänische Hermannstadt zu einer Riesenbühne, die 2673 Künstler und Gäste aus 70 Ländern zusammenbrachte. Das Fazit der internationalen Festspiele kann mit einer weiteren Angabe ergänzt werden: 65.000 Zuschauer am Tag.



Eine der Veranstaltungen, die die Festspiele stark prägten, war die Uraufführung Nathan der Weise“, eine Koproduktion des Nationaltheaters Radu Stanca“ Hermannstadt und des Theaters Schauspiel Stuttgart, unter der Regie von Armin Petras. Es handele sich um keine einfache Inszenierung des Textes von Lessing, wie die Schauspielerin Ofelia Popii sagte:



Die Aufführung spricht aktuelle Themen an. Es hat mich auch überrascht, wie der Regisseur den Text gelesen hat, ohne ihn zu manipulieren oder irgendwie zu ändern. Er brachte Ideen in den Fokus, die uns heutzutage beschäftigen, Ideen in Bezug auf Religion, Politik und Alltagsleben: Was es bedeutet, Eltern zu sein, was die Beziehungen zwischen Menschen bedeuten. Es wäre mir ein Vergnügen, diese Aufführung als Zuschauerin zu sehen, weil sie viele Fragen aufwirft und einem die ganze Stimmung ändert.“




Zur Besetzung gehören rumänische und deutsche Schauspieler, die das Stück auf Deutsch, Rumänisch und Englisch aufführen. Die Aufführung soll anschlie‎ßend auch in Stuttgart und Oslo präsentiert werden.



Die Aufführung Mein Kampf“ von George Tabori hat das Publikum drei Stunden lang, bis Mitternacht, in Atem gehalten. Die Aufführung wurde von Alexandru Dabija vom Nationalen Staatstheater Cluj (Klausenburg) inszeniert. Mein Kampf“ ist eine anti-nazistische Farce, ein Freiheitsruf des Autors, der selber ein Opfer des Naziterrors war. Ionuţ Caras spielt die Rolle des Schlomo Herzl, eines alten Juden, der bei ihm im Altersheim einen jungen Mann Namens Hitler empfängt, der in Wien die Kunsthochschule besuchen wollte:



Der Text spielt eine besondere Rolle, weil er sehr gut ist. Es handelt sich um eine schwarze Komödie, eine tragisch-komische Farce. Ein Gro‎ßteil der Familie Taboris ist in Konzentrationslagern ums Leben gekommen. Er sagte, der Humor sei die einzige Möglichkeit, das zu vergelten. Seinen Text inszenierte Alexandru Dabija, bekanntlich kein steifer, sondern ein offener Regisseur mit einer jungen und spielerischen Denkweise. Wir, das Theaterensemble von Cluj (Klausenburg) befinden uns gerade in einer guten Zeit, in der wir viel an Erfahrung mit Komödien gewonnen haben. Ich selber hatte also nicht so viel zu tun. Als ich zum ersten Mal den Text las, war ich total überrascht. Ich wusste nichts über Tabori und der Text weckte bei mir starke Gefühle: Ich wollte lachen, dann war ich mir hingegen nicht mehr sicher, ob das überhaupt zum Lachen sei, dann musste ich wieder lachen und es mir gleich verkneifen — und schon fing wieder alles von vorne an. Das war wie ein Achterbahn-Gefühl. Diese Aufführung löst sowohl beim Darsteller, als auch beim Zuschauer komplexe Gefühle aus. Es war mir ein gro‎ßes Vergnügen, Teil der Aufführung zu sein. Diese Rolle habe ich sehr lieb gewonnen und versuche irgendwie weiter auf diesem feinen Faden zwischen Komödie und Drama in der Luft zu schweben.“




Drei Frauen, drei Generationen, drei Lebensstile: Gro‎ßmutter, Mutter und Tochter. Was bedeutete es, vor 50 Jahren ein Jude im kommunistischen Deutschland zu sein, und was bedeutet es, einer im heutigen Deutschland zu sein? Die Aufführung Mameloschn — limba în care să ne înţelegem cu toţii“ / Mother tongue Mameloschn“ / Muttermale Fenster blau“ wirft Fragen zur Identität, Zugehörigkeit und Heimat auf. Die Aufführung wurde am ersten Tag der Festspiele vom Deutschen Theater Berlin auf die Bühne gebracht. Der Dramaturg Ulrich Beck vom Deutschen Theater Berlin erläutert:



Wir waren sehr glücklich, diesen Text zu haben, denn er ist sehr wichtig für Berlin und für die Geschichte der Menschen, die hier leben. Das ist nicht alleine auf den jüdischen Hintergrund zurückzuführen. Ich glaube, dass sowohl das rumänische als auch das Berliner Publikum die Witze, die Beziehungen zwischen Mutter, Tochter und Gro‎ßmutter sehr genossen haben. Wir haben immer das Gefühl, dass die Probleme zwischen ihnen, genau wie die Zuneigung und die Kommunikation dem Publikum sehr nah am Herzen liegt. Die sozialen und politischen Verbindungen zwischen Menschen und dem politischen System stellen meiner Meinung nach ein äu‎ßerst wichtiges Thema für das zeitgenössische Theater dar. Die politische Situation steht im engen Zusammenhang mit den Menschen, mit der Art und Weise, in der sie ihr Leben prägen.“




Die Tanzaufführungen sind schon lange eine Attraktion für das Publikum der Internationalen Theaterfestspiele in Hermannstadt. Die Performance Derwisch“ von Ziya Azazi lässt sich bei den diesjährigen Festspielen als besonders gelungen bezeichnen. Der Choreograph Ziya Azazi hat sich zum zeitgenössischen Tänzer ausbilden lassen, mit drei‎ßig Jahren kehrte er zurück zu seinen Wurzeln. Selbst wenn Derwisch — der Tanz des Mönchs“ auf den ersten Blick traditionell scheint, handelt es sich eher um eine universelle Aufführung. Wenn er tanzt, legt Ziya einen besonderen Wert auf seine Modalität, die innere und die äu‎ßere Welt miteinander zu verbinden:



Wenn man den Kanal zwischen den beiden Welten öffnet, gelangen alle Informationen aus der inneren Welt in die äu‎ßere und umgekehrt. Wem das gelingt, der erreicht im wahrsten Sinne des Wortes die Bewegungsfreiheit. Dank dieser Theorie versuche ich stets während meiner Performance, diesen Geisteszustand zu erreichen. Ich versuche, einen klaren Kopf zu kriegen, meinen Körper zu reinigen und mich für das Publikum vorzubereiten. Wenn ich auf der Bühne auftrete, stelle ich mir dieses Ziel in Aussicht. Selbstverständlich spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, meinen eigenen choreographischen Blickwinkel zum Ausdruck zu bringen, meine Fähigkeiten für den Tanz zu zeigen. Das Wichtigste für mich ist, auf der Bühne real zu wirken, diese zwei Welten miteinander zu verbinden. Ich glaube, dass das in dieser Performance dank der Trance, der mystischen Elemente, der Wiederholung und der allmählichen Variationen der Bewegungen gut funktioniert hat. Das alles hilft mir dabei, real und transzendental zu werden. Von daher spielt es keine Rolle, wo ich meine Aufführung auf die Bühne bringe, das Publikum versteht mich sowieso. Wie es auch hier in Rumänien der Fall war, ist der Effekt immer positiv.“

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